Agnes - Charakterisierung
1. Erste Annäherung an die Figuren
Da Agnes dem Leser nur durch die Perspektive des Ich-Erzählers vermittelt wird, ist es nicht leicht, ihren "wahren" Charakter zu erfassen. (Hinweis: mehr Aufschluss über den "unzuverlässigen Erzähler" gibt der Bereich „Konstruktion des Romans“.)
Im Roman selbst finden sich einige Hinweise darauf, dass beide Protagonisten sehr unterschiedliche Sichtweisen haben: gemeinsame Erlebnisse werden anders beurteilt und erinnert, ihre Bedeutung wird unterschiedlich gewichtet (S. 56f). Auch die Einschätzung ihrer selbst und der Blick auf den Partner unterscheiden sich sehr. Dies wird besonders deutlich, als Agnes und der Ich-Erzähler im Museum ein Gemälde Seurats betrachten und sich jeweils in ganz anderen Figuren wiederfinden (S. 68f). Die Schülerinnen und Schüler werden in einem Arbeitsblatt [doc] [47 KB] dazu angeregt, zunächst selbst zu überlegen, welche abgebildete Person sie wem zuweisen würden, und dann in einem zweiten Schritt zu überlegen, was die Zuweisungen der Protagonisten über deren Selbsteinschätzung und Beziehung aussagen.
Falls den Schülerinnen und Schülern kein Internetzugang zur Verfügung steht, wird hier alternativ ein Arbeitsblatt [doc] [260 KB]angeboten, das Seurats Gemälde schon enthält, es also nicht mehr kopiert werden muss. Weitere Anregungen bietet ein Arbeitsblatt [doc] [84 KB] mit vielen geeigneten Textstellen zur Charakerisierung aller Romanfiguren und ein kurzer Überblick Arbeitsblatt [doc] [52 KB] mit einigen zusätzlichen Vorschlägen für handlungsorientierten Unterricht..
2. Charakterisierung Agnes
Alles, was wir über Agnes wissen, wissen wir durch den Ich-Erzähler. Da die Wahrnehmung der beiden sich aber offensichtlich unterscheidet und der Ich-Erzähler sogar einmal einen Fehler in seiner Erinnerung zugibt (s.o. Annäherung an die Figuren), muss einem bewusst sein, dass das Bild von Agnes subjektiv gefärbt ist. Es ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler dies erkennen.
Um sich von dem Ich-Erzähler zu lösen, simulieren die Aufgaben des ersten Arbeitsblattes [doc] [55 KB] einen Besuch Herberts bei Agnes. Ihr Umfeld, auf das der Ich-Erzähler auch wertend reagiert, soll mit anderen Augen gesehen werden.
In einem weiteren Arbeitsblatt [doc] [45 KB] werden vom Ich-Erzähler beschriebene und von ihm als merkwürdig empfundene Verhaltensweisen von Agnes aufgelistet. Die Schüler und Schülerinnen bewerten das Verhalten zunächst selbst, informieren sich dann über zwanghaftes Verhalten. Sie sollen sich eine Meinung darüber bilden, ob Agnes wirklich an Zwangsstörungen leidet und hinterfragen, warum es dem Ich-Erzähler so wichtig ist, von ihren Verhaltenseigenheiten zu berichten. Das Verhalten des Ich-Erzählers gegenüber Agnes ist in vielfältiger Weise schon ausführlich behandelt worden. Daher beschränken wir uns bei unseren Unterrichtsvorschlägen auf einen wesentlichen Aspekt: Hat der Ich-Erzähler Agnes geliebt? Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten und bietet damit Anlass für eine Diskussion. Die Klasse wird in Pro- und Contra-Gruppen aufgeteilt und sammelt mit Hilfe einer Liste mit Textstellenangaben Arbeitsblatt [doc] [74 KB] Argumente. Nach einer abschließenden Podiumsdiskussion werden die wesentlichen Argumente als Ergebnis festgehalten.
3. Vergleich mit "Homo Faber"
Da die vorgegebenen Pflichtlektüren in Baden-Württemberg als Werke im Kontext zu behandeln sind, muss ihre Analyse im Unterricht besonderes Augenmerk auf gemeinsame Themenfelder und Motive legen.
Als Ausgangspunkt, um sich der modernen Lebenswelt in Peter Stamms „Agnes“ anzunähern, eignet sich der in den 50er Jahren spielende Roman „Homo faber“, der ebenfalls zu den Pflichtlektüren für das Abitur in Baden-Württemberg gehört. Die Schülerinnen und Schüler haben Max Frischs Roman gelesen und sollen einzelne Aspekte in ihre heutige Gegenwart übertragen. Dazu dient das Arbeitsblatt [doc] [36 KB]. Durch diese Vorarbeit werden die Schülerinnen und Schüler später deutlicher erkennen, dass ihre Vorstellungen von einer modernen Lebenswelt im Roman „Agnes“ in mancherlei Hinsicht nicht erfüllt werden. Sie werden diskutieren müssen, warum das so ist. Zur Vertiefung und genaueren Charakterisierung einzelner Protagonisten dient der Vergleich von Textstellen aus beiden Romanen: Den Schülerinnen und Schülern wird im Arbeitsblatt [doc] [53 KB] jeweils ein Zitat aus einem der Romane vorgegeben; anhand von ebenfalls angebotenen Parallelstellen zum Nachschlagen sollen sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten herausarbeiten und deren Funktion in Stamms Roman bestimmen.