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Trinität. Ein kurzer Einblick in das Denklabor der Theologie

Die paradox erscheinende Aussage, dass Gott „drei-einig“ ist erscheint auf den ersten Blick vielleicht unsinnig, ja unlogisch und am Ende völlig bedeutungslos. Wer aber genauer hinsieht, gerät in ein jahrhundertealtes theologisches Denklabor, in dem man sich in spezifisch christlicher Perspektive um die Frage kümmerte, wer denn das nun sei – Gott. Dabei musste man immer wieder lieb gewordene Vorstellungen von Gott korrigieren und durch neue Aspekte ergänzen oder gar ersetzten. Zugleich zeigte sich aber mit erstaunlicher Stabilität, dass im christlichen Glauben mit gutem Grund von Gottes Dreieinigkeit gesprochen werden kann.

Die manchmal irritierende Bewegung im Nachdenken über den dreieinigen Gott setzt schon ein, wenn man im Neuen Testament nach ausführlicheren Aussagen über Gottes Dreieinigkeit sucht. Niemand kann nämlich in der Bibel eine fertige Trinitäts“lehre“ nachschlagen. Es gibt kurze, fast formelhafte Texte, die bündelnd von Gott, Vater Sohn und Heiligem Geist reden. Einer dieser Kurztexte wird bis heute in Taufgottesdiensten gelesen (Mt. 28, 18-20).

Mindestens genauso wichtig wie solche Kurzformeln war, dass das Neue Testament in Jesus Christus einen einzigartigen Zugang zum Gott Israels erblickte. „Über Christus sollte man reden wie über Gott“ schrieb der altchristliche Theologe Clemens v. Alexandrien (150-215).

Dieser Satz zielt ins Zentrum des christlichen Glaubens. Worum es geht, zeigt eine sehr alte Kreuzigungsdarstellung. Vielleicht kennen Sie sie schon. „Alexamenos betet seinen Gott an“ steht unter einem Spottkruzifix aus dem 2. Jahrhundert. Man sieht: Der Christ Alexamenos betet zu einem Esel. Dahinter steht die Frage: Wie kann man denn ernsthaft einen Gekreuzigten als Gottes Sohn, ja als Gott selbst verehren?

Erste Versuche, Gott als dreieinigen Gott zu verstehen stammten darum von Theologen, die den christlichen Glauben der nichtchristlichen Umwelt plausibel machen wollten. In Sachen Trinität ging es in der Alten Kirche dabei vergleichsweise zu wie in einem Labor, in dem die verschiedensten Menschen nebeneinander an Lösungen zu einem theologischen Problem experimentierten. Justinus Martyr (ca. 100-165) versuchte es so: „Wir verehren Gott den Vater, Jesus, seinen Sohn und den prophetischen Geist in gleicher Weise.“ Später schrieb Irenäus von Lyon (ca.130-202): „Jesus Christus und der Heilige Geist sind wie die beiden zur Welt hin ausgestreckten Hände Gottes.“ Aber das Graffito mit dem Eselskopf weist noch in seinem beißenden Spott auf eine offene Frage hin: Warum nur „Hände Gottes“? Begegnet den Menschen in Jesus Christus nicht Gott als ganzer?

Man bemühte die Philosophie und formulierte: Jesus und Gott sind von gleichem Wesen (griech. Ousia) oder Substanz (lat. substantia). Gegen diese Ansicht gab es massiven Widerstand. Der Theologe Arius (256-336) stellte die kritische Frage: Wird dadurch nicht die Einzigkeit und Souveränität Gottes zerstört? Jesus konnte für Arius höchstens so etwas wie ein „vollkommenes Gottesgeschöpf“ sein – gewiss edler als alle anderen Geschöpfe, aber eben doch nur ein Geschöpf. Arius provozierte Gegenfragen seines Bischofs Alexander. Wenn Jesus nur ein Geschöpf ist, wie kann er dann das ganze Heil Gottes zu den Menschen bringen? Die Wurzel der Trinitätslehre steckte letztlich in der Frage: Wie offenbart sich Gott in den Taten und im Lebensgeschick Jesu Christi? Der Streit um die Antwort eskalierte in heute unvorstellbare Dimensionen hinein. Er durchzog fast den gesamten griechisch-sprachigen Teil des Imperium Romanum.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt beschäftige all dies auch den römischen Kaiser. Kaiser Konstantin (272-337) hatte seit dem Jahre 312 begonnen, das Christentum gezielt zu begünstigen. Bald schon setzte er machtpolitisch kompromisslos auf eine sich ausbreitende christliche Kirche. Innerkirchlicher Streit über Glaubensfragen kamen da höchst ungelegen. Der Kaiser berief daher eine große Kirchenversammlung (Synode) ein (Nicäa 325), auf der verbindlich formuliert wurde: „Jesus ist eines Wesens (griech. homoousios) mit dem Vater, Gott von Gott, Licht vom Licht“.

Aber die biblischen Texte reden ja nicht nur von Gott dem Vater und Schöpfer und von Jesus Christus als dem Sohn Gottes. Die Bibel spricht auch vom Geist Gottes, der Menschen ergreift, stärkt und erneuert. Um das Verhältnis von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist zu klären, wurden im Jahr 381 auf einer Synode wieder philosophische Begriffe aktiviert: die beiden Ausdrücke „Wesen“ (lateinisch: substantia, griechisch: ousia) und Person (lateinisch: persona, griechisch: hypostasis) wurden miteinander in Beziehung gesetzt. Man verständigte sich auf folgende Formel: Gott hat ein Wesen in drei Personen.

Damit war das Nachdenken über Gottes Dreieinigkeit aber keineswegs abgeschlossen; das „Trinitäts“labor blieb sozusagen geöffnet.

Der mittelalterliche Theologe Augustin (354-430) meinte, die Dreieinigkeit Gottes könne besser in Analogie zu weltlichen Vollzügen und Beispielen ausgemacht werden. Er nannte sie „vestigia trinitatis“ (Verkleidungen der Trinität). In seinem bekanntesten „vestigium“ beschrieb Augustin Gottes Sein als ewige Liebe: Der liebende Vater und der geliebte Sohn sind durch das Band der Liebe (Heiliger Geist!) miteinander verbunden. Vater Sohn und Heiliger Geist können also für Augustin theologisch nicht ohneeinander gedacht werden.

Evangelische und katholische TheologInnen des 20. Jahrhunderts erkannten, dass die Trinitätslehre auch helfen konnte, theologisch und philosophisch nicht allzu naiv von Gott zu sprechen. Sie formulierten: Wer vom dreieinigen Gott redet, kann das Geheimnis des einen Gottes z.B. nicht mehr in das Bild eines absoluten himmlischen Monarchen pressen. Alle Aussagen, die Gott dann etwa zu einem Urbild menschlicher Herrschaftssymbolik und Herrschaftsansprüche machen wollen, liegen grundsätzlich falsch. Gott ist einer, aber in einer Weise, die menschliche Vorstellungen auch nicht einfach übernimmt. Das trinitarische Bekenntnis ist zwar unbedingt monotheistisch; zugleich aber steht der paradoxe Ausdruck „dreieinig“ gegen ein allzu simples Gottesbild. Das trinitarische Bekenntnis weist aber auch auf Erfahrungen, die sich in der gesamten Bibel finden: Wo Gott ist, geht es um lebendige und gerechte Gemeinschaft. Als Schöpfer und Gott Israels, in Jesus Christus, selbst im Kreuzestod Jesu, wahrt Gott diesen Gemeinschaftswillen. Er ist stärker als der Tod und gegenwärtig als Heiliger Geist, der menschliche Beziehungen ermöglicht, belebt und stärkt.

Kritische Fragen und Probleme blieben. Ist nicht alles doch zu abstrakt? Wird nicht der Monotheismus untergraben? Verdirbt nicht hochgradig reflektierende und vielleicht längst überholte Philosophie die immer noch lebenspraktische Glaubenskraft der Bibel?

Zugleich war die Verteidigung des trinitarischen Bekenntnisses keineswegs immer friedfertig. Nachdem Michael Servet (1511-1553) trinitätskritische Bücher veröffentlicht hatte, geriet er ins Visier des Schweizer Reformators Johannes Calvin (1509-1564). Calvin sah einen Grundpfeiler der christlichen Lehre in Gefahr. Entsprechend der gewaltbereiten Logik seiner Zeit veranlasste er die Verbrennung Servets als Ketzer.

Friedfertigkeit in strittigen Religionsfragen aber ist nötiger denn je. Wenn in der Gegenwart christliche und muslimische Menschen miteinander ins Gespräch kommen, stehen unter Umständen kritische Fragen zur Trinität an. Zwei Suren aus dem Koran machen dies besonders deutlich:

„Christus Jesus, der Sohn Marias, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das Er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geist von ihm. So glaubt an Gott und seine Gesandten. Und sagt nicht: Drei.“ (Sure 4, 171)

„Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ´Gott ist einer von dreien´. Es gibt keinen Gott außer einem einzigen Gott.“ (Sure 5, 73).

In diesen Aussagen stecken grundsätzliche Anfragen. Was könnte man nun aus christlicher Sicht auf diese Anfragen antworten? Das Trinitätslabor ist noch nicht geschlossen.

Ulrich Löffler


Aufgaben

  1. (Vor Rezeption des Textes) Erstellen Sie eine Zeichnung von Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist.
  2. Erstellen Sie für diesen Text Zwischenüberschriften, die die jeweiligen „Stationen“ in der Entwicklung der Trinitätslehre widerspiegeln.
  3. Entwerfen Sie zu den einzelnen Überschriften Logos, die als Lern- und Wiederholungshilfe eingesetzt werden könnten.
  4. Eine Muslima fragt in einem interreligiösen Chat, warum im Christentum immer wieder von der Dreieinigkeit Gottes die Rede ist. Sie bedauert dies, weil dies auch den interreligiösen Dialog erschwere. Erstellen Sie eine Antwort; nehmen Sie dabei auch auf Sure 4, 171 und Sure 5, 73 Bezug.

 

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