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Material 3

Christliche Ethik – sich berühren lassen

D. Bonhoeffer: Brief vom 16.7.1944 an Eberhard Bethge (Auszug):

Und wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben müssen - „etsi deus non daretur“ [als ob es Gott nicht gäbe]. Und eben dies verkennen wir – vor Gott! Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis. So führt uns unser Mündigwerden zu einer wahrhaftigeren Erkenntnis unserer Lage vor Gott. Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt (Markus 15,34)! Der Gott, der uns in der Welt leben lässt ohne die Arbeitshypothese Gott, ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen. Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns. Es ist Matthäus 8,17 ganz deutlich, dass Christus nicht hilft kraft seiner Allmacht, sondern kraft seiner Schwachheit, seines Leidens! Hier liegt der entscheidende Unterschied zu allen Religionen. Die Religiosität des Menschen weist ihn in seiner Not an die Macht Gottes in der Welt, Gott ist der deus ex machina [Gott aus der Maschine]. Die Bibel weist den Menschen an die Ohnmacht und das Leiden Gottes; nur der leidende Gott kann helfen. Insofern kann man sagen, dass die beschriebene Entwicklung zur Mündigkeit der Welt, durch die mit einer falschen Gottesvorstellung aufgeräumt wird, den Blick frei macht für den Gott der Bibel, der durch seine Ohnmacht in der Welt Macht und Raum gewinnt. Hier wird wohl die „weltliche Interpretation“ einzusetzen haben.

Aus: Gremmels, Christian, Bethge, Eberhard und Bethge, Renate in Zusammenarbeit mit Ilse Tödt (Hgg.): Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, München 1998, S. 526-538, hier S. 533-535 (Brief vom 16.7.).

Arbeitsauftrag

Setzt Euch in der Gruppe mit dem Text auseinander und formuliert ausgehend vom Text Thesen (über Gott, Jesus, die Jünger/NachfolgerInnen und die Bibel/ das Wort, das Leben, Leid, Liebe), die aussagen, wie die wichtigsten Grundverhältnisse in der Welt nach Bonhoeffer eigentlich liegen.

Zum Beispiel: „Gott ist ohnmächtig in der Welt“.

Notiert Eure Stichpunkte in der Tabelle M9 zu Eurem Text und teilt den anderen Gruppen Eure Ergebnisse mit; sendet dazu Vertreter Eurer Gruppe in die anderen Gruppen.

Notiert Ihr die Ergebnisse, die Euch die Vertreter der anderen Gruppen erläutern.

 

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