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Konsequenzen

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Legt man das konstruktivistische Lernmodell zugrunde, so überrascht es nicht, dass der entscheidende Parameter für ein erfolgreiches Lernen – gerade auch in Mathematik – die bereichsspezifischen Vorkenntnisse (hier werden r≈0,7 bzw. d≈2 gemessen) sind. Weder die Begabung (r≈0,4 bzw. d≈0,9) noch die Motivation (r≈0,2 bzw. d≈0,4) haben diese große Bedeutung. Ohne abrufbares Vorwissen und aktive Grundfertigkeiten ist Lernen nicht möglich. Positiv wird dies häufig durch den sogenannten Matthäus-Effekt ausgedrückt:

„Denn wer da hat, dem wird gegeben.“ (Mt.13,12)

Die Erarbeitung sollte also gut vorstrukturiert sein (durch Material oder mündlichen Impuls vom Lehrer!). Schüler brauchen eine thematische Orientierung, damit sie dann aktiv lernen können (siehe Kapitel 5).

Der Schüler muss in jeder Phase vom Lehrer begleitet werden und ist auf Feedback (d=0,73) angewiesen (siehe Kapitel 9 ). Findet dieses Feedback während der Phase des Erarbeitens statt, so spricht Hattie von „Formativer Evaluation“ und misst hier eine sensationelle Effektstärke von d=0,90 (Ergebniskontrolle nach der Erarbeitung ist hingegen „summative Evaluation“ und weniger effektiv). Für eine gute Vorstrukturierung und ein angemessenes Feedback ist es nach Hattie wesentlich, dass Lehrer „durch die Augen ihrer Schüler sehen müssen“ (daher der Buchtitel „Visible learning“):

  • „Lehrpersonen müssen wahrnehmen, was Lernende denken und wissen, um Bedeutung und sinnstiftende Erfahrungen im Lichte dieses Wissens zu konstruieren. Zudem müssen sie ein kompetentes Wissen und Verständnis vom Stoff ihres Fachs besitzen, um sinnvolles und angemessenes Feedback geben zu können.“ (S. 280)

Mindestens genauso wichtig, wie eine vom Lehrer begleitete und organisierte Erarbeitung ist das Wachhalten von bereits Erlerntem, nur dann kann es als Vorwissen bei der nächsten Erarbeitung eingesetzt werden. Niemand erreicht flüssiges Wissen durch einmaliges Erarbeiten (Nur Angst- und Schmerzwissen wird so gelernt: Die heiße Herdplatte vergisst man nach einmaliger Berührung nie wieder, dieses Wissen ist aber nicht flexibel einsetzbar. Es würde auch keinen Sinn machen, mit der Hand auf der Herdplatte länger darüber nachzudenken, in welche Richtung man sie wegziehen sollte). Die Konsequenz scheint in vielen Unterrichten eine Vielzahl von aneinandergereihten Übungen zu sein (oben bereits als „Übungsideologie“ genannt). Dass dieses Vorgehen dem Lernen abträglich ist, hat unter anderen auch Hattie nachgewiesen. Rhythmisiertes vs. geballtes Unterrichten hat die enorme Effektstärke d=0,71 und meint einerseits ein verteiltes Üben (und damit Wiederholen), andererseits auch ein verteiltes Erarbeiten bei bestimmten Sachverhalten (siehe Kapitel 11 ). Auch die Lernpsychologie und Hirnforschung bestätigen die Notwendigkeit von Verteilen und Wiederholen für ein erfolgreiches Lernen. Die Speicherung erfolgt zunächst einige Sekunden im Ultrakurzzeitgedächtnis. Eine sofortige Wiederholung ist also sinnvoll.

Ins Kurzzeitgedächtnis kommt das Wissen nach einer weiteren Wiederholung im Abstand von ca. 15 Minuten. Wird nach ca. einem Tag wiederholt, erreicht das Neue das Langzeitgedächtnis. Dauerhaft abrufbar wird es aber erst, wenn weitere Wiederholungen nach Tagen und Wochen stattfinden. Diese für überschaubare Wissenseinheiten genannte Regel ist in noch schärferer Form für komplexere Zusammenhänge gültig. Eine Wiederholung in immer größeren Abständen ist unerlässlich dafür, dass sich Wissen auch „setzen“ kann.

Dieser letzte Aspekt ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil die Lerntempi in einer Gymnasialklasse um einen Faktor 3 variieren. Lernen im gleichen Tempo ist v.a. bei komplexeren Sachverhalten unmöglich. Auch die Begabungsunterschiede sind (nicht erst nach Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung) erheblich. Diesen Umständen muss man Rechnung tragen, indem man auch durch Tests Fähigkeitsunterschiede feststellt (siehe Kapitel 9 ). Diese Evaluationen dürfen aber kein Selbstzweck sein, sondern müssen münden in Maßnahmen für Förderbedürftige und für Begabte (siehe Kapitel 10 ).

 

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