MENON 3: Tugend ist lehrbar, wenn…
MENON: Ist Tugend im moralischen Sinn lehrbar? Ich meine: so wertgeschätzte Charaktereigenschaften wie Mut, Großzügigkeit, Aufrichtigkeit usw. – kann man die eigentlich unterrichten? Oder haben Menschen diese Eigenschaften aufgrund natürlicher Begabung oder sonst irgendwie erlangt?
SOKRATES: Da wir ja noch nicht genau wissen, was Tugend eigentlich ist, wollen wir auch die Frage, ob sie lehrbar ist oder nicht, mit Hilfe einer Voraussetzung überlegen: Wie müsste Tugend als seelische Qualität beschaffen sein, um lehrbar zu sein.
MENON: Aha, jetzt verwendest du deine Voraussetzungsmethode.
SOKRATES: Genau. Also zunächst: Wäre Tugend lehrbar, wenn sie etwas Anderes als Wissen ist? Oder ist nicht jedem klar, dass das, was man einen Menschen lehrt ausschließlich Wissen ist?
MENON: Ich finde schon.
SOKRATES: Wenn also Tugend eine Art Wissen ist, dann ist es offensichtlich lehrbar.
MENON: Theoretisch ist das klar.
SOKRATES: Gut gesprochen, denn wenn die Tugend lehrbar ist, dann müsste es ja auch in der Praxis Lehrer und Schüler dafür geben.
MENON: Das finde ich auch.
SOKRATES: Und der Umkehrschluss müsste wohl auch zutreffen: dass das, wofür es keine Lehrer und Schüler gibt, auch nicht lehrbar ist.
MENON: Ja, so ist es, aber findest du denn nicht, dass es Lehrer für Tugenden gibt?
Vorschläge für Arbeitsanregungen |
Hinweise zum Erwartungshorizont |
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A1: Finde die beiden Argumente heraus, die Sokrates hier anführt; stelle die jeweilige Schlussfolgerung so kurz und übersichtlich wie möglich dar. A2: Beurteile, welches Argument stärker ist (der hypothetische Schluss oder der Umkehrschluss). A3: Entwirf die mutmaßliche Antwort Sokrates’ auf Menons unsichere letzte Anfrage. |
Zu ‚notwendige / hinreichende Bedingung’ als Werkzeug des Analysierens vgl. Jonas Pfister: Werkzeuge des Philosophierens, Stuttgart/Reclam, 2013 S. 64-66 |
Umsetzungsbeispiel Sokrates: Herunterladen [docx][117 KB]
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