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Vorrangregeln

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Vorrangregeln bei Wertkonflikten (Güterabwägung)
[1]

Eine erste Abwägung und Gewichtung kann mit gesundem Menschenverstand bzw. intuitiv erfolgen. Dabei können Maßstäbe und Gründe eine Rolle spielen, die eine gewisse bereichsspezifische Plausibilität haben und auf unterschiedlicher (Allgemeinheits-)Ebene angesiedelt sein können, aber (noch) nicht unbedingt auf letzte Normen und Prinzipien Bezug nehmen.

Umgekehrt gilt für die allgemeinen normativen Ethikansätze, dass sie nicht entworfen sind im Hinblick auf die Lösung konkreter Einzelfälle, weswegen eine einfache Anwendung (Applikation) eines allgemein normativ ethischen Ansatzes im konkreten Konfliktfall oder die einfache Unterordnung (mechanische Subsumtion) eines Konfliktfalls unter einen allgemein normativ ethischen Ansatz kaum befriedigen wird. Abgesehen davon besteht auch kein Konsens darüber, welches die letzten bzw. obersten Prinzipien bzw. Normen sein sollen bzw. ob es überhaupt dergleichen gibt.

Allerdings werfen auch Vorrangregeln Probleme auf und es muss gefragt werden, „auf welchen rational konstruierbaren Prinzipien solche Regeln beruhen“ (C. Horn); wenn es also um die tiefere Begründung von Vorrangregeln geht, stößt man auf die allgemein normativen Ethiken, die Moralphilosophen. Diese Vorrangregeln implizieren nicht immer eine eindeutige Festlegung auf eine bestimmte Moralphilosophie bzw. normative Ethik. Eine solche Festlegung hängt von der Art des Zwecks bzw. des Gutes/Übels ab. Bei Grenzziehungsproblemen sind auch prinzipienethisch „gemischte“ Begründungen bei Abwägungen möglich (vgl. analog die „medizin. Prinzipienethik“ von Beachamp/Childress).

Entwicklungspsychologisch betrachtet scheint es näher zu liegen, beim Prozess der Erzeugung eines Überlegungsgleichgewichts auch bei Abwägungsproblemen zunächst das intuitive Einzelurteil zuzulassen und einzuholen, bevor allgemeingültige Prinzipien herangezogen werden. Die moralischen Urteilsfähigkeit bildet sich letztlich im bewusste wechselseitigen Abgleich von Intuitionen und Prinzipien. Die Stärke der reflektierenden – und nicht nur „bestimmenden“ - Urteilskraft bemisst sich dabei daran, dass

  1. sowohl der Weg von den Intuitionen zu den Prinzipien als auch umgekehrt gesucht wird;
  2. statt einer pauschalen Anwendung eines allgemein normativ ethischen Begründungsansatzes eine Überlegung stattfindet, genau welcher Punkt einer Moralphilosophie im Problemfall einschlägig ist („reflektierende Urteilskraft“).

VORRANGREGELN in Testfragenform könnten z.B. sein:

Heiligt in diesem Fall der Zweck das Mittel?

Ist das Mittel für den gewünschten Zweck geeignet?
Ist es das „mildeste“ Mittel?
= Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (juristisch: „Übermaßverbot“)

⇒  Wird das geringste mögliche Übel gewählt? ( ceteris paribus unter sonst gleichen Umständen)

... bei der Wahl zwischen zwei Übeln, ist das geringere dem größeren vorzuziehen

  • das kurzfristige dem langwierigeren,
  • das einmalige dem wiederkehrenden,
  • das weniger folgenreiche dem konsequenzenreicheren,
  • das weniger Personen betreffende demjenigen, das viele Personen schädigt,
  • das reversible dem irreversiblen,
  • das mit geringerer Wahrscheinlichkeit eintretende dem wahrscheinlicheren, ~Schadenprophylaxe vor Schadenreparatur,
  • lebensrettende Maßnahmen vor Klugheits- /wirtschaftl. Gesichtspunkten, Allgemein- vor Gruppen oder Individualinteresse

⇒  Stehen moralische Werte vor eudaimonistischen und diese vor instrumentellen (Nutzen-)Werten?

⇒        ……….

ein weiterer Vorschlag für eine Liste von VORRANGREGELN in
KOLLEG ETHIK S. 273 (= C. Hubig in Anlehnung an H. Lenk)



[1] Am hilfreichsten sind der Lexikonartikel „ Güterabwägung “ von Christoph Horn im Handbuch Ethik (hrsg. M. Düwell et al., Stuttgart, Metzler, S. 385 ff und die „ Kategorien der Technikbewertung “ von Konrad Ott im Handbuch Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung (hrsg.v. J. Nida-Rümelin), Stuttgart, Kröner, 2005 2, S. 596 und ebd. die „Vorrangregeln“ nach H. Lenk/M. Maring S. 618

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