Die Settings inklusiver Bildung
Einflussreiche Gutachten argumentieren beispielsweise mit der „Feststellung, dass Förderschülerinnen und Förderschüler in integrativen Settings gegenüber denen in institutionell separierenden Unterrichtsformen einen deutlichen Leistungsvorsprung aufweisen“ (Klemm, 2010, S. 24). Im deutschsprachigen Raum berufen sich zahlreiche Publikationen auf positive Befunde aus Schulversuchen über die Wirkungen integrativer Schulformen (Demmer-Dieckmann, 2010; Klemm, 2009, 2010; Preuß-Lausitz, 2012; Schnell, Sander & Federolf, 2011). Die Quintessenz lautet: „Durch inklusive Beschulung wird mehr Bildungsgerechtigkeit und soziale Partizipation erreicht. Gemeinsames Lernen kommt allen zugute“ (Demmer-Dieckmann, 2010, S. 17). Mit dieser, auch empirischen Argumentation wird die Forderung nach Abschaffung besonderer sonderpädagogischer Institutionen, insbesondere der Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen, begründet – hätten die integrativen Settings doch eine deutlich bessere Wirkung für die leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler.
Mehrere internationale Überblicksdarstellungen weisen allerdings den Mangel an gut fundierten empirischen Wirkungsstudien nach. Die vorliegenden Befunde weisen uneinheitliche Befunde nach, die Ergebnisse finden jedoch kaum Beachtung in der fachlichen und bildungspolitischen Debatte. Die Befunde belegen keine klarenVorteile für eine der Organisationsformen. Ansätze einer „full inclusion“, die jede spezialisierte Organisations- form der Förderung aufheben möchten, zeigen neben wenigen positiven Effekten in niedriger Ausprägung aufakademische und soziale Faktoren auch negative Wirkungen (Dyson et al. 2004; Farrell et al., 2007; Kalambouka et al., 2007; Lindsay, 2007; Ruijs & Peetsma, 2009; Wang & Baker, 1985). Als Quintessenz internationaler empirischer Studien lässt sich festhalten, dass allein schulorganisatorische Veränderungen kaum positive Auswirkungen zeigen, und dann bestenfalls in geringer Effektstärke.
Neuere Studien in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, wie das Rügener Inklusionsmodell in Mecklenburg-Vorpommern (Voß et al., 2016), die BiLief-Studie in Nordrhein-Westfalen (Wild et al., 2015), die PING-Studie in Brandenburg (Jäntsch & Spörer, 2016) oder die Ki.SSES-Studie in Baden-Württemberg (http://www.ki-sses.de/gesamtprojekt/) arbeiten auf der Basis umfangreicher und methodisch anspruchsvoller Forschungsansätze und bestätigen die schon länger vorliegenden, internationalen Ergebnisse. Gerade unter Alltagsbedingungen, die häufig weit entfernt von der guten Ausstattung früherer Schulversuche arbeiten, können sich auch Nachteile für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen in integrativen Settings zeigen (Huber 2009).
Allein durch die Organisationsform lässt sich, so die Schlussfolgerung, der Auftrag inklusiver Bildung nicht realisieren. Wie kann die Zielsetzung inklusiver Bildung, nämlich die Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Lernenden, insbesondere jedoch von benachteiligten und marginalisierten Gruppen, erfolgreich realisiert werden?
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