Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Ma­te­ria­li­en

M1

Ein spa­ni­scher Clown in Deutsch­land

Zir­cus­Glo­rio­so ist ein gro­ßer deut­scher Zir­kus und der spa­ni­sche Clown Pippo ist sein un­um­strit­te­ner Star. Aber ge­gen­wär­tig ist Pippo alles an­de­re als hei­ter. Der Zir­kus­künst­ler steckt in einer rich­ti­gen Zwick­müh­le. Seine Mut­ter hat in den letz­ten Mo­na­ten immer wie­der aus Ma­drid bei ihm an­ge­ru­fen und am Te­le­fon ihr Leid ge­klagt. Dafür gibt es einen sehr trau­ri­gen Grund: Seit Pip­pos Bru­der Pepe im letz­ten Jahr bei einem Au­to­un­fall plötz­lich ums Leben ge­kom­men ist, ist zu­hau­se nichts mehr wie es war. Pip­pos Mut­ter kommt kaum über den Ver­lust hin­weg. Aber vor allem Pepes Witwe Ma­ri­sa und ihre bei­den Kin­der lei­den schwer. Die Fa­mi­lie droht aus­ein­an­der zu bre­chen. Pip­pos Mut­ter be­fürch­tet sogar, dass Ma­ri­sa in­zwi­schen ein Al­ko­hol­pro­blem hat, weiß es al­ler­dings nicht ganz genau. Den­noch hört Pippo bei jedem Te­le­fo­nat das­sel­be: "Pippo, komm nach Hause. Wir brau­chen dich hier. Wir schaf­fen es sonst nicht. Wir schaf­fen das wirk­lich nicht. Wir brau­chen dich hier. Du hast doch immer wie­der diese An­ge­bo­te von spa­ni­schen Zir­kus­sen. Du be­kommst also be­stimmt gleich wie­der Ar­beit." Da hat seine Mut­ter schon recht. Pippo ist wirk­lich ein be­gna­de­ter Clown, und mehr als ein­mal schon kam ein An­ge­bot aus Spa­ni­en. Al­ler­dings: Pippo ver­dient beim Zir­kus Glo­rio­so sehr gut; seine Frau Car­men und seine bei­den Söhne füh­len sich au­ßer­or­dent­lich wohl in Deutsch­land. Mehr noch: Der le­gen­dä­re Ruf des Zir­kus Glo­rio­so hängt zu einem guten Teil an den Spä­ßen Pip­pos. Er ist für alle die beste Wer­bung. Min­des­tens ein­mal in der Woche kommt der Spruch des Di­rek­tors: „Pippo, wenn wir dich nicht hät­ten!" Und es geht ja nicht nur ums Geld und um den Er­folg des Zir­kus. In jeder Vor­stel­lung be­zau­bert der Clown das große und das klei­ne Pu­bli­kum im voll­be­setz­ten Zir­kus­zelt. Das macht nicht zu­letzt Pippo selbst ein­fach glück­lich.

Soll Pippo und seine Fa­mi­lie nach Spa­ni­en um­zie­hen?

Ar­beits­auf­ga­ben

Auf­ga­be 1: (a) Dis­ku­tiert zu­nächst dar­über, ob Pippo nach Spa­ni­en um­zie­hen soll oder nicht und trefft dann eine Ent­schei­dung. Die Ent­schei­dung soll dabei nur „Ja“ oder „Nein“ hei­ßen. Be­grün­det Eure Ent­schei­dung schrift­lich. (b) Mög­li­cher­wei­se ist es an­schlie­ßend not­wen­dig, die Ent­schei­dung noch zu er­läu­tern oder zu dif­fe­ren­zie­ren. For­mu­liert (falls nötig) schrift­lich, eine sol­che Dif­fe­ren­zie­rung und be­grün­det sie.

Auf­ga­be 2: Ihr habt in eurer Ar­beits­grup­pe je­weils eine In­for­ma­ti­on zur ethi­schen Po­si­ti­on des Uti­li­ta­ris­mus be­ar­bei­tet. (a) Stellt nun dar, wie die Ent­schei­dung Pip­pos aus­ge­fal­len wäre, wenn er sich der uti­li­ta­ris­ti­schen Ethik nahe ge­fühlt hätte. Zu­nächst geht es wie­der­um le­dig­lich um eine Ent­schei­dung zwi­schen „Ja“ oder „Nein“ (b) Mög­li­cher­wei­se er­scheint es Euch auch jetzt in einem zwei­ten Schritt nötig, die Ent­schei­dung noch ein­mal zu dif­fe­ren­zie­ren. For­mu­liert und be­grün­det eine sol­che Dif­fe­ren­zie­rung schrift­lich.

 

M2

Je­re­my Bent­ham: Das Prin­zip der Nütz­lich­keit als Grund­la­ge der Ethik. Zu­sam­men­fas­sung eines Ar­gu­men­ta­ti­ons­gangs aus Je­re­my Bent­ham, Eine Ein­füh­rung in die Prin­zi­pi­en der Moral und der Ge­setz­ge­bung (1789)

  1. Bent­ham sieht den Men­schen unter die Herr­schaft zwei­er sou­ve­rä­ner Ge­bie­ter ge­stellt: das Leid und die Freu­de. Mo­ra­li­sche Maß­stä­be (Etwa die Frage: Was ist rich­tig und falsch?) sind eben­so un­be­dingt von die­sen bei­den Grö­ßen ab­hän­gig wie die Kette von Ur­sa­che und Wir­kung. Be­son­ders wich­tig aber ist: Men­schen sind in allem Han­deln, Den­ken und Spre­chen letzt­lich von den bei­den Grö­ßen "Leid" oder "Freu­de" be­herrscht. Es nützt nichts, diese fun­da­men­ta­le Ab­hän­gig­keit zu leug­nen. Sie be­steht.

    Das von Bent­ham als Grund­la­ge der utii­ta­ris­ti­schen Ethik ge­wähl­te Prin­zip der Nütz­lich­keit an­er­kennt diese ra­di­ka­le Ab­hän­gig­keit. Auf die­ser Basis kann nach Bent­hams An­sicht ein ethi­sches "Ge­bäu­de der Glück­se­lig­keit" durch Ver­nunft und Recht er­rich­tet wer­den.

  2. Das Prin­zip der Nütz­lich­keit for­mu­liert als Grund­sät­ze: Jede Hand­lung, die das Glück "der Grup­pe, deren In­ter­es­se in Frage steht" ver­mehrt, ist zu un­be­dingt zu bil­li­gen. Jede Hand­lung, die das Glück, "der Grup­pe, deren In­ter­es­se in Frage steht" ver­min­dert, ist zu miß­bil­li­gen. Dabei geht es nicht nur um die Hand­lung von Ein­zel­per­so­nen, son­dern auch Maß­nah­men einer Re­gie­rung.

  3. Nun de­fi­niert Bent­ham den Be­griff "Nütz­lich­keit". Die Nütz­lich­keit eines Ob­jekts (oder auch einer Hand­lung) bringt dem­nach Vor­teil, Ge­winn, Freu­de, Glück oder ein­fach Gutes. Nütz­lich­keit ist aber auch dann ge­ge­ben, wenn Un­heil, Leid oder Un­glück ver­mie­den wird. So­wohl das Glück von In­di­vi­du­en als auch das Glück einer Ge­mein­schaft von In­di­vi­du­en ist davon ab­hän­gig.

  4. Bent­ham kri­ti­siert, dass der all­ge­mei­ne Aus­druck "In­ter­es­se einer Ge­mein­schaft" beim Reden über Moral recht häu­fig ist. Da­durch aber geht nach Bent­ham ihr Sinn ver­lo­ren. Bent­ham ver­sucht nun, die­sen Sinn wie­der etwas ge­nau­er zu be­stim­men. Dazu de­fi­niert Bent­ham die Ge­mein­schaft als einen "fik­ti­ven Kör­per", der sich aus ein­zel­nen Per­so­nen zu­sam­men­setzt. Das In­ter­es­se einer Ge­mein­schaft be­stün­de dann aus der Summe der In­ter­es­sen der ver­schie­de­nen Glie­der die­ses "fik­ti­ven Kör­pers".

  5. Vom In­ter­es­se einer Ge­mein­schaft kann nur der­je­ni­ge spre­chen, der weiß, was das In­ter­es­se des In­di­vi­du­ums ist. Eine Sache oder ein Ge­sche­hen ist för­der­lich für das In­ter­es­se eines In­di­vi­du­ums, wenn die Summe sei­ner Freu­den ver­mehrt wird oder aber die Summe sei­ner Lei­den ver­min­dert wird.

  6. Eine Hand­lung ent­spricht dem­nach dem Prin­zip der Nütz­lich­keit, wenn sie ten­den­zi­ell stär­ker zur Ver­meh­rung des Glücks in einer Ge­mein­schaft als zu des­sen Ver­min­de­rung bei­trägt.

 

Text­grund­la­ge für diese Zu­sam­men­fas­sung: Je­re­my Bent­ham, Eine Ein­füh­rung in die Prin­zi­pi­en der Moral und der Ge­setz­ge­bung, zi­tiert nach: Ott­fried Höffe, Ein­füh­rung in die uti­li­ta­ris­ti­sche Ethik, A. Francke Ver­lag Tü­bin­gen und Basel 2008, S. 55-57

Ar­beits­auf­ga­ben

  1. De­fi­nie­re das Wort „Nütz­lich­keit“ (a) in der Per­spek­ti­ve ge­gen­wär­ti­gen all­täg­li­chen Sprach­ge­brauchs und (b) in der Per­spek­ti­ve J. Bent­hams. Er­läu­te­re die Un­ter­schie­de im Ge­brauch des Wor­tes.

  2. Be­schrei­be den Zu­sam­men­hang, den Bent­ham zwi­schen Nütz­lich­keit und Glück her­stellt.

  3. Zu­satz­auf­ga­be für den Ver­gleich mit der de­on­to­lo­gi­schen Ethik (Im­ma­nu­el Kant):Be­nen­ne mög­li­che Grün­de, die Im­ma­nu­el Kant gegen den Uti­li­ta­ris­mus vor­brin­gen könn­te.

 

Ma­te­ria­li­en: Her­un­ter­la­den [docx][22 KB]

 

Wei­ter zu Un­ter­richts­vor­schlag