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Um­set­zungs­bei­spiel So­kra­tes

Bildungsplan 2016. Die Schülerinnen und Schüler können ...
... die Bedeutung vernünftiger Argumente zur Überprüfung von Behauptungen beschreiben und Merkmale einer vernunftgeleiteten Argumentation darstellen (zum Beispiel Sokrates)
BP 2016 3.2.6.2

Vor­be­mer­kung:

  • So­kra­tes er­scheint im baden-würt­tem­ber­gi­schen Bil­dungs­plan 2016 pro­blem­ori­en­tiert, als ex­em­pla­risch für ver­nunft­ge­lei­te­tes Ar­gu­men­tie­ren und
  • in einem sys­te­ma­tisch ge­dach­ten Kon­text von mög­li­chen ‚Be­grün­dun­gen von Moral’, näm­lich durch Ver­nunft (So­kra­tes), Ver­trag (Hob­bes), Ge­fühl (Hume/Scho­pen­hau­er) oder Nut­zen (Bent­ham);
  • damit kann eine zeit­li­che und um­fangs­mä­ßi­ge Kom­pri­mie­rung der So­kra­tes-Un­ter­richts-Se­quenz vor­ge­nom­men wer­den;
  • al­ler­dings soll­te da­durch nicht die Leben-Lehre-Ein­heit der ‚Figur So­kra­tes’, weg­fal­len, der in­halt­li­che Rah­men der Selbst­sor­ge, in deren Dienst das ver­nunft­ge­lei­te­te Ar­gu­men­tie­ren steht.
Bildungsplan 2004. Vergleiche:
Die Schülerinnen und Schüler können ...
die Figur des Sokrates als paradigmatische Verkörperung des Philosophen (Einheit von Lehre und

Person, Vernunft als unbedingte Orientierungsnorm) deuten sowie seine moralische
Argumentationsweise in Ansätzen analysieren und beurteilen
BP 2004

Der schu­li­sche Um­gang mit So­kra­tes ins­be­son­de­re auf der Se­kun­dar­stu­fe I ist no­to­risch schwie­rig, weil

  • die Spra­che der Pla­ton-Texte ge­drech­selt wirkt (Schlei­er­ma­cher-Übers. von 1804 ff.);
  • oft­mals am Ende wenig Po­si­ti­ves her­aus­kommt (apo­re­ti­sche Aus­gän­ge), zu­min­dest bei den meist ge­wähl­ten Text­aus­schnit­ten;
  • Ma­te­ria­li­en zum (Text-)Ver­ste­hen des pla­to­ni­schen So­kra­tes viel­fach ver­quickt sind mit An­re­gun­gen zum Füh­ren (neo-)so­kra­ti­scher Ge­sprä­che;
  • An­re­gun­gen kaum kon­kre­te Hin­wei­se ent­hal­ten, wiedie Schü­le­rin­nen und Schü­ler­Be­grif­fe klä­ren und Ar­gu­men­te prü­fen sol­len;
  • den Cha­rak­te­ri­sie­run­gen „der“ so­kra­ti­schen Me­tho­de oft­mals ein frag­men­tier­tes So­kra­tes-Bild zu­grun­de liegt; denn
    • das sog. ‚Nicht­wis­sen’ kommt zwar meist (ver­grö­bert) vor;
    • auch Maieu­tik kommt meist vor (ob­wohl aus einem Spät­dia­log und die pla­to­ni­sche Ideen-Lehre vor­aus­set­zend);

      sel­te­ner kommt vor:
      • ... WIE So­kra­tes prüft (Elenk­tik)
      • ... wel­che ETHI­SCHEN ÜBER­ZEU­GUN­GEN er ver­tritt
      Damit bleibt beim schu­li­schen So­kra­tes im Ethik­un­ter­richt der Se­kun­dar­stu­fe I allzu oft aus­ge­spart, was seit Aris­to­te­les über John Stuart Mill, Kier­ke­gaard, Nietz­sche und Hans-Georg Ga­da­mer bis zur Ge­gen­warts­phi­lo­so­phie als das Beste an So­kra­tes ge­schätzt wird.

Zwi­schen­be­mer­kung

... zur ver­brei­te­ten Cha­rak­te­ri­sie­run­gen der Figur des So­kra­tes und der Be­haup­tung, es liege ein frag­men­ta­ri­sches So­kra­tes-Bild zu­grun­de: ‚Nicht­wis­sen’ kommt zwar meist (ver­grö­bert) vor;

dies be­trifft den Punkt der Ver­nunf­tori­en­tie­rung als kri­ti­scher Prü­fung von Wis­sens­an­sprü­chen. 

Zitat: Durchgestrichen, Ich weiß das nicht.

„Dass So­kra­tes leug­net, ir­gend­ein Wis­sen zu be­sit­zen, außer dem Wis­sen, dass er kein Wis­sen be­sit­ze, wurde in der An­ti­ke zu einem Schlag­wort. Diese pa­ra­do­xe For­mu­lie­rung ist je­doch ein­deu­tig eine Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on der Pla­to­ni­schen Texte. Ob­wohl So­kra­tes oft sagt, er kenne die Ant­wort auf die Frage, die ge­ra­de dis­ku­tiert wird, nicht, sagt er nie, er wisse über­haupt nichts. In der Tat nimmt er manch­mal in em­pha­ti­scher Weise Wis­sen in An­spruch, ... .“

C.C.W. Tay­lor: So­kra­tes, 1999 (engl. Orig. 1998 OUP) S. 59

Rich­tig ist, dass SO­KRA­TES  

  1. jede Weis­heit ab­strei­tet im Sinne eines voll­stän­di­gen und kla­ren Wis­sens von allem, weil das ein gött­li­ches Vor­recht wäre, und so etwas als Mensch zu be­an­spru­chen nur von Ar­ro­ganz zeugt;
  2. be­strei­tet, ein guter Leh­rer sein zu kön­nen, da er über eine be­stimm­te Form mensch­li­cher Weis­heit bzw. des Wis­sens nicht ver­fügt, die für ihn bei­spiel­haft ist, näm­lich ein hand­werk­li­ches Wis­sen im Sinne eines Ex­per­ten­wis­sens, einer Fach­kom­pe­tenz, d.h. ein struk­tu­rier­tes und sys­te­ma­tisch er­wor­be­nes Wis­sen, das an­de­ren mit­ge­teilt wer­den kann und mit­hil­fe des­sen prak­ti­sche Pro­ble­me ver­läss­lich ge­löst wer­den kön­nen;
  3. die Wis­sens­an­sprü­che an­de­rer un­ter­gräbt durch ein Prüf­ver­fah­ren, das mit der Wi­der­sprüch­lich­keit oder gar Falsch­heit von Aus­sa­gen An­de­rer auch Aus­sa­gen er­gibt, die nie­mand ohne Selbst­wi­der­spruch leug­nen kann, also ...
  4. ... zu mo­ra­li­schem Nicht-Ex­per­ten-Wis­sen bzw. mo­ra­li­schen (Teil-)Wahr­hei­ten führt.

Um­set­zungs­bei­spiel So­kra­tes: Her­un­ter­la­den [docx][117 KB]