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Die Aufgaben von Lehrkräften in inklusiven Bildungssystemen

Die in den Studien zum Teil unterschiedlich benannten Aufgaben lassen sich zu übergeordneten Aufgabenbereichen zusammenführen. Dadurch ergeben sich elf Aufgabenbereiche mit 57 Aufgaben in den Studien zu den sonderpädagogischen Lehrkräften sowie neun Aufgabenbereiche mit insgesamt 40 Aufgaben, die aus den Studien zu den Lehrkräften der allgemeinen Schule ermittelt wurden. Dabei werden gemeinsame und unterschiedliche Aufgabenbereiche für die Lehrkräfte der allgemeinen Schulformen und der Lehrkräfte für Sonderpädagogik identifiziert (Melzer, Hillenbrand, Sprenger & Hennemann, 2015).

Tabelle: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den überschneidenden Aufgabenbereichen

Vier Aufgabenbereiche sind demnach sowohl in den Beschreibungen für die Lehrkräfte der allgemeinen Schule als auch für die sonderpädagogischen Lehrkräfte zu finden: Unterricht und Vermittlung, Kooperation und Zusammenarbeit, die Förderplanung sowie die eigene Professionalisierung. Innerhalb der Tätigkeitsfelder werden jeweils Spezialisierungen deutlich.

Die größten Überschneidungsbereiche der beiden Professionen sind im klassischen Aufgabengebiet des Lehrens zu finden. Die Formen des Co-Teachings in Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts lassen sich hier typischerweise identifizieren. Daneben wird auch der Forderung der UN-Konvention nach effektiver Unterstützung aller Schülerinnen und Schüler (UN-BRK, Art. 24) Rechnung getragen, indem evidenzbasierte Maßnahmen und Unterrichtsmethoden sowie deren Evaluation als Schnittstelle beschrieben werden. Die Spezialisierung wird deutlich: Die sonderpädagogische Lehrkraft nimmt eine Unterstützungsfunktion für die Gruppe im Klassenunterricht ein und ist insbesondere für die Förderung in der Kleingruppe zuständig, während die Lehrkraft der allgemeinen Schule primär die Heterogenität der gesamten Klasse im Blick hat, dabei für einzelne Schülerinnen und Schüler Modifikationen des eigenen Unterrichts (Differenzierung) leistet.

Im Bereich der Kooperation finden sich gemeinsame Aufgaben, vornehmlich mit Bezug auf die Elternarbeit, aber auch auf die Kooperation mit anderen Professionen. Es bestehen jedoch Unterschiede: Während für die Lehrkräfte der allgemeinen Schule die Kooperation v. a. mit sonderpädagogischen Lehrkräften und Assistenzkräften genannt wird, koordinieren die sonderpädagogischen Lehrkräfte die Kooperationen und leiten Assistenzkräfte an. Die Befunde in diesen beiden Aufgabenbereichen unterstützen deutsche Ergebnisse (Werner & Quindt, 2014; Melzer & Hillenbrand, 2015).

Die Bereiche Förderplanung und eigene Professionalisierung lassen sich für beide Gruppen nachweisen, jedoch erfüllen sie darin jeweils verschiedene Aufgaben. International besteht nach den ermittelten Studien eine klare Aufgabenteilung: Erstellung und Fortschreibung der Förderplanung erfolgt durch die sonderpädagogische Lehrkraft, die dann Informationen zur Umsetzung an die Lehrkraft der allgemeinen Schule weiterleitet. Hier wird deutlich, dass die Befunde rein deskriptiver Art sind – wünschenswert sind andere, kooperativere Formen der Förderplanarbeit. Die eigene Professionalisierung stellt sich als Aufgabe für beide Gruppen, während jedoch sonderpädagogische Lehrkräfte gezielte Trainings aufsuchen, thematisiert die Professionalisierung der Lehrkräfte der allgemeinen Schule stärker curriculare und einstellungsbezogene Aspekte.

Neben diesen gemeinsamen Aufgabenbereichen weisen die internationalen Studien für die beiden Professionen auch divergierende Aufgabenbereiche nach. Während für die sonderpädagogische Lehrkraft Beratung, Diagnostik sowie individuelle Förderung als spezifische Aufgabe genannt werden, gestalten die Lehrkräfte allgemeiner Schulen stärker den Rahmen für den gemeinsamen Unterricht (Classroom Management, Klassenklima, fachliche Vorbereitung). Die sonderpädagogischen Lehrkräfte erfüllen, nicht unerwartet, insgesamt stärker die spezialisierteren Aufgabenstellungen wie Anleitung anderer Lehrkräfte und Assistenten, Diagnostik, individualisierte und spezifische Angebote für einzelne Schülerinnen und Schüler, während Lehrkräfte der allgemeinen Schulen für einen geeigneten Rahmen sorgen. Diese deskriptiven Befunde zu den Aufgaben für Lehrkräfte in inklusiven Bildungssystemen können hilfreiche Hinweise für die zukünftigen Profile geben, die in der Lehrerbildung berücksichtigt werden sollten (Melzer & Hillenbrand, 2015).

In der Quintessenz zeigen sich tragfähige Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung inklusiver Lehrerbildung insbesondere in folgenden Punkten:

  • grundlegend benötigen alle Fachkräfte einer Schule die Vermittlung von aktuellem Wissen in evidenzbasierten Verfahren der Unterrichtsgestaltung;
  • spezifische Felder des Wissens sind die an den Bedürfnissen der Lernenden orientierten Verfahren der Unterstützung (bspw. der Lernförderung oder sozial-emotionalen Unterstützung), der Diagnostik, Lernbegleitdiagnostik und Förderplanung, der Kooperation (bspw. Co-Teaching) und der Schulentwicklung;
  • erforderlich für die Schulentwicklung ist die Unterstützung und Begleitung der Fachkräfte der allgemeinen Schule und der Sonderpädagogik in der Implementation und Reflexion der erworbenen Kenntnisse wirksamer Verfahren (Moderatorensysteme) sowie
  • die Gewinnung und Nutzung von pädagogisch relevanten Daten innerhalb einer Schule, um datenbasierte Entscheidungen zur Weiterentwicklung schulischer Entwicklungsprozesse treffen zu können.

 

Inklusion und Lehrkräftebildung: Herunterladen [pdf][1,4 MB]

 

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