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Se­quenz 4


von StD Hans Ro­bert Spiel­mann

Ak­tua­li­sie­ren­der Trans­fer: Die Fol­gen eines kor­rum­pier­ten Mo­ral­kon­sens`

  • Die Masse

Die Masse folgt den Me­cha­nis­men der neuen „sitt­li­chen Ord­nung“ auf der Basis des Mas­sen­wohl­stands. Die Ge­mein­schaft (ein­schließ­lich Ills Fa­mi­lie) schweigt nicht mehr bloß, son­dern ver­hält sich be­wusst und aktiv im Sinne der neuen Ord­nung. Die Ei­gen­dy­na­mik der Per­ver­si­on (123 ff.) führt zwangs­läu­fig zum To­des­ur­teil über den, der den Wohl­stand be­hin­dert. Ill muss ster­ben „der Ge­rech­tig­keit wegen – und aus Ge­wis­sens­not.“ (123) Wo die Ver­läss­lich­keit von Recht und Mo­ral­kon­sens zer­stört ist, setzt sich Be­lie­big­keit durch, auf jeden Fall wird die Gier des Ein­zel­nen zum Maß­stab öf­fent­li­cher Moral, wäh­rend die Frei­heit des Ein­zel­nen ge­op­fert wird.  Die Schuld­fra­ge ist nicht zu klä­ren, wenn die Masse die Kor­rum­pie­rung der ge­mein­schaft­li­chen Werte trägt. Die Welt wird be­lie­big, die Rea­li­tät re­la­tiv.

  • Die Pres­se

Die Pres­se stellt nicht mehr nur dar, sie „in­sze­niert“ das neue Ge­mein­schafts­er­leb­nis. Die wie­der­hol­te Auf­zeich­nung des letz­ten Zu­sam­men­bruchs von Ill (125), der drit­ten Sta­ti­on sei­ner Pas­si­on, zeigt die ak­ti­ve Rolle: Das Leben wird von der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung ge­stal­tet, nicht um­ge­kehrt. Der to­ta­len Ma­ni­pu­la­ti­on des Le­bens, der Wirk­lich­keit steht nichts mehr im Wege. Der Hö­he­punkt die­ser In­sze­nie­rung im Zu­sam­men­wir­ken mit dem neuen Kon­sens aller Be­tei­lig­ten ist die Über­nah­me der Dar­stel­lung von Ills Tod als „Tod, aus Freu­de“ (130) in den Me­di­en. Ein­schalt­quo­ten und Wer­be­ein­nah­men wer­den ver­mut­lich stark an­stei­gen.

  • Die In­di­vi­du­en

Ill kann nur noch auf den pro­phe­ti­schen Ver­weis des Pfar­rers auf Amos ge­las­sen re­agie­ren: Das Jüngs­te Ge­richt wird die un­beug­sa­me Ge­rech­tig­keit Got­tes wie­der­her­stel­len; die An­kla­ge wird auf die An­klä­ger zu­rück­fal­len. Dort wird Ill keine „Furcht“ haben müs­sen, wäh­rend für die ir­di­sche Ge­mein­schaft der Gül­le­ner der Zy­klus von Rache, Ver­führ­bar­keit und Kor­rup­ti­on nie­mals mehr durch­bro­chen wer­den kann (128). Die Klä­rung der in­di­vi­du­el­le Schuld­fra­ge wird ins Jen­seits ver­scho­ben, da die ir­di­schen Ko­or­di­na­ten, die dafür nötig wären, nicht mehr vor­han­den sind.
Clai­re zieht sich aus dem Aus­gang des Ver­fah­rens völ­lig zu­rück, über­gibt mit zwei Wor­ten ihren Scheck und über­lässt das mo­ra­li­sche Ur­teil dem Zu­schau­er gemäß Dür­ren­matt­scher Theo­rie.

  • Was bleibt von den sitt­lich-mo­ra­li­schen Fun­da­men­ten der Ge­mein­schaft?

Das Schluss­bild zeigt die Apo­theo­se des Wohl­stands, des­sen un­ver­meid­li­cher Un­ter­gang durch den grie­chi­schen Tra­gö­di­en­chor par­odis­tisch an­ge­deu­tet wird (132 ff.): Die neue mensch­li­che Ge­mein­schaft auf der Basis ma­te­ri­el­ler Si­cher­heit al­lein ist durch Kor­rup­ti­on er­kauft! Der Un­ter­gang ist auf­ge­hal­ten, je­doch nicht zu ver­mei­den. Was bleibt, ist sich zu dis­tan­zie­ren (oder auch nicht)!

  • Die Ko­mö­die als Raum schaf­fen­des Welt­thea­ter

Die Kunst schafft Per­spek­ti­ven zur An­sicht der Welt durch Gleich­nis­se. Er­klä­ren kann sie sie nicht, wohl kann sie hel­fen sich au­gen­blick­lich zu ori­en­tie­ren, viel­leicht auch zu po­si­tio­nie­ren. Die Ei­gen­dy­na­mik des Ge­sche­hens lässt keine in­di­vi­du­el­len Schuld­zu­wei­sun­gen zu.

 

Bitte klä­ren Sie fol­gen­de Fra­gen und er­ar­bei­ten Sie Ver­gleichs­mo­men­te zur Dür­ren­matt­schen Ko­mö­di­en­theo­rie, die im Un­ter­richt um­ge­setzt wer­den könn­ten:

  1. Wel­che Fol­gen für das In­di­vi­du­um hat die Auf­kün­di­gung eines ge­sell­schaft­li­chen Kon­sens` zu Guns­ten ma­te­ri­el­len Vor­teils­den­kens? Wie ist grund­sätz­lich das Ver­hält­nis von Moral und Öko­no­mie zu be­ur­tei­len?
  1. Wel­che Fol­gen hat die Un­ter­wer­fung der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung unter das Pro­fit­prin­zip?
  1. Fal­len Ihnen zu bei­den As­pek­ten Ak­tua­li­sie­rungs­bei­spie­le ein? Fi­nanz­kri­se, Pri­vat­fern­se­hen, Jour­nail­le, In­ter­net? Mög­li­cher­wei­se als krea­ti­ve Auf­ga­be denk­bar: Por­trät einer mo­der­nen Clai­re; Re­por­ta­ge über einen Gül­le­ner Un­ter­neh­mer, der mit Clai­res „Start­ka­pi­tal“ als Glo­bal Play­er mit­mi­schen will.
  1. Ver­su­chen Sie Ver­bin­dungs­mo­men­te her­zu­stel­len zu Dür­ren­matts Auf­fas­sung, seine dra­ma­ti­schen Ver­su­che seien „Welt­thea­ter bzw. die Mög­lich­keit, Raum zu schaf­fen“, weil „wir in einer Welt der Hy­po­the­sen leben.“
  1. Spe­ku­lie­ren Sie über das „Zu­kunfts­mo­dell Gül­len“ an­ge­sichts der ak­tu­el­len glo­ba­len Wirt­schafts­kri­se .