Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Ethisches Argumentieren als Herausforderung

Erfahrungsgemäß fällt es vielen SuS schwer, eine Behauptung klar durch Argumente zu untermauern – und ebenso, sich auf Argumentationen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler konstruktiv einzulassen. Allerdings lässt sich für den Schulunterricht nicht auf eine praktikable allgemeingültige Argumentationstheorie zurückgreifen, die es den SuS ermöglicht, prägnant und schlüssig ihre Argumente zu formulieren.1

Ein sehr elementarisiertes Argumentationsschema, auf dem auch später in Klasse 9/10 das Unterrichtsfach Deutsch aufbaut, besteht in der folgenden Struktur:

These (Behauptung): Der Religionsunterricht ist wichtig für die Schule,

Argument (Begründung): weil man im Religionsunterricht einen anderen Blickwinkel auf die Dinge hat als in vielen sonstigen Fächern,

  • Stütze 1: … denn der Mensch wird hier nicht nur als biologisches Lebewesen, sondern in seiner Beziehung zu Gott gesehen,
  • Stütze 2: … so werden z.B. im Religionsunterricht auch bestehende Verhaltensweisen zum Doppelgebot der Liebe in Beziehung gesetzt.

Es wird also eine These von verschiedenen Argumenten untermauert, die selbst wiederum von Aussagen gestützt werden. Als auch für jüngere SuS gut verstehbares und einprägsames Bild verdeutlichen wir dies an der Metapher einer „Brücke“ (siehe B 3.2).

Zentrale Aufgabe in einer Argumentation ist es also, die Argumente glaubhaft zu stützen. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen:

  • Durch einen Hinweis auf einen kausalen Schluss,
  • durch ein Gedankenexperiment,
  • durch einen Hinweis auf mögliche Folgen
  • durch eine Rückführung auf Absurdes/ Unpassendes
  • durch einen Vergleich mit etwas Ähnlichem (Analogieschluss)
  • durch einen Verweis auf Normen und Werte, Mittel und Zwecke, Rechte, Regeln/ Gebote, Fehlschlüsse, …
  • durch Belege, wie z.B. Zitate oder Bibelstellen.

Kriterien für die Beurteilung von Argumenten

  • Wie tragfähig ist das Argument?
    Ist z. B. der Wahrheitsanspruch haltbar, oder handelt es sich um Allaussagen (alle, jeder, …)?
    Finden sich Fehlschlüsse, z. B. falsche logische Implikationen, Äquivokationen oder Autoritätsargumente? Diese machen evtl. eine Argumentation glaubwürdiger, geben jedoch keinen Hinweis auf Richtigkeit.
  • Wie präzise ist das Argument?
    Sind Begriffe klar definiert? Muss man einen Begriff hinsichtlich Bedeutung und Intention differenzieren (z. B. Freiheit – aus neurologischer, juristischer, philosophischer und theologischer Sicht)?

Bewertungskriterien für ethisches Urteilen

Ein ethisches Urteil erfolgt als Gesamtreflexion auf ein bestimmtes ethisches Problem. Bei einem ethischen Urteil werden verschiedene Argumente aufeinander bezogen, unter Umständen verschiedene Denkrichtungen klassifiziert, dabei sowohl die Stärke der Argumente wie auch das Verhältnis der Argumente zueinander bewertet, und es mündet am Ende in ein begründetes Urteil. Dabei erweitert das ethische Urteilen im RU eine rein philosophisch-ethische Ausrichtung des Argumentierens, indem stärker als dort das ethische Problem auch zu Überzeugungen des Glaubens, biblischen Inhalten bzw. theologischen Positionen in Beziehung gesetzt wird. Dabei hängt es beim ethischen Urteilen immer davon ab, von welchem Ausgangspunkt argumentiert wird, denn ein ethisches Urteil ist auch immer abhängig von dem jeweiligen Blick auf die Welt.

Somit stehen folgende Bewertungskriterien für ein ethisches Urteil im Vordergrund:

  • Aufbau und Stringenz der Darstellung
  • Stimmigkeit der Darstellung
  • Klarheit der Argumentation/ Gedankenführung
  • Reflexionsniveau:
    • Quantität der Argumente
    • Stärke der Argumente
    • stimmige Anwendung von Modellen ethischer Urteilsbildung
  • Qualität der begründeten Positionierung/ der Begründung des eigenen Urteils

 

1 Moderne Lehrwerke verweisen hier auf den auf Aristoteles zurückgehenden Syllogismus als Argumentationsform (vgl. hierzu Pfister, J.: Werkzeuge, S. 20f,93-110, 120-143). Jedoch ist dieses folgerichtige Schließen für SuS – ebenso wie auch für viele Studentinnen und Studenten – aufgrund der Komplexität praktisch kaum durchführbar. Häufig wird in Unterrichtswerken daher auch auf das sogenannte Toulmin-Schema zurückgegriffen, bei dem die Stützen zusätzlich gefestigt werden. Vgl. Pfeifer, V.: Ethisch argumentieren, S.20ff.

 

Ethische Urteilsbildung I: Vorbemerkungen: Herunterladen [docx][46 KB]

 

Weiter zu Literatur