Begriffsklärungen „Technik“
Infobox
Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
A BEGRIFF
>
T~<
meint
(a) nutzenorientierte Gebilde (Artefakte oder Sachsysteme)
wie Maschinen,
Werkzeuge und Infrastrukturen; aber auch
(b) geregelte Verfahren
wie chirurgische Operationstechnik, mathematische
Beweistechnik oder auch Techniken des Musizierens oder der Meditation.
>Technologie<
wird häufig verwendet, um wissenschaftlich hervorgebrachte oder besonders komplexe
Techniken zu bezeichnen, aber auch Technikbereiche übergreifend zusammenzufassen.
Historisch geht der Technikbegriff auf die aristotelische Unterscheidung von
>natürlich< und >künstlich< zurück. Während das Natürliche den
Grund seines Entstehens und Werdens in sich selbst trägt, also >Gewordenes<
ist, bezeichnet
techne
das künstlich vom Menschen im Rahmen herstellender
Tätigkeit (
poiesis
) Hervorgebrachte
; damit wird T~ als Teil der Sphäre
menschlicher Kultur begriffen.
B FUNKTION
Man kann
T~ als anthropologische Notwendigkeit
deuten, ausgehend von
der Prämisse des Menschen als Mängelwesen. T~ dient danach der Perfektion des
Menschen und kompensiert dessen unvollkommene natürliche »Grundausstattung«:
sie ist
Organersatz, Organverlängerung und Organüberbietung
; sie ist
Konkretisierung und Objektivierung von Körperfunktionen; sie erlaubt in weitestem
Sinn die Weltbemächtigung, indem sie unvollkommene Handlungsmöglichkeiten ergänzt.
Dabei wird sowohl die Funktion der T~ zur Erweiterung der individuellen Fähigkeiten
des Menschen gesehen als auch ihr Beitrag in kultureller und gesellschaftlicher
Hinsicht. Auch Kulturtechniken wie Schrift und Sprache und die staatlichen Organisationsformen
werden als Funktionsbestandteile der technischen Kultur bezeichnet.
C PROBLEMATIK
(c1) Komplementarität: T~ beruht auf menschlicher Erfindung; sie liefert Mittel,
mit denen wir unsere Pläne verwirklichen u. die Natur umgestalten; als
ideengeleitete
Praxis
steht sie im Dienst des Menschen. – Die Fähigkeit, T~ zu entwickeln,
gehört zur biologischen Ausstattung des Menschen; der technische Fortschritt
ist eine Fortsetzung der Evolution mit anderen Mitteln; als
naturhaft-evolutionärer
Prozess
tendiert er zur Verselbständigung.
(c2) Ambivalenz: Technische Mittel können positiven oder negativen Zwecken dienen. Ihr Gebrauch kann planmäßig funktionieren oder nicht . T~ ist per se ambivalent durch die vernunftgesteuerte Seite, die wir im Griff haben, und die naturwüchsige Seite, die wir nicht im Griff haben. Eine historische Ursache für die Verschärfung der Ambivalenz liegt in der (neuzeitlichen) Fusion von Naturwissenschaft, T~ und Ökonomie: technischer Fortschritt verselbständigt sich als quasi-evolutionärer Prozess. Mit der industriellen Produktion wird T~ zum Motor des Wirtschaftswachstums; und dieses dominiert die gesellschaftliche Entwicklung. Zu den ungeplanten Technikfolgen zählen (a) unerwünschte Personen-, Sach- u. Umwelt- Schäden ; (b) sachliche u. normative Grauzonen : u.a. Effizienzsteigerung ↔ Individualitätsverlust; Realisierung von Bacons Utopie ↔ Ökonomisierung der Werte; Wirken der » invisible hand « ↔ Marktversagen; Prometheus ↔ Pandora.
(c3) Dialektik: Insofern T~ das System der Mittel darstellt, dienen Techniken (sowohl geregelte Verfahren als auch Artefakte wie Werkzeuge oder Maschinen) zu außerhalb ihrer selbst liegenden Zwecken ( Effektivität , Effizienz , Kosten-Nutzen-Analysen ). - Technikentwicklung und T~einsatz weisen aber über die ursprünglich intendierten Zweck-Mittel-Relationen hinaus und bergen Überraschungspotentiale . Neue Technik wird nicht nur als Mittel zu vorab festgelegten Zwecken hergestellt: es kann verschiedene Mittel zu dem gleichen Zweck geben, der gleiche technische Gegenstand kann Mittel zu unterschiedlichen Zwecken sein, es werden zu vorhandenen Techniken auch neue Zwecke erfunden, es kommt zu Zweckumwidmungen und neue Techniken können neue Zwecke, an die niemand je zuvor gedacht hat, eingeben, erzeugen oder sogar aufzwingen, einfach durch das Angebot ihrer Ausführbarkeit (H. Jonas). Insofern nahezu die gesamte moderne Lebenswelt >technologische Textur< aufweist , stellt T~ mehr als nur ein Ensemble von Artefakten und Verfahren dar. Sie ist Medium, d.h. Vermittlungsinstanz der Weltaneignung und Form des Handelns; als Medium bestimmt T~ Möglichkeiten aber auch Grenzen, innerhalb deren individuelle wie gesellschaftliche Prozesse stattfinden (z.B. Internet als >Nervensystem< der modernen Gesellschaft).
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