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Je­re­mi­as Gott­helf: Die schwar­ze Spin­ne (Er­zäh­lung) [Ma­te­ri­al 1]

Über die Berge hob sich die Sonne, leuch­te­te in kla­rer Ma­jes­tät in ein freund­li­ches, aber enges Tal und weck­te zu fröh­li­chem Leben die Ge­schöp­fe, die ge­schaf­fen sind, an der Sonne ihres Le­bens sich zu freu­en. Aus ver­gol­de­tem Wal­des­sau­me schmet­ter­te die Amsel ihr Mor­gen­lied, zwi­schen fun­keln­den Blu­men in per­len­dem Grase tönte der sehn­süch­ti­gen Wach­tel ein­tö­nend Min­ne­lied, über dun­keln Tan­nen tanz­ten brüns­ti­ge Krä­hen ihren Hoch­zeit­rei­gen oder krächz­ten zärt­li­che Wie­gen­lie­der über die dor­nich­ten Bett­chen ihrer un­ge­fie­der­ten Jun­gen. In der Mitte der son­nen­rei­chen Halde hatte die Natur einen frucht­ba­ren, be­schirm­ten Boden ein­ge­gra­ben; mit­ten­drin stand statt­lich und blank ein schö­nes Haus, ein­ge­faßt von einem präch­ti­gen Baum­gar­ten, in wel­chem noch ei­ni­ge Hoch­äp­fel­bäu­me prang­ten in ihrem spä­ten Blu­men­klei­de; halb stund das vom Haus­brun­nen be­wäs­ser­te üp­pi­ge Gras noch, halb war es be­reits dem Fut­ter­gan­ge zu­ge­wan­dert. Um das Haus lag ein sonn­täg­li­cher Glanz, den man mit ei­ni­gen Be­sen­stri­chen, an­ge­bracht Sams­tag abends zwi­schen Tag und Nacht, nicht zu er­zeu­gen ver­mag, der ein Zeug­nis ist des köst­li­chen Erb­gu­tes an­ge­stamm­ter Rein­lich­keit, die alle Tage ge­pflegt wer­den muß, der Fa­mi­li­en­eh­re gleich, wel­cher eine ein­zi­ge un­be­wach­te Stun­de Fle­cken brin­gen kann, die Blut­fle­cken gleich un­aus­lösch­lich blei­ben von Ge­schlecht zu Ge­schlecht, jeder Tün­che spot­tend. Nicht um­sonst glänz­te die durch Got­tes Hand er­bau­te Erde und das von Men­schen­hän­den er­bau­te Haus im reins­ten Schmu­cke; über beide er­glänz­te heute ein Stern am blau­en Him­mel, ein hoher Fei­er­tag. Es war der Tag, an wel­chem der Sohn wie­der zum Vater ge­gan­gen war zum Zeug­nis, daß die Lei­ter noch am Him­mel stehe, auf wel­cher Engel auf- und nie­der­stei­gen und die Seele des Men­schen, wenn sie dem Leibe sich ent­win­det, und ihr Heil und Au­gen­merk beim Vater dro­ben war und nicht hier auf Erden; es war der Tag, an wel­chem die ganze Pflan­zen­welt dem Him­mel ent­ge­gen­wächst und blüht in vol­ler Üp­pig­keit, dem Men­schen ein alle Jahre neu wer­den­des Sinn­bild sei­ner ei­ge­nen Be­stim­mung. Wun­der­bar klang es über die Hügel her, man wußte nicht, woher das Klin­gen kam, es tönte wie von allen Sei­ten; es kam von den Kir­chen her drau­ßen in den wei­ten Tä­lern; von dort­her kün­de­ten die Glo­cken, daß die Tem­pel Got­tes sich öff­nen allen, deren Her­zen offen seien der Stim­me ihres Got­tes.

  Wei­ter: „Aus dem Leben eines Tau­ge­nichts“ [Ma­te­ri­al 2]


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