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Phi­lo­so­phen-Por­traits

Je­re­my Bent­ham

Wer?

Je­re­my Bent­ham (1748-1832), Phi­lo­soph, Ju­rist – ein aus­ge­spro­che­ner Gen­tle­man. Er wird auf­grund sei­ner So­zi­al­ethik als recht­li­cher und so­zia­ler Re­for­mer be­kannt und ge­hört zu den we­ni­gen Män­nern sei­ner Zeit, der sich öf­fent­lich für Frau­en­rech­te ein­setz­te und die Frau­en­be­we­gung un­ter­stütz­te; auch ein Vor­den­ker des mo­der­nen Wohl­fahrt­staa­tes: er for­der­te all­ge­mei­ne Wah­len, eine Re­form des Straf­rechts, das Frau­en­stimm­recht, die Ab­schaf­fung der To­des­stra­fe, Tier­rech­te, die Le­ga­li­sie­rung der Ho­mo­se­xua­li­tät, eine stär­ke­re öf­fent­li­che Bil­dung und die Pres­se­frei­heit. Er gilt als Vater des Fe­mi­nis­mus, als Vor­kämp­fer der De­mo­kra­tie, des Li­be­ra­lis­mus und des Rechts­staa­tes. Er ist aber auch be­kannt für seine schar­fe Kri­tik an der fran­zö­si­schen Men­schen­rechts­er­klä­rung; und er lie­fer­te Ar­gu­men­te für den le­gi­ti­men Ein­satz der Fol­ter und ent­wi­ckel­te ein Mo­dell-Ge­fäng­nis, das Pan­op­ti­con – einen kreis­för­mi­gen Ge­fäng­nis­bau, in dem das gute Ver­hal­ten der In­haf­tier­ten da­durch her­ge­stellt wer­den soll­te, dass diese von einem zen­tra­len Wach­turm aus per­ma­nent be­ob­ach­tet wer­den konn­ten; spä­ter hat dies der Phi­lo­soph Mi­chel Fou­cault als Sym­bol für die Über­wa­chungs- und Herr­schafts­struk­tu­ren der mo­der­nen Zi­vil­ge­sell­schaft ge­wählt. Sein Ver­mö­gen ver­mach­te er tes­ta­men­ta­risch der Uni­ver­si­ty of Lon­don – unter der Be­din­gung, dass er wei­ter­hin an jeder Sit­zung des Di­rek­to­ri­ums teil­neh­men könne. Die­sem skur­ri­len Wunsch ent­spre­chend sitzt sein mit einem Wachs­kopf ge­schmück­tes und be­klei­de­tes Ske­lett noch heute in einer Glas­vi­tri­ne (sein mu­mi­fi­zier­ter Kopf muss­te in einen Tre­sor ge­steckt wer­den, da die Stu­den­ten ihn immer zu Par­tys mit­nah­men).

Was?

Be­grün­dung von Moral

Bent­ham be­haup­tet, dass es einen ein­zi­gen Maß­stab für Rich­tig und Falsch im Han­deln gebe, das sog. Nütz­lich­keits­prin­zip*. Es wird auch als Prin­zip* des größ­ten Glücks der größ­ten Zahl be­zeich­net, weil der Be­griff des Nut­zens das Wohl­er­ge­hen im wei­tes­ten Sinn meint und die Be­rück­sich­ti­gung der An­zahl der von den Kon­se­quen­zen einer Hand­lung Be­trof­fe­nen ein­schließt. Dies sei der Maß­stab für die Kor­rekt­heit mensch­li­chen Ver­hal­tens in jeder Si­tua­ti­on, ins­be­son­de­re aber des Han­delns von Amts­trä­gern, die die Re­gie­rungs­be­fug­nis­se aus­üben.

Bent­ham be­grün­det also vor allem eine So­zi­al­ethik. Dass der Maß­stab für die Kor­rekt­heit jed­we­der Hand­lung die op­ti­ma­len Fol­gen für das Wohl aller von der Hand­lung Be­trof­fe­nen ist, plau­si­bi­li­siert Bent­ham so: 1. Das Nütz­lich­keits­prin­zip an­er­ken­ne die all­ge­mein mensch­li­che Grund­be­schaf­fen­heit, immer von Leid & Freu­de be­stimmt zu wer­den. 2. sei es ge­eig­net, „das Ge­bäu­de der Glück­se­lig­keit durch Ver­nunft und Recht“ zu er­rich­ten.

Mo­ti­va­ti­on mo­ra­li­schen Han­delns

Mi­ni­mie­rung von Leid (pain), Ma­xi­mie­rung von Lust/Freu­de (plea­su­re) sind die Ur­sa­chen und letz­ten Zwe­cke mensch­li­chen Han­delns. Damit jeder Ein­zel­ne nicht nur dem ei­ge­nen Nut­zen folgt, sind (phy­si­sche, po­li­ti­sche, mo­ra­li­sche und re­li­giö­se) Sank­tio­nen* er­for­der­lich.

Men­schen­bild

He­do­nis­mus: Lust als ein­zi­ger Wert (BP 3.​2.​6.​2. Glück & Moral); so­zi­al­re­for­me­ri­sches und po­li­ti­sches En­ga­ge­ment Bent­hams als Ju­rist und Par­tei­po­li­ti­ker; ra­di­kal­de­mo­kra­ti­sche Ein­stel­lung: Ever­y­bo­dy to count for one, and no­bo­dy to count for more than one.

Ver­gleich

Af­fi­ni­tä­ten zu Hob­bes und Hume, Po­la­ri­tät zu So­kra­tes (Fol­gen vs. Prin­zi­pi­en) und zu Scho­pen­hau­er (Nut­zen vs. Ge­fühl).

Über­zeu­gungs­kraft

Bent­hams Ethik soll­te nicht als rein theo­re­ti­sches Mo­dell be­han­delt wer­den; er­wähnt wer­den soll­te der his­to­ri­sche Kon­text der ‚Uti­li­ta­ri­er’, der Par­tei, die, im Eng­land der in­dus­tri­el­len Re­vo­lu­ti­on, seit Bent­ham auf par­la­men­ta­ri­schem Weg die Fol­gen des hem­mungs­lo­sen Ka­pi­ta­lis­mus für die be­trof­fe­nen Men­schen zu mil­dern such­te. – An­spruch einer So­zi­al­ethik (vgl. An In­tro­duc­tion to the prin­ci­ples of Mo­rals and Le­gis­la­ti­on); Vor­zug eines welt­an­schau­lich neu­tra­len, em­pi­risch-wis­sen­schaft­li­chen Ver­fah­rens zur Er­mitt­lung mo­ra­lisch rich­ti­gen Ent­schei­dens und Han­delns. – Pro­ble­me: Wert­mo­nis­mus; he­do­nist. Kal­kül ist pro­gno­se­ab­hän­gig; kein Schutz von Min­der­hei­ten und Grund­rech­ten; Ge­rech­tig­keits­pro­blem.

Au­to­ren­text

Hil­fen:

J. Schroth (hrsg.): Texte zum Uti­li­ta­ris­mus, Stutt­gart 2016; Ethik & Un­ter­richt Heft 2/2016;

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Tho­mas Hob­bes

Wer?

Tho­mas Hob­bes (1588-1676), engl. Staats­theo­re­ti­ker und Phi­lo­soph, Zeit­ge­nos­se Shake­speares, wurde wegen sei­ner pech­schwar­zen Haare von sei­nen Klas­sen­ka­me­ra­den „die Krähe“ ge­nannt, spä­ter, nach Ver­öf­fent­li­chung sei­ner Werke The Devil from Mal­mes­bu­ry, nach sei­nem Ge­burts­ort, einem armen Wei­ler auf hal­bem Weg zwi­schen Bris­tol und Ox­ford; stu­dier­te in Ox­ford, ver­dien­te sein Geld lange als Haus­leh­rer, wobei er mit den ihm an­ver­trau­ten Zög­lin­gen öf­ters Bil­dungs­rei­sen auf dem Kon­ti­nent un­ter­nahm. Dort mach­te er u.a. Be­kannt­schaft mit dem frz. Phi­lo­so­phen René Des­car­tes und schloss Freund­schaft mit Ga­li­leo Ga­li­lei; spiel­te gern Ten­nis und lieb­te Ma­the­ma­tik, über­setz­te aus dem Grie­chi­schen Thuky­di­des’ Ge­schich­te des Pe­lo­pon­ne­si­schen Krie­ges sowie Ho­mers Ilias und Odys­see; schrieb kurz vor sei­nem Tod (mit 91 J.) noch ein Lie­bes­ge­dicht und wünsch­te sich für sei­nen Grab­stein die – von sei­nen Freun­den nicht über­nom­me­ne -  In­schrift „This is a true Phi­lo­so­pher’s stone“. – Werke: De Cive (Vom Bür­ger), De Cor­po­re (Vom Kör­per), De Ho­mi­ne (Vom Men­schen), Le­via­than (1651).

Was?

Be­grün­dung von Moral

Hob­bes’ Thema in sei­nem Haupt­werk LE­VIA­THAN ist nicht ei­gent­lich Moral, son­dern Macht, Krieg, Recht und Staat. In die­sem Zu­sam­men­hang geht es al­ler­dings auch um mo­ra­li­sche Re­geln, ohne die ein fried­li­ches Zu­sam­men­le­ben, ein bür­ger­li­cher Zu­stand und ein le­gi­ti­mer Staat nicht zu­stan­de käme. Die Fä­hig­keit zur Moral ist ein Spe­zi­fi­kum des Men­schen, was für Hob­bes heißt, dass der Mensch fähig ist auf Ge­walt zu ver­zich­ten. Mo­ra­li­sche Re­geln, die er als „na­tür­li­che Ge­set­ze“ be­zeich­net und mit kon­sti­tu­ti­ven Spiel­re­geln ver­gleicht, muss sich der Mensch schaf­fen – in­so­fern sind sie etwas Künst­li­ches -, um über­le­ben zu kön­nen, (d.h. nicht in dau­ern­dem Natur- bzw. Kriegs­zu­stand zu blei­ben), um kul­ti­viert (und nicht bar­ba­risch) zu leben und sein Glück ver­fol­gen zu kön­nen. Die Ent­ste­hung bzw. Ent­de­ckung mo­ra­li­scher Re­geln ver­dankt sich der Emo­tio­nen Furcht (an­sons­ten nicht in Si­cher­heit leben zu kön­nen), Hoff­nung und der (die Mit­tel für er­höh­te Zu­kunfts­chan­cen kal­ku­lie­ren­den) Ver­nunft. Eine Kom­po­nen­te der mo­ra­li­schen Re­geln be­steht in der Ver­pflich­tung, sich an ab­ge­schlos­se­ne Ver­trä­ge zu hal­ten (pacta sunt ser­van­da); die mo­ra­li­schen Re­geln selbst haben aber nicht Ver­trag­scha­rak­ter und be­ru­hen auch nicht auf einem Ver­trag (eine im deutsch­spra­chi­gen Raum von E. Tu­gend­hat / P. Stem­mer ver­brei­te­te In­ter­pre­ta­ti­on) – sie sind ewig, un­ver­än­der­bar und über­all gül­tig, wo es um die Grund­le­gung fried­li­chen Zu­sam­men­le­bens geht. (LEV. XV u. XXVI)

Mo­ti­va­ti­on mo­ra­li­schen Han­delns

Im We­sent­li­chen gibt es zwei Be­weg­grün­de, sich auf mo­ra­li­sche Re­geln ein­zu­las­sen: die Furcht, in einem an­sons­ten häss­li­chen bru­ta­len Leben nicht lange zu über­le­ben, und die Ent­de­ckung der be­rech­nen­den Ver­nunft, die darin ein Mit­tel für die Ge­währ­leis­tung eines län­ge­ren und kom­for­ta­ble­ren Le­bens sieht (= evo­lu­tio­nä­rer Vor­teil).

Men­schen­bild

Ziem­lich pes­si­mis­tisch und krass: Der Mensch ist ein vom Glücks­ver­lan­gen ge­trie­be­ner Ego­ist, um Selbst­er­hal­tung be­sorgt und zu die­sem Zweck, wegen no­to­ri­scher Res­sour­cen­knapp­heit und Kon­kur­renz auf stän­di­ge Macht­stei­ge­rung er­picht; ohne Ein­rich­tung eines mit dem Ge­walt­mo­no­pol aus­ge­stat­te­ten Le­via­than/Staa­tes gilt: homo ho­mi­ni lupus est.

Ver­gleich:

Mit allen Phi­lo­so­phen teilt Hob­bes die Auf­fas­sung, dass die Not­wen­dig­keit der Moral sä­ku­lar, ohne Bezug auf Re­li­gi­on er­klärt wird. Sein pes­si­mis­ti­sches Men­schen­bild wird Scho­pen­hau­er über­neh­men, Hume wird es re­la­ti­vie­ren („Wolf+Taube+Schlan­ge ... in jedem Her­zen“); Ge­füh­le spie­len, wie bei Hume, auch eine be­deut­sa­me Rolle, al­ler­dings über­wie­gend ne­ga­ti­ve: Furcht und Miss­trau­en; die Ver­nunft bzw. der Ver­stand ist, wie bei Hume und Bent­ham, ein kal­ku­lie­ren­des In­stru­ment – an­ders bei So­kra­tes; das Ein­hal­ten von Ver­trä­ge ist grund­le­gend (kon­sti­tu­tiv) zur Frie­dens­si­che­rung, diese Auf­fas­sung wird auch von So­kra­tes/Pla­ton ge­teilt (im KRI­TON) – Hume kri­ti­siert die Idee des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges.

Über­zeu­gungs­kraft

Hob­bes ist hoch­ak­tu­ell so­wohl in der po­li­ti­schen Theo­rie – zwi­schen Staa­ten herrscht z.T. immer noch Na­tur­zu­stand – in Spiel­theo­rie und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, wo das Men­schen­bild des homo oe­co­no­mi­cus als stra­te­gi­schem Ge­winn­ma­xi­mie­rer hob­be­sia­ni­sche Züge trägt.

Au­to­ren­text

Hil­fen:

J. Rawls: in ders. Ge­schich­te der po­li­ti­schen Phi­lo­so­phie, 2008, S.55-164;

B. Lud­wig: Tho­mas Hob­bes - Recht, Un­recht und die Selbst­ver­pflich­tung des Men­schen, in A. Be­cker­mann/D. Per­ler (Hrsg.): Klas­si­ker der Phi­lo­so­phie heute, Stutt­gart/Re­clam, 2005.

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Wei­ter zu Um­set­zungs­bei­spiel So­kra­tes

Ar­thur Scho­pen­hau­er

Wer?

Ar­thur Scho­pen­hau­er (1788-1860), schon als ju­gend­li­cher Rei­sen nach Eng­land u. Frank­reich, Aus­bil­dung zum Kauf­mann, dann Stu­di­um der Me­di­zin, Che­mie, Phy­sik, dann der Phi­lo­so­phie; Ab­schluss mit Dok­tor der Phi­lo­so­phie; aus­ge­dehn­te Ita­li­en­rei­se; über­wirft sich mit sei­ner Mut­ter; Leben als Pri­vat­ge­lehr­ter; Mit­be­grün­der des Frank­fur­ter Tier­schutz­ver­eins; ers­ter be­deu­ten­der west­li­cher Phi­lo­soph, der sich für die asia­ti­schen Weis­heits­leh­ren (Bud­dhis­mus) in­ter­es­siert. – Werke: „Die Welt als Wille und Vor­stel­lung“; „Über das Sehn und die Far­ben“; „Apho­ris­men zur Le­bens­weis­heit“; „Die bei­den Grund­pro­ble­me der Ethik“; „Über den Selbst­mord“.

Was?

Be­grün­dung von Moral

Laut S. lässt sich Moral nur schwer be­grün­den; Auf­ga­be der Ethik ist ihm zu­fol­ge viel­mehr mo­ra­li­sche Phä­no­me­ne zu be­schrei­ben, zu ver­ste­hen und zu er­klä­ren (de­skrip­ti­ve, re­kon­struk­ti­ve Ethik). Eine em­pi­ri­sche Un­ter­su­chung zeigt, dass es Hand­lun­gen mit mo­ra­li­schem Wert tat­säch­lich gibt, näm­lich Hand­lun­gen frei­wil­li­ger Ge­rech­tig­keit und un­ei­gen­nüt­zi­ger Men­schen­lie­be. Diese ver­sucht er psy­cho­lo­gisch auf einen letz­ten Grund zu­rück­zu­füh­ren. Kri­te­ri­um aller Hand­lun­gen von mo­ra­li­schem Wert ist für ihn das Feh­len aller ego­is­ti­schen Mo­ti­va­ti­on. Dies liegt vor, wenn mein Han­deln ganz al­lein des an­de­ren wegen ge­schieht und „sein Wohl und Wehe un­mit­tel­bar“ mein Motiv ist. Das wie­der­um er­for­dert eine Auf­he­bung des ei­ge­nen Ego­is­mus durch Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem an­de­ren, ins­be­son­de­re eine Teil­nah­me am Lei­den des an­de­ren wie sie im Mit­leid ak­tua­li­siert wird. Scho­pen­hau­er ana­ly­siert die­sen Vor­gang nicht als rein emo­tio­nal, weil zur Iden­ti­fi­ka­ti­on eine Er­kennt­nis („Vor­stel­lung in mei­nem Kopf“) des an­de­ren er­for­der­lich ist. Na­tür­li­ches Mit­leid ist für ihn die Basis zwei­er Kar­di­nal­tu­gen­den, der Men­schen­lie­be und der Ge­rech­tig­keit, denn eine erste Wir­kung des Mit­leids be­steht darin, die Nei­gung an­de­ren Lei­den zu­zu­fü­gen, zu hem­men; Mit­leid ‚ent­hält’ also den ers­ten mo­ra­li­schen Grund­satz: Schä­di­ge nie­man­den (nemi­nem laede)! Wei­te­re Merk­ma­le von Hand­lun­gen von mo­ra­li­schem Wert sind Zu­frie­den­heit mit sich („Bei­fall des Ge­wis­sens“) sowie Bei­fall und Ach­tung un­be­tei­lig­ter Zeu­gen.

Mo­ti­va­ti­on mo­ra­li­schen Han­delns

S. klas­si­fi­ziert alle mög­li­chen Mo­ti­ve in drei Grund­trieb­fe­dern, zwei an­ti­mo­ra­li­sche und eine mo­ra­li­sche: 1. Ego­is­mus; 2. Bos­heit und Grau­sam­keit; 3. Mit­leid.

Men­schen­bild

Seine Mut­ter, eine be­rühm­te Schrift­stel­le­rin, klag­te, sein ewi­ges La­men­tie­ren über die dumme Welt und das mensch­li­che Elend ginge ihr auf die Ner­ven; Mis­an­throp; Pes­si­mis­mus; Fabel von den Sta­chel­schwei­nen; Men­schen wer­den mehr von Trie­ben, vom Un­be­wuss­ten und ihrem Wil­len als vom In­tel­lekt be­wegt. vgl. seine „Nach­trä­ge zur Lehre von der Nich­tig­keit des Da­seins“ und „Zur Lehre vom Lei­den der Welt“ (Pa­ra­li­po­me­na II § 11-12).

Ver­gleich

S. Men­schen­bild hat Ge­mein­sam­kei­ten mit dem­je­ni­gen von Hob­bes und Hume, auf die er sich aus­drück­lich be­zieht: Er teilt Hob­bes’ Ein­schät­zung von der Enor­mi­tät des mensch­li­chen Ego­is­mus; er teilt Humes Ein­schät­zung, dass wir über Em­pa­thie­fä­hig­keit ver­fü­gen (sym­pa­thy / Mit­leid) und diese die Grund­la­ge für mo­ra­li­sches Han­deln bil­den. Mit Hob­bes und Bent­ham teilt S. die Ein­schät­zung von der Not­wen­dig­keit von recht­li­chen Sank­tio­nen zur Steue­rung des mensch­li­chen Ver­hal­tens. Mit So­kra­tes teilt S. zwar die Über­zeu­gung, dass Un­recht tun schlim­mer ist als Un­recht lei­den, aber der stärks­te Ge­gen­satz liegt in So­kra­tes’ In­tel­lek­tua­lis­mus, sei­ner Dis­kre­di­tie­rung der Ge­füh­le. Wäh­rend S. für das Phä­no­men des Mit­leids eine letz­te me­ta­phy­si­sche Grund­la­ge sucht – in der Er­kennt­nis, dass „mein wah­res in­ne­res Wesen in jedem Le­ben­den so un­mit­tel­bar exis­tiert wie in mei­nem Selbst­be­wusst­sein“, d.h. in der Auf­he­bung des prin­ci­pi­um in­di­vi­dua­tio­nis (tat-tva­ma­si: ‚dies bist du’) -, be­gnügt sich Hume mit einer so­zi­al­psy­cho­lo­gi­schen und na­tur­ge­schicht­li­chen Er­klä­rung un­se­rer Fä­hig­keit zu sym­pa­thi­sie­ren (vgl. M. To­ma­sel­lo: Na­tur­ge­schich­te der Moral, 2016). – Alle Phi­lo­so­phen su­chen nach den Grund­la­gen der Moral im Men­schen, ohne auf gött­li­che Ge­bo­te Bezug zu neh­men.

Über­zeu­gungs­kraft

Stär­ken: Un­mit­tel­bar­keit des Mit­leids, d.h. un­ab­hän­gig von Bil­dung u.a.; wem es zu man­geln scheint, nennt man einen Un­men­schen. – Schwä­chen: ge­ne­riert das Ge­fühl beide „Kar­di­nal­tu­gen­den“? Ge­ne­ra­li­sier­bar­keit des Mit­leids? Ma­ni­pu­lier­bar­keit von Ge­füh­len.

Geis­tes­ver­wand­te

G.E. Les­sing; Wil­helm Busch; Georg Büch­ner; Arno Schmidt; Sa­mu­el Be­ckett; Woody Allen; Jean-Jac­ques Rous­seau; David Hume; Adam Smith; Al­bert Schweit­zer; Em­ma­nu­el Le­vinas; Ju­dith Sh­klar; Mar­tha C. Nuss­baum. – Ethos der Berg­pre­digt (NT).

Hil­fen:

s. D. Birn­ba­cher: Scho­pen­hau­er. Grund­wis­sen Phi­lo­so­phie, Stutt­gart / Re­clam 2009, S. 116 – 131

Au­to­ren­text

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Wei­ter zu Um­set­zungs­bei­spiel So­kra­tes

David Hume

Wer?

David Hume (1711-1776) schot­ti­scher Phi­lo­soph des Zeit­al­ters der Auf­klä­rung; hätte nach dem Wil­len des Va­ters Rechts­an­walt wer­den sol­len; stu­diert sehr früh, aber: La­tein, Grie­chisch, Logik, Na­tur­phi­lo­so­phie, ohne Ab­schluss; macht dann eine kauf­män­ni­sche Lehre; ar­bei­tet spä­ter als Pri­vat­leh­rer, Bi­blio­the­kar, Ge­sandt­schafts­se­kre­tär im di­plo­ma­ti­schen Dienst, zeit­wei­se als Bot­schaf­ter Eng­lands in Paris; hält sich wie­der­holt län­ger in Frank­reich auf, wo er Kon­tak­te knüpft mit den fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen Di­de­rot und d’Alem­bert; freund­li­cher, um­gäng­li­cher, ge­sel­li­ger u. hu­mor­vol­ler Typ; hilft dem ver­folg­ten Jean-Jac­ques Rous­seau indem er ihn nach Eng­land ein­lädt; nach der Ver­öf­fent­li­chung sei­nes Trak­tat über die mensch­li­che Natur (1739/49), der heute als ein Meis­ter­werk in der Ge­schich­te der Phi­lo­so­phie gilt, be­wirbt er sich wie­der­holt für eine Pro­fes­sur (in Edin­burgh u. Glas­gow), was am Wi­der­stand der Kir­che schei­tert: Hume gilt als Skep­ti­ker und „Frei­den­ker“; wird be­rühmt durch eine mehr­bän­di­ge Ge­schich­te Eng­lands; ver­brei­tet dann die kri­ti­schen Ideen sei­nes Trak­tats in zahl­rei­chen Es­says, die außer phi­lo­so­phi­schen auch po­li­ti­sche und öko­no­mi­sche The­men be­han­deln; be­deu­tends­ter „Schü­ler“ und Freund Humes ist Adam Smith, Theo­re­ti­ker der frei­en Markt­wirt­schaft und Autor eines Bu­ches über „Mo­ra­li­sche Ge­füh­le“. – 1761 setzt die Ka­thol. Kir­che sämt­li­che Werke Humes auf den Index li­bro­rum pro­hi­bi­to­rum, das Ver­zeich­nis ver­bo­te­ner Bü­cher. Im Wap­pen der Humes steht die De­vi­se: True to the End.

Was?

Be­grün­dung von Moral

Hume be­schreibt die Grund­la­gen der Moral mit dem An­spruch einer über­prüf­ba­ren Theo­rie, die auf Er­fah­rungs­tat­sa­chen be­ruht (em­pi­risch). Zu die­sen ge­hö­ren auch psy­cho­lo­gi­sche Tat­sa­chen, d.h. sol­che die zur den­ken­den und füh­len­den Natur des Men­schen ge­hö­ren. Die Ein­be­zie­hung der Psy­cho­lo­gie (der Ge­füh­le und aller geis­ti­ger Tat­sa­chen) ist not­wen­dig, weil die Ver­nunft al­lein nicht hin­reicht, um mo­ra­li­sche Ur­tei­le zu er­klä­ren: « Es läuft der Ver­nunft nicht zu­wi­der, dass ich lie­ber die Zer­stö­rung der gan­zen Welt will, als einen Ritz an mei­nem Fin­ger.... » Wenn nun beim mo­ra­li­schen Ur­tei­len Ge­füh­le im Spiel sind, wer­den die Ur­tei­le dann nicht be­lie­big, weil bloß sub­jek­tiv? Hume führt meh­re­re Grün­de an, warum das nicht so sein muss, warum mo­ra­li­sche Un­ter­schei­dun­gen, auch wenn sie auf mo­ra­li­schen Ge­füh­len ba­sie­ren, inter-sub­jek­tiv und kon­sens­fä­hig sein kön­nen. 1. Es gibt eine ge­wis­se Kon­stanz der mensch­li­chen Natur, d.h. wir tei­len mit an­de­ren die Fä­hig­keit zur Em­pa­thie (sym­pa­thy) und ken­nen alle – eine nor­ma­le So­zia­li­sa­ti­on vor­aus­ge­setzt – Ge­füh­le wie Em­pö­rung und Wohl­wol­len; 2. er­mög­licht die mensch­li­che Spra­che durch den ge­sprächs­wei­sen Aus­tausch über Ge­füh­le diese „so­zi­al“ zu ma­chen, sie zu be­rich­ti­gen und einen ge­mein­sa­men, all­ge­mei­nen Stand­punkt der Be­ur­tei­lung von Cha­rak­te­ren, auf die sich die Ge­füh­le be­zie­hen, zu ge­win­nen; 3. Ver­nunft und Ver­stand as­sis­tie­ren bei die­ser Be­ur­tei­lung, weil sie uns nicht nur über Re­gu­la­ri­tä­ten in Bezug auf Ur­sa­che/Wir­kung, son­dern auch in Bezug auf Mit­tel/Zwe­cke und ins­be­son­de­re auf die all­ge­mei­ne Nütz­lich­keit von Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten oder nütz­li­che Ten­den­zen von Hand­lun­gen für die Ge­sell­schaft auf­klä­ren. – In sei­ner Af­fek­ten­leh­re (= Emo­ti­ons­theo­rie) be­schreibt Hume ge­nu­in mo­ra­li­schen Ge­füh­le wie  Miss­bil­li­gung oder Men­schen­lie­be (sense of hu­ma­ni­ty) als Pro­dukt aus ‚in­di­rek­ten’ Af­fek­ten wie Stolz / Scham, Liebe / Hass, Mit­leid / Scha­den­freu­de (die wie­der­um auf ‚di­rek­te’ Af­fek­te wie Ver­lan­gen / Ab­nei­gung oder Furcht / Hoff­nung und letzt­lich auf ele­men­ta­re Lust / Un­lust-Emp­fin­dun­gen) zu­rück­ge­hen; die Be­son­der­heit der in­di­rek­ten Af­fek­te und damit auch der mo­ra­li­schen Ge­füh­le be­steht darin, dass sie As­so­zia­tio­nen von Ideen, d.h. ge­dank­li­che Kom­po­nen­ten ent­hal­ten und damit sprach­lich ver­han­del­bar wer­den. Der Be­griff der Moral schließt ein allen Men­schen ge­mein­sa­mes Ge­fühl ein, das den­sel­ben Ge­gen­stand der all­ge­mei­nen Zu­stim­mung emp­fiehlt.

Mo­ti­va­ti­on mo­ra­li­schen Han­delns

Was uns zum Han­deln, d.h. auch zum guten/schlech­ten Han­deln be­wegt sind Ge­füh­le, die letzt­lich be­stim­men, was wir an­stre­ben und in wel­chen Far­ben uns Ge­gen­stän­de, Per­so­nen  und Ziele er­schei­nen – wäh­rend Ver­nunft al­lein lei­den­schafts­los bleibt und nicht zum Han­deln be­wegt; zu den grund­le­gends­ten mo­ra­li­schen Ge­füh­len zäh­len außer dem Ge­fühl der Mensch­lich­keit noch   Ach­tung / Ver­ach­tung, Wohl­wol­len / Em­pö­rung, in denen je­weils die Zu­stim­mung zum Glück aller Men­schen bzw. die Em­pö­rung über ihr Elend zum Aus­druck kom­men.

Men­schen­bild

Hume er­kennt im Un­ter­schied zu Hob­bes (und an­ders als Scho­pen­hau­er) außer ego­is­ti­schen auch al­tru­is­ti­sche Trieb­fe­dern an; die Nei­gung zu Ge­sel­lig­keit und Freund­schaft sind po­si­tiv ge­se­he­ne na­tür­li­che Be­dürf­nis­se (und nicht nur Über­le­bens­stra­te­gi­en); ‚na­tür­li­che’ Tu­gen­den wie Wohl­wol­len ge­nü­gen al­ler­dings nicht, um eine ge­sell­schaft­li­che Ord­nung zu sta­bi­li­sie­ren: dazu be­darf es ge­wis­ser Kon­ven­tio­nen und dar­auf ge­stütz­ter ‚künst­li­cher’ Tu­gen­den wie Ge­rech­tig­keit und An­er­ken­nung einer Rechts­ord­nung (= Hob­bes, Bent­ham). - Ver­gleich: op­ti­mis­ti­sche­res Men­schen­bild als bei Hob­bes und Scho­pen­hau­er; Par­al­le­le zu Scho­pen­hau­er in der Be­wer­tung der grund­le­gen­den Rolle von mo­ra­li­schen Ge­füh­len und ins­be­son­de­re des Mit­leids; teilt mit Bent­ham den Nütz­lich­keits­maß­stab bei der Be­wer­tung von Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten und Hand­lun­gen, ohne des­sen Kal­kül.

Au­to­ren­text

Hil­fen:    

Frank Bro­sow: Hume. Stutt­gart, 2011

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Wei­ter zu Um­set­zungs­bei­spiel So­kra­tes

So­kra­tes

Wer?

So­kra­tes (469 - 399 v.u.Z.), des­sen Vater Bild­hau­er bzw. Stein­metz und des­sen Mut­ter Heb­am­me war, soll in sei­ner Ju­gend Na­tur­phi­lo­so­phie stu­diert haben, lern­te das Bild­hau­er­hand­werk; nahm als Ho­p­lit an meh­re­ren Feld­zü­gen teil; ver­such­te 406 in der Rats­ver­samm­lung ver­geb­lich, ein il­le­ga­les To­des­ur­teil gegen Athe­ner Feld­herrn zu ver­hin­dern; wi­der­setz­te sich unter dem Re­gime der »Drei­ßig« dem Be­fehl, bei der Fest­nah­me des Leon von Sa­la­mis mit­zu­hel­fen; stups­na­sig, meist bar­fuß un­ter­wegs, trink­fest; lehr­te auf dem Markt­platz, nahm nie Geld für seine Un­ter­richt­s­tä­tig­keit; wurde an­ge­klagt und zum Tode ver­ur­teilt, „wegen Ab­fall von den alten Staats­göt­tern und Ge­fähr­dung der Ju­gend“; lehn­te die mög­li­che Flucht aus dem Ge­fäng­nis ab; trank den töd­li­chen Schier­lings­be­cher, ob­wohl er hätte flie­hen kön­nen. – Die von ihm auf un­wi­der­steh­li­che Weise ver­kör­per­te Ein­heit von Leben und Über­zeu­gung von der Rich­tig­keit ethi­scher Grund­sät­ze brach­te sei­nen Schü­ler Pla­ton, der ur­sprüng­lich Po­li­ti­ker oder Dich­ter wer­den woll­te, dazu auch Phi­lo­soph zu wer­den. So­kra­tes gilt als Be­grün­der der Ethik, ob­wohl er selbst keine Schrif­ten hin­ter­las­sen, kein Leh­rer, son­dern nur ein Su­chen­der sein woll­te und oft jeg­li­che Weis­heit ab­ge­strit­ten hat.

Was?

Be­grün­dung von Moral

Pla­ton lässt sei­nen Leh­rer So­kra­tes in vie­len sei­ner für die große Öf­fent­lich­keit be­stimm­ten Dia­lo­ge als Ge­sprächs­lei­ter auf­tre­ten. Vor allem in den frü­hen und mitt­le­ren Dia­lo­gen dis­ku­tiert er mit Ver­tre­tern un­ter­schied­lichs­ter Stän­de ins­be­son­de­re die Frage, wie man (gut) leben soll. Zur Klä­rung all­ge­mei­ner Be­grif­fe wie dem des ‚Gut­seins’ (bzw. der Tu­gend) ent­wi­ckelt S. ein Prüf­ver­fah­ren, das Wi­der­sprü­che in den Mei­nun­gen der Dia­log­part­ner auf­deckt und sie zu einer selb­stän­di­gen Er­for­schung der Wahr­heit an­lei­tet. Al­ler­dings enden ei­ni­ge die­ser Ge­sprä­che mit So­phis­ten, die Po­si­tio­nen der Lust-, Nut­zen- oder Macht­ma­xi­mie­rung ver­tre­ten, apo­re­tisch und in Be­schä­mung der Part­ner ob ihres er­wie­se­nen Nicht­wis­sens.

In den sog. mitt­le­ren Dia­lo­gen be­nutzt Pla­ton S. dazu, um die für eine nicht-re­la­ti­ve Moral er­for­der­li­chen er­kennt­nis­theo­re­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen (die An­nah­me der Exis­tenz und Wirk­sam­keit von Per­fek­ti­ons­be­grif­fen, pla­to­ni­schen ‚Ideen’), aber auch ein Ide­al­staats­mo­dell zu kon­stru­ie­ren; hier un­ter­schei­det sich Pla­ton vom his­to­ri­schen So­kra­tes.

In einem der letz­ten pla­to­ni­schen Dia­lo­ge, tritt So­kra­tes noch ein­mal an, um die so­kra­ti­sche Frage nach dem ge­lin­gen­den mensch­li­chen Leben in einer kon­struk­ti­ve­ren Weise zu er­ör­tern: S. wen­det das kri­ti­sche Prüf­ver­fah­ren nun auch auf seine ei­ge­ne These (über das Gut­sein) an und macht einen durch die Kunst dia­lek­ti­scher Ge­sprächs­füh­rung er­ar­bei­te­ten ge­mein­sa­men Lö­sungs­vor­schlag für den Be­griff des ge­lin­gen­den Le­bens: eine maß­vol­le Mi­schung aus Lust und Ein­sicht.

S. hin­ter­fragt und be­kämpft hart­nä­ckig den Wert-Re­la­ti­vis­mus der So­phis­ten, der Rhe­to­rik-Freaks sei­ner Zeit, und ar­gu­men­tiert dafür, dass mo­ra­li­sches Gut­sein eine star­ke Wis­sens­kom­po­nen­te ent­hält. Was der harte und ge­mein­sa­me Kern aller Tu­gen­den ist, soll eine in ra­tio­na­ler Dis­kus­si­on er­ar­bei­te­te We­sens-De­fi­ni­ti­on fest­stel­len. Wer sich auf die­ses Wis­sen ver­steht, ver­fügt damit so­wohl über einen Maß­stab als auch ein Mo­vens des Han­delns. Un­wis­sen­heit ist die Quel­le des Schä(n)dli­chen und Bösen. - S. rich­tet sein Han­deln und Spre­chen an Grund­sät­zen (obers­te logoi) aus, die im Ge­spräch an­er­kannt sein müs­sen und von denen er dann die Ent­schei­dung in Ein­zel­fäl­len ab­zu­lei­ten sucht (Syl­lo­gis­mus); z.B. « Un­recht­tun – vor allem un­ge­straft - ist immer schlim­mer als Un­recht­lei­den », « Nicht Über­le­ben, son­dern Recht-Leben hat den höchs­ten Wert».

Mo­ti­va­ti­on mo­ra­li­schen Han­delns

Jeder soll­te am meis­ten be­sorgt sein um das Wohl­er­ge­hen der ei­ge­nen Seele; schänd­li­ches Tun scha­det der ei­ge­nen Seele, wäh­rend über eine har­mo­ni­sche Per­sön­lich­keit nur der Be­son­ne­ne und Ge­rech­te ver­fügt; Ge­recht­sein nutzt letzt­lich jedem Ak­teur, Tu­gend sei ein not­wen­di­ger und hin­rei­chen­der Bau­stein für (Le­bens-)Glück.

Men­schen­bild

Das Wohl­er­ge­hen der Seele hängt von ihrem wohl­ge­ord­ne­ten Zu­stand ab, der sich durch Be­frei­ung von Schein­wis­sen, Ge­recht­sein und nicht-wi­der­sprüch­li­ches Spre­chen aus­zeich­net; hoher Wert des ge­prüf­ten Le­bens (Auf­klä­rung); Fä­hig­keit eines jeden, Wahr­heit im Ge­spräch aus sich selbst her­vor­zu­brin­gen (Maieu­tik; Ana­mne­sis; Un­sterb­lich­keit der Seele); In­tel­lek­tua­lis­mus; Wil­lens­schwä­che gibt’s nicht; aber auch: ir­ra­tio­na­le In­stan­zen, näm­lich Apol­lon-Ora­kel und Dai­mo­ni­on.

Ver­gleich

So­kra­tes miss­traut, im Un­ter­schied zu Hume/Scho­pen­hau­er dem Ur­teil der Ge­füh­le und dem Ur­teil des com­mon sense; Aus­nah­me: Scham-Ge­fühl ist in jedem Fall zu ver­mei­den (vgl. GOR­GI­AS u. PROT­AGO­RAS); sucht nach ra­tio­na­ler Recht­fer­ti­gung des Han­delns durch ge­recht­fer­tig­te Grund­sät­ze = ers­ter De­on­to­lo­ge; ein Grund­satz: Un­recht mei­den und Treue zu ei­ge­nen Grund­sät­zen, egal wel­che Fol­gen (auch fürs ei­ge­ne Leben). – Im Un­ter­schied zu Bent­ham hat S. vor­ran­gig den in­di­vi­du­el­len Nut­zen im Blick (In­di­vi­du­al-Ethik vs. So­zi­al­ethik), wenn­gleich er von sei­ner auf­klä­re­ri­schen Tä­tig­keit be­haup­tet, dass sie nutz­brin­gend für den Staat sei.

Hilfe: 

C.C.W. Tay­lor: So­kra­tes, Frei­burg 1999 

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Wei­ter zu Um­set­zungs­bei­spiel So­kra­tes