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Recht und Gerechtigkeit in Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“


von StD Hans Robert Spielmann

„Überhaupt ist die Freiheit das eigentliche Problem des Stückes, und nicht die Gerechtigkeit wie in der >Alten Dame<.“ (Friedrich Dürrenmatt über seine Oper Frank V. (Bienek, Werkstattgespräche, S. 128)

 

Dürrenmatt:  Monstervortrag über Gerechtigkeit und Recht“
(Werkausgabe XXVII, 57)

„Das Recht des einzelnen besteht darin, er selbst zu sein: dieses Recht nennen wir Freiheit . Sie ist der besondere Begriff der Gerechtigkeit , den ein jeder von sich macht, die existenzielle Idee der Gerechtigkeit . Das Recht der Gesellschaft besteht dagegen darin, die Freiheit eines jeden einzelnen zu garantieren, was sie nur vermag, wenn sie die Freiheit eines jeden einzelnen beschränkt. Dieses Recht nennen wir Gerechtigkeit , sie ist der allgemeine Begriff der Gerechtigkeit , eine logische Idee .“

 

Naturrecht

 

„Die Gerechtigkeit muß natürlich in einem Gemeinwesen den Primat vor der Freiheit haben; das Gesetz der großen Zahl führt in allen Bereichen den Primat der Freiheit ad absurdum.“ (Dominik Jost, Vom Gelde: „Der Besuch der alten Dame)

 

Wenn das Zusammenleben funktionieren soll, dann muss das Primat der allgemeinen Gerechtigkeit herrschen!

 

Allgemeine oder formale Gerechtigkeit

  • geleitet vom Prinzip der allgemeinen Fairness (Rawls) oder
  • von der Idee des Nutzens für die Mehrheit der Beteiligten (Utilitarismus)

-> allgemeine Morallehren , die mittels Moralkonsens eine Balance zwischen Allgemeinwohl und individuellem Wohl anstreben mit allgemeinverbindlichem Charakter

 

Besondere oder moralische Gerechtigkeit

  • geleitet von der Meinung von Gut und Böse

-> ideologisch geleitetes moralisches Urteil der (käuflichen) Normalverbraucher

 

Claire Zachanassian handelt also „in Freiheit “, realisiert „den besonderen Begriff der Gerechtigkeit“ als „logische Idee“. Ihre Milliarde zerstört die Freiheit Alfred Ills und den „allgemeinen Begriff der Gerechtigkeit“ als „logische Idee“ (nach D. Jost).
  • ideologisch geleitetes Gerechtigkeitsbild wird Basis der allgemeinen Moral

 

„Ich muß versuchen, durchs Leben zu kommen, möglichst ohne viele Menschen zu zerstören. Das ist ein sehr einfacher Gedanke. Aber Sie kommen um die Ethik, um die Moral nicht herum. Nun ist die Welt, in der wir leben, unmoralisch, sie ist nicht richtig, und die Frage stellt sich nun immer, wie können wir in einer nichtrichtigen Welt richtig leben. Darum ist unser Leben immer, auch wenn wir uns noch so sehr bemühen, in gewisser Weise unrichtig. Das ist die menschliche Problematik, und das ist eine Problematik, die jeder, ob nun Christ oder Kommunist oder was er auch sei, kapieren muß.“ (Gespräch mit Dürrenmatt, in: Der Schriftsteller unserer Zeit, hg. von Peter André und Edwin Hubacher, Bern 1972, S. 41)

 

„Nun sind wir in Güllen“:
  • materielle Mangelsituation führt zum Primat subjektiven Gewinnstrebens, wenn die entsprechende Gier geweckt wird
  • Störung des Konsens‘ durch Gewinnstreben (Ökonomie) ->
  • Überbetonung des Profits
  • Vernachlässigung des Allgemeininteresses
  • Korrumpierung der Moral
  • Ursache: Vernachlässigung der Gestaltung von Gemeinschaftsbeziehungen
  • Aktualisierungsmöglichkeiten

 

Claires Rachedenken – ein Produkt der künstlerischen Freiheit

 

Basis: Claire personifiziert materiellen Überfluss („…mit meiner Finanzkraft leistet man sich eine Weltordnung.“ S. 91):
  • mythologische Dimension
  • alttestamentarische Wucht
  • romantisierende Versatzstücke
  • Leitmotiv schwarzer Panther
  • antiker Schlusschor

 

Recht und Gerechtigkeit in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“:
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