Ich möchte an dieser Stelle die Jugendlichen
selber zu Worte kommen lassen. Wir haben in einer 8. Klasse
einen Aufsatz schreiben lassen zum Thema: "Was mir beim
Wort Computer einfällt, was ich schon mit dem Computer gemacht
habe und warum es mit viel/ wenig/ gar keinen Spaß gemacht
hat."
Zwei sehr konträre Beispiele möchte ich hier vorstellen.
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Mädchen:
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“Was mir bei den Wort "Computer"
einfällt!
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1) Was ich schon mit dem Computer
gemacht habe:
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Mein Bruder hat einen Computer.
Als ich noch ein bißchen jünger war hab' ich manchmal
mit ihm spielen dürfen. Ich habe aber nie die Disketten
selbst reintun dürfen. Aber ich habe oft zugeschaut!
Ich hab' noch Kopfrechnen in der Schule mit dem Computer
gemacht.
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2) Warum mir der Computer wenig
Spaß macht:
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Ich habe zwar noch nicht so viel
mit dem Computer zu tun gehabt, aber mir macht das nicht
so wahnsinnig Spaß! Es ist alles so kompliziert (aber
wenn ich's mal öfters gemacht habe, bestimmt nicht mehr!)
und ich finde es ziemlich stumpfsinnig, vor einem Bildschirm
zu sitzen und irgendwelche Männchen abzuschießen. Ich
krieg nach 2 Stunden Bildschirm auch bestimmt Kopfweh!
Ich finde den Computer auch nicht übermäßig schlau (in
gewissem Sinne), denn er kann nicht logisch denken!
Andererseits ist es sicher interessant, Geometrie auf
dem Computer zu machen!”
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Junge:
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“Computer
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Ich habe selber zuhause einen Computer rumstehen,
'nen C64 mit vielen Games. Ich spiele manchmal eines
der rund 100 Stück, aber mit der Zeit werden sie langweilig.
Manchmal schreibe ich auch kürzere Programme wie Binomi-Trainer,
Kopfrechnen, Würfelsimulator oder Soundprogramme. Neulich
versuchte ich auch ein Spiel zu schreiben. Doch nachdem
mir nicht klar wurde was daran falsch sein sollte und
wie ich es besser machen könnte steckte ich's wieder.
Manchmal tippe ich auch Listenings aus Fachzeitschriften
ab. Leider ärgere ich mich jedesmal auf's neue wenn
die Zeitschriften Programme abdrucken, die mehr zeigen,
wieviel verschiedene Fehlermeldungen der Computer kennt,
als ihren Zweck erfüllen. Vielleicht werde ich mir in
naher (oder ferner) Zukunft ein besseres Gerät zulegen,
weil mir 64 KB Ram-Speicher zu wenig sind. Desweiteren
arbeitet der C64 viel zu langsam und für Programme in
anderen Programmiersprachen wie Maschinensprache, Turbo
Pascal, Prolog etc. ist er völlig ungeeignet. Der C64
ist ein reiner Spielcomputer, da das Softwareangebot
ziemlich weitreichend ist. Wenn man mit einem Rechner
umgehen kann ist das eine feine Sache, spielt man aber
bloß kann er schnell süchtig machen. Man sitzt dann
nur noch von morgens bis abends vor dem Kasten.”
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(Niederdrenk-Felgner 1991, S. 42, 43)
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Die Aufsätze – nehmen wir sie einmal von der
Tendenz her als repräsentativ für eine Mehrzahl von Mädchen
bzw. Jungen – bestätigen, was zahlreiche Untersuchungen gezeigt
haben.
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Mädchen interessieren sich vielfältig für Computer.
Ihr Interesse ist jedoch anders ausgeprägt als das der Jungen,
sie verwenden deutlich weniger (Frei-)Zeit auf die Beschäftigung
mit dem Computer und verfügen seltener über ein eigenes Gerät
(Fauser 1992; Lang & Schulz-Zander 1994). In der Freizeit
spielt der Computer für Mädchen eine viel kleinere Rolle als
für Jungen. Insgesamt lässt sich die Haltung der Mädchen dem
Computer gegenüber als pragmatisch orientiert und eher distanziert
beschreiben, während Jungen häufig am Computer an sich interessiert
sind und das Gerät auf sie eine stärkere Faszination ausübt.
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Die Schule ist insbesondere mit der folgenden
Situation konfrontiert:
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Engagement und Interesse von Mädchen und Jungen sind
im Fall des Computers schon von vornherein – also bevor
der Computer überhaupt in den Unterricht einbezogen wird
– sehr unterschiedlich ausgeprägt.
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Es gibt eine Vielfalt von Motivationen für die Beschäftigung
mit dem Computer, sowohl bei den Mädchen als auch bei
den Jungen.
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Aus der Nutzung des Computers im Freizeitbereich verfügen
manche Jugendliche über Vorkenntnisse im Umgang mit den
Geräten und teilweise auch im Umgang mit einigen Programmen.
Sie erscheinen den Jugendlichen, die über keine Vorkenntnisse
verfügen, leicht als allwissende Experten.
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Die Aufteilung in (vermeintliche) Experten und Unwissende
verläuft nahezu nach den Geschlechtern: männliche Hacker,
weibliche Laien.
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In keinem anderen Unterrichtsfach ist diese
Problemlage in solcher Schärfe bisher aufgetreten. Dem Informatik-Unterricht
und auch der informationstechnischen Grundbildung ist es nach
allen bisherigen Untersuchungsergebnissen nicht gelungen,
diese anfängliche Diskrepanz auszugleichen. Im Gegenteil sieht
es eher so aus, als ob im Unterricht noch weitere Faktoren
wirksam werden, die die Mädchen eher abschrecken bzw. in ihrer
ablehnenden Haltung bestätigen.
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Die Bildungsverwaltung hat natürlich längst
reagiert. Allerdings war es wohl nicht so sehr die “Geschlechterproblematik”,
die zu Veränderungen geführt hat. Das Unterrichtsfach Informatik
wurde auch in anderer Hinsicht den Herausforderungen der Neuen
Technologien nicht mehr gerecht. Die Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) sah schon
Mitte der 80er Jahre die Notwendigkeit, neue Bildungsinhalte
aufzunehmen und verabschiedete 1987 schließlich ihr Gesamtkonzept
für die informationstechnische Bildung. Unabhängig vom Informatikunterricht
und vor allem bereits für jüngere Kinder sollen Grundkenntnisse
über neue Technologien und Computer vermittelt werden. Dabei
soll möglichst an Inhalte der anderen Fächer angeknüpft werden.
Den Ländern bleibt genügend Spielraum, dieses Konzept umzusetzen.
In Baden-Württemberg wird beispielsweise am Gymnasium mit
der ITG im sogenannten Leitfach Mathematik in Klasse 8 begonnen.
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Zentral für den hier behandelten Zusammenhang
erscheint die folgende Formulierung aus dem BLK-Konzept:
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Ziel aller Bemühungen muss es sein, durch
die Vermittlung einer informationstechnischen Bildung allen
Jugendlichen - Mädchen und Jungen gleichermaßen - die Chancen
der neuen Techniken zu eröffnen und sie zugleich vor den Risiken
zu bewahren, die durch unangemessenen Gebrauch entstehen können.
(Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung
(BLK) 1987, S. 8)
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Leider wird nicht näher ausgeführt, wie dieses
Ziel erreicht werden kann. Aber als Ziel wollen wir es hier
festhalten. Um mit dem Problem umgehen zu können, müssen wir
schließlich erst einmal sagen, was wir eigentlich wollen,
welche Vorstellung wir überhaupt von Computerbildung für die
Schule haben. Und da trifft das BLK-Zitat den Nagel auf den
Kopf:
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Wir wollen Mädchen und Jungen gleichermaßen
die Chancen eröffnen, die die neuen Techniken beinhalten.
Diese Forderung lässt sich nicht nur durch einen formalen
Anspruch auf Gleichberechtigung begründen, sondern vor allem
durch die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt.
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Wie eingangs schon festgehalten, liegt das
Problem in der Arbeitswelt nicht in der Unterrepräsentanz
von Frauen an Computerarbeitsplätzen. Eher das Gegenteil ist
der Fall: Frauenarbeitsplätze werden in zunehmendem Maße von
den technischen Bedingungen abhängig. Und dies geschieht,
ohne dass Frauen an der Entwicklung und Gestaltung dieser
Technik in entsprechendem Umfang beteiligt sind. Die Chancen
der neuen Technologien erscheinen für Frauen damit kaum erreichbar.
Sie haben vielmehr einseitig unter den negativen Auswirkungen
zu leiden, indem z. B. immer mehr traditionelle Frauenarbeitsplätze
verloren gehen und Frauen – besonders in Krisenzeiten – in
unbezahlte Hausarbeit abgeschoben werden.
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