Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Textsammlung: Aesop – Fabeln <br />[Material 8]

Fabel 1: Der Löwe und das Mäuschen

Ein Mäuschen lief über einen schlafenden Löwen. Der Löwe erwachte und ergriff es mit seinen gewaltigen Tatzen. „Verzeihe mir“, flehte das Mäuschen, „meine Unvorsichtigkeit, und schenke mir mein Leben, ich will dir ewig dafür dankbar sein. Ich habe dich nicht stören wollen.“ Großmütig schenkte er ihr die Freiheit und sagte lächelnd zu sich, wie will wohl ein Mäuschen einem Löwen dankbar sein. Kurze Zeit darauf hörte das Mäuschen in seinem Loche das fürchterliche Gebrüll eines Löwen, lief neugierig dahin, von wo der Schall kam, und fand ihren Wohltäter in einem Netze gefangen. Sogleich eilte sie herzu und zernagte einige Knoten des Netzes, so daß der Löwe mit seinen Tatzen das übrige zerreißen konnte. So vergalt das Mäuschen die ihm erwiesene Großmut.

Fabel 2: Der Adler und die Dohle

Ein Adler stürzte sich hoch aus der Luft auf ein Lamm, faßte es mit seinen Krallen und trug es mit Leichtigkeit davon. Eine Dohle hatte dies mit angesehen, und da sie sich ebenso stark glaubte wie der Adler, flog sie auf einen Widder zu. Aber vergeblich bemühte sie sich, ihn fortzubringen, sie verwickelte sich in die Wolle und konnte nun auch nicht wieder davonfliegen. Als der Hirte sie zappeln sah, haschte er sie, beschnitt ihr die Flügel und nahm sie seinen Kindern zum Spielzeug mit. „Ei! Ei!“ riefen hocherfreut die Knaben, „wie nennt man diesen Vogel?“ „Vor einer Stunde noch“, antwortete der Vater, „hielt er sich für einen Adler, mußte aber bald einsehen, daß er nur eine elende Dohle ist.“

Fabel 3: Zwei Frösche

In einem außerordentlich heißen Sommer war ein tiefer Sumpf ausgetrocknet und die Frösche, die bisherigen Bewohner desselben, mußten sich nach einem andern Wohnort umsehen. Zwei derselben kamen auf ihrer Wanderschaft zu einem tiefen Brunnen, worin es noch Wasser gab. „Ei! Sieh da!“ rief der eine. „Warum wollen wir weitergehen? Laß uns hier hinunterhüpfen!“ „Halt!“ antwortete der andere, „das Hinunterkommen ist zwar ganz leicht, aber wenn auch der Brunnen eintrocknet, wie willst du dann wieder herauskommen?“

Fabel 4: Der Wolf und der Kranich

Ein Wolf hatte ein Schaf erbeutet und verschlang es so gierig, daß ihm ein Knochen im Rachen steckenblieb. In seiner Not setzte er demjenigen eine große Belohnung aus, der ihn von dieser Beschwerde befreien würde. Der Kranich kam als Helfer herbei; glücklich gelang ihm die Kur, und er forderte nun die wohlverdiente Belohnung. „Wie?“ höhnte der Wolf, „du Unverschämter! Ist es dir nicht Belohnung genug, daß du deinen Kopf aus dem Rachen eines Wolfes wieder herausbrachtest? Gehe heim, und verdanke es meiner Milde, daß du noch lebest!“

Fabel 5: Der Hirsch und der Löwe

Ein Hirsch, von einem Jäger bemerkt, flüchtete, geriet aber dabei in eine Höhle, in der zu seinem Unglück ein Löwe hauste. Diesem kam er gerade recht. Ohne weitere Umstände erwürgte er den Hirsch. „Oh!“ rief dieser sterbend aus, „wie unglücklich sind wir, während wir dem einen Feind zu entrinnen suchen, laufen wir dem andern in die Arme.“

  Weiter: Lösung zur Textsammlung [Material 9]


  Textsammlung: Aesop – Fabeln [Material 8] herunterladen [doc][32 KB][1 Seite]
  Textsammlung: Aesop – Fabeln [Material 8] herunterladen [pdf][282 KB][1 Seite]