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Ma­te­ri­al_ M6a: Ar­beits­blatt und Ar­beits­auf­trag

Va­rie­tä­ten im Deut­schen - Ein Mär­chen um­schrei­ben

Jacob und Wil­helm Grimm: Rot­käpp­chen

Es war ein­mal eine klei­ne süße Dirne, die hatte je­der­mann lieb, der sie nur ansah, am al­ler­liebs­ten aber ihre Groß­mut­ter, die wuss­te gar nicht, was sie alles dem Kin­de geben soll­te. Ein­mal schenk­te sie ihm ein Käpp­chen von rotem Sam­met, und weil ihm das so wohl stand und es nichts an­ders mehr tra­gen woll­te, hieß es nur das Rot­käpp­chen. Eines Tages sprach seine Mut­ter zu ihm: »Komm, Rot­käpp­chen, da hast du ein Stück Ku­chen und eine Fla­sche Wein, bring' das der Groß­mut­ter hin­aus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und wenn du hin­aus­kommst, so geh hübsch sitt­sam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zer­brichst das Glas, und die Groß­mut­ter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so ver­giss nicht, guten Mor­gen zu sa­gen, und guck nicht erst in alle Ecken herum.«

»Ich will schon alles gut ma­chen«, sagte Rot­käpp­chen zur Mut­ter und gab ihr die Hand dar­auf. Die Groß­mut­ter aber wohn­te drau­ßen im Wald, eine halbe Stun­de vom Dorf. Wie nun Rot­käpp­chen in den Wald kam, be­geg­ne­te ihm der Wolf. Rot­käpp­chen aber wuss­te nicht, was das für ein böses Tier war, und fürch­te­te sich nicht vor ihm. »Guten Tag, Rot­käpp­chen«, sprach er. »Schö­nen Dank, Wolf.« »Wo hin­aus so früh, Rot­käpp­chen?« »Zur Groß­mut­ter.« »Was trägst du unter der Schür­ze?« »Ku­chen und Wein: ges­tern haben wir ge­ba­cken, da soll sich die kran­ke und schwa­che Groß­mut­ter etwas zu­gut tun und sich damit stär­ken.« »Rot­käppchen, wo wohnt deine Groß­mut­ter?« »Noch eine gute Vier­tel­stun­de wei­ter im Wald, unter den drei gro­ßen Eich­bäu­men, da steht ihr Haus, unten sind die Nuss­he­cken, das wirst du ja wis­sen«, sagte Rot­käpp­chen. Der Wolf dach­te bei sich: »Das junge zarte Ding, das ist ein fet­ter Bis­sen, der wird noch bes­ser schme­cken als die Alte: du musst es lis­tig an­fan­gen, damit du beide er­schnappst.« Da ging er ein Weil­chen neben Rot­käpp­chen her, dann sprach er: »Rot­käpp­­chen, sieh ein­mal die schö­nen Blu­men, die rings­um­her ste­hen, warum guckst du dich nicht um? Ich glau­be, du hörst gar nicht, wie die Vög­lein so lieb­lich sin­gen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schu­le gingst, und ist so lus­tig hau­sen in dem Wald.«

Rot­käpp­chen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Son­nen­strah­len durch die Bäu­me hin und her tanz­ten und alles voll schö­ner Blu­men stand, dach­te es: »Wenn ich der Groß­mut­ter einen fri­schen Strauß mit­brin­ge, der wird ihr auch Freu­de ma­chen; es ist so früh am Tag, dass ich doch zu rech­ter Zeit an­kom­me«, lief vom Wege ab in den Wald hin­ein und such­te Blu­men. Und wenn es eine ge­bro­chen hatte, mein­te es, wei­ter hi­naus stän­de eine schö­ne­re, und lief dar­nach, und ge­riet immer tie­fer in den Wald hi­nein. Der Wolf aber ging ge­ra­des­wegs nach dem Haus der Groß­mut­ter und klopf­te an die Türe. »Wer ist drau­ßen?« »Rot­käpp­chen, das bringt Ku­chen und Wein, mach auf.« »Drück nur auf die Klin­ke«, rief die Groß­mut­ter, »ich bin zu schwach und kann nicht auf­ste­hen. « Der Wolf drück­te auf die Klin­ke, die Türe sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu spre­chen, ge­ra­de zum Bett der Groß­mut­ter und ver­schluck­te sie. Dann tat er ihre Klei­der an, setz­te ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vor­hän­ge vor.

Rot­käpp­chen aber war nach den Blu­men her­um­ge­lau­fen, und als es so viel zu­sam­men hatte, dass es keine mehr tra­gen konn­te, fiel ihm die Groß­mut­ter wie­der ein, und es mach­te sich auf den Weg zu ihr. Es wun­der­te sich, dass die Türe auf­stand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so selt­sam darin vor, dass es dach­te: »Ei, du mein Gott, wie ängst­lich wird mir's heute zumut, und bin sonst so gerne bei der Groß­mut­ter!« Es rief »Guten Mor­gen«, bekam aber keine Ant­wort. Dar­auf ging es zum Bett und zog die Vor­hän­ge zu­rück: da lag die Groß­mutter und hatte die Haube tief ins Ge­sicht ge­setzt und sah so wun­der­lich aus. »Ei, Groß­mut­ter, was hast du für große Ohren!« »Dass ich dich bes­ser hören kann.« »Ei, Groß­mut­ter, was hast du für große Augen!« »Dass ich dich bes­ser sehen kann.« »Ei, Groß­mut­ter, was hast du für große Hände« »Dass ich dich bes­ser pa­cken kann.« »Aber, Groß­mut­ter, was hast du für ein ent­setz­lich gro­ßes Maul!« »Dass ich dich bes­ser fres­sen kann.« Kaum hatte der Wolf das ge­sagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und ver­schlang das arme Rot­käpp­chen.

Wie der Wolf sein Ge­lüs­ten ge­stillt hatte, legte er sich wie­der ins Bett, schlief ein und fing an, über­laut zu schnar­chen. Der Jäger ging eben an dem Haus vor­bei und dach­te: »Wie die alte Frau schnarcht, du musst doch sehen, ob ihr etwas fehlt.« Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so sah er, dass der Wolf darin lag. »Finde ich dich hier, du alter Sün­der«, sagte er, »ich habe dich lange ge­sucht. « Nun woll­te er seine Büch­se an­le­gen, da fiel ihm ein, der Wolf könn­te die Groß­mut­ter ge­fres­sen haben und sie wäre noch zu ret­ten: schoss nicht, son­dern nahm eine Sche­re und fing an, dem schla­fen­den Wolf den Bauch auf­zuschneiden. Wie er ein paar Schnit­te getan hatte, da sah er das rote Käpp­chen leuch­ten, und noch ein paar Schnit­te, da sprang das Mäd­chen her­aus und rief: »Ach, wie war ich er­schro­cken, wie war's so dun­kel in dem Wolf sei­nem Leib!« Und dann kam die alte Groß­mut­ter auch noch le­ben­dig her­aus und konn­te kaum atmen. Rot­käpp­chen aber holte ge­schwind große Stei­ne, damit füll­ten sie dem Wolf den Leib, und wie er auf­wach­te, woll­te er fortsprin­gen, aber die Stei­ne waren so schwer, dass er gleich nie­der­sank und sich tot­fiel.

Da waren alle drei ver­gnügt; der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und ging damit heim, die Groß­mut­ter aß den Ku­chen und trank den Wein, den Rot­käpp­chen ge­bracht hatte, und er­hol­te sich wie­der, Rot­käpp­chen aber dach­te: »Du willst dein Leb­tag nicht wie­der al­lein vom Wege ab in den Wald lau­fen, wenn dir's die Mut­ter ver­bo­ten hat.«

Ar­beits­auf­trag:

  • Schrei­be das Mär­chen in deine in­di­vi­du­el­le Spra­che um.

  • Stell dir dazu vor, du wür­dest die­ses Mär­chen einem guten Freund er­zäh­len.

  • Achte dar­auf, dass du bei dei­ner Sprech­wei­se bleibst und nicht über­treibst.

  Wei­ter: Alle Da­tei­en her­un­ter­la­den


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