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Stän­di­ges Wie­der­auf­grei­fen

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

...​und Fort­ent­wi­ckeln des Wis­sens


Dreh- und An­gel­punkt eines nach­hal­ti­gen Un­ter­richts ist das stän­di­ge Wie­der­auf­grei­fen und Fort­ent­wi­ckeln des Wis­sens. Wenn das Wie­der­ho­len kein be­wuss­tes und kon­se­quent ein­ge­setz­tes Un­ter­richts­ele­ment ist, sind viele an­de­re Maß­nah­men ver­geb­lich. Kein di­dak­ti­scher Trick, auch eine noch so aus­ge­klü­gel­te schü­ler­ak­ti­ve Er­ar­bei­tung führt daran vor­bei.

Letzt­lich geht es darum, das viel zi­tier­te Bru­n­er­sche Spi­ral­prin­zip ernst zu neh­men:

  • Un­ter­richts­ge­gen­stän­de wer­den nur bis zu einem be­stimm­ten Voll­stän­dig­keits­grad be­han­delt, um sie dann spä­ter wie­der auf­zu­neh­men und bis zu einer hö­he­ren Stufe wei­ter­zu­füh­ren. Dabei hat sich das Bild einer Schrau­ben­li­nie (oder Spi­ra­le) ent­wi­ckelt und die Idee von den ma­the­ma­ti­schen Leit­ide­en, die spi­ra­lig von Jahr zu Jahr im Ni­veau vor­an­ge­trie­ben wer­den.

Wich­tig dabei ist aber, dass die ein­zel­nen Schrau­ben­win­dun­gen ver­bun­den blei­ben (oder zu­min­dest keine zu gro­ßen Ab­stän­de be­kom­men): Das Wie­der­auf­neh­men von Schul­jahr zu Schul­jahr ist zu wenig, auch in­ner­halb eines Schul­jah­res muss an der Spi­ra­le ge­ar­bei­tet wer­den. Dies ge­lingt durch zwei Maß­nah­men:

  • Ver­tei­len der ge­plan­ten Übun­gen zum Thema über län­ge­re Zeit­räu­me:
    Die meis­ten Un­ter­richts­gän­ge wird man bis zu einem be­stimm­ten (Zwi­schen-)Ziel er­ar­bei­ten, dann aber die Übun­gen nicht am Stück durch­füh­ren, son­dern ver­teilt auf Tage, Wo­chen und Mo­na­te. Es geht hier also nicht um mehr Übun­gen, son­dern um deren di­dak­tisch sinn­vol­les Ver­tei­len (vgl. Ka­pi­tel 6 ). Letzt­lich „zwingt“ ein Ver­tei­len der Übun­gen den Leh­rer auch zu einer stän­di­gen Wie­der­ho­lung.
  • Ver­tei­len man­cher Un­ter­richts­gän­ge über län­ge­re Zeit­räu­me:
    Bei ein­zel­nen Un­ter­richts­ge­gen­stän­den ist es sinn­voll, eine kom­plet­te zeit­li­che Deh­nung bis zu einem be­stimm­ten (Zwi­schen-)Ziel vor­zu­neh­men. Hier wer­den also nicht nur die Übun­gen, son­dern auch die (oder zu­min­dest ein Teil der) Er­ar­bei­tung ver­teilt. Es han­delt sich dabei um The­men, die eine ganz neue ko­gni­ti­ve Her­aus­for­de­rung für die Schü­ler dar­stel­len. Ein ty­pi­sches Bei­spiel sind die Brü­che, ich ver­tei­le deren Er­ar­bei­tung und Übung auf die bei­den ers­ten Schul­jah­re. Ein ers­tes (Zwi­schen-)Ziel ist dabei, dass jeder Schü­ler zu­nächst den Bruch­be­griff, die ver­schie­de­nen Bruch­dar­stel­lun­gen, das Kür­zen und Er­wei­tern ver­steht. Dies stel­le ich mit ver­teil­ten Ein­schü­ben über das ganze fünf­te Schul­jahr si­cher, weil es sich um Kennt­nis­se han­delt, die sich set­zen müs­sen und die un­ab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für das Bruch­rech­nen sind.

Durch die­ses Vor­ge­hen ge­winnt man meh­rer­lei:

  • Er­ar­bei­te­tes Wis­sen wird wach­ge­hal­ten.
  • Das not­wen­di­ge Vor­wis­sen für wei­te­res Er­ar­bei­ten wird be­reit­ge­stellt.
  • Man hält sich au­to­ma­tisch län­ger mit ein­fa­chen, aber tra­gen­den Bei­spie­len und Tech­ni­ken auf, bevor man (zu) abs­trakt wird.
  • Man trägt den hirn­phy­sio­lo­gi­schen und Hat­tie­schen Er­kennt­nis­sen Rech­nung.
  • Man tes­tet und eva­lu­iert stän­dig, was die Schü­ler (schon) kön­nen und was (noch) nicht. Eine un­ter­richt­li­che Re­ak­ti­on dar­auf fällt dann we­ni­ger schwer („for­ma­ti­ve Eva­lua­ti­on“).
  • Man er­reicht ein (an­ge­neh­mes) Kom­pe­tenz­ge­fühl bei den Schü­lern oder gibt ihnen zu­min­dest Hin­wei­se dar­auf, was sie nach­ar­bei­ten soll­ten („sum­ma­ti­ve Eva­lua­ti­on“). Bei­des dient der Mo­ti­va­ti­on (d=0,48) und dem Selbst­kon­zept (d=0,43) der Schü­ler.
  • Jede Klas­se, die ich so un­ter­rich­tet habe, gab mir nach kur­zer Zeit mit über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit die Rück­mel­dung, dass sie das Prin­zip des Wie­der­auf­grei­fens und Fort­ent­wi­ckelns nicht mehr mis­sen möch­te (schwie­ri­ger ist die Über­zeu­gungs­ar­beit zu­wei­len bei El­tern).

Dem Nut­zen ste­hen auch Kos­ten ge­gen­über:

  • Die Un­ter­richts­pla­nung muss lang­fris­ti­ger er­fol­gen, ein Jah­res­plan ist sinn­voll.
  • Die Rea­li­sie­rung von meh­re­ren Un­ter­richts­strän­gen – „nor­ma­le“ Er­ar­bei­tun­gen, Wie­der­auf­grei­fen, Fort­ent­wi­ckeln – er­for­dert Aus­dau­er, Kon­zen­tra­ti­on und das No­tie­ren von durch­ge­führ­ten Wie­der­ho­lun­gen und Wei­ter­ent­wick­lun­gen.
  • Das Vor­ge­hen soll­te auch Ein­fluss auf die Haus­auf­ga­ben haben:
    Auch hier ge­le­gent­lich wie­der­ho­len­de Auf­ga­ben, Tests, ein­ge­sam­mel­te (evtl. be­no­te­te) Auf­ga­ben durch­füh­ren.
  • Das Vor­ge­hen muss auch Ein­fluss auf die Klas­sen­ar­bei­ten haben:
    Auch hier müs­sen wie­der­ho­len­de An­tei­le in­te­griert wer­den und man muss sich bei tei­ler­ar­bei­te­ten Ge­bie­ten auch mit we­ni­ger aus­ge­feil­ten Fä­hig­kei­ten und we­ni­ger an­spruchs­vol­len Zah­len­bei­spie­len zu­frie­den geben. Von einem Kind das ge­ra­de Krab­beln kann, kann man das Gehen nicht ver­lan­gen, ob­wohl das Lau­fen das Ziel ist.

Das Wie­der­auf­grei­fen kann auf zwei Arten ge­sche­hen:

  • In­te­grier­tes Üben:
    Hier wird der ak­tu­el­le Stoff mit den zu wie­der­ho­len­den Ele­men­ten ver­bun­den. Dies ge­schieht mit jeder ver­net­zen­den und jeder an­wen­dungs­be­zo­ge­nen Auf­ga­be und ist si­cher fes­ter Be­stand­teil in jedem Ma­the­ma­tik­un­ter­richt, wes­halb hier an die­ser Stel­le nicht näher dar­auf ein­ge­gan­gen wird. Ich weise nur dar­auf hin, dass Ver­net­zen und An­wen­den sinn­voll auch inn­er­ma­the­ma­tisch ge­sche­hen kann und soll und dass dies nicht nur in grö­ße­ren Zusam­nen­hän­gen (oder gar pro­jekt­ar­ti­gem Un­ter­richt), son­dern auch in klei­nem Maß­stab (siehe Ideen zur Ver­net­zung in Ka­pi­tel 7 ) mög­lich und sinn­voll ist.
  • Iso­lier­tes Üben:
    Hier wird iso­liert vom ak­tu­el­len Un­ter­richts­gang geübt. Also wäh­rend einer Geo­me­trie­ein­heit fin­det das iso­lier­te Üben z.B. de­zi­diert in Al­ge­bra statt und um­ge­kehrt.

Diese Me­tho­de ist glei­cher­ma­ßen wich­tig wie un­üb­lich, wes­halb ich ihr das ganze fol­gen­de Ka­pi­tel 12 widme.

Das Fort­ent­wi­ckeln von The­men ist etwas schwie­ri­ger zu ge­stal­ten, ge­schieht aber auf ganz ähn­li­che Weise im „Iso­lier­ten Er­ar­bei­ten“:

Auch hier wird iso­liert vom ei­gent­li­chen Haupt­un­ter­richts­strang ein Thema über län­ge­re Zeit wei­ter­ent­wi­ckelt und damit in den Schü­ler­köp­fen ver­an­kert. Es han­delt sich also um ein be­wuss­tes „Ne­ben­bei­ler­nen“, dass dar­auf ba­siert, dass die Schü­ler mit klei­nen Über­for­de­rungs­auf­ga­ben kon­fron­tiert wer­den. Auch die­ses Vor­ge­hen wird in dem ei­ge­nen Ka­pi­tel 13 be­spro­chen.

 

wei­ter mit Iso­lier­tes Üben