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Schaltungen aus Transistoren

Während auf einer herkömmlichen Festplatte die Bits in Form von orientierten Magnetfeldern vorliegen, werden sie für die Dauer ihrer Verarbeitung im Computer in Form von Potenzialwerten dargestellt. Nehmen wir vereinfachend an, dass die elektrischen Schaltungen einer Hauptplatine in einem PC vom Netzteil mit einer Spannung von 5 Volt versorgt werden. Dann können wir einem Potenzialwert dicht bei 0 Volt den logischen Wert „0“ (oder „False“) zuordnen und einem Potenzialwert dicht bei 5 Volt den logischen Wert „1“ (oder „True“). Man kann nun alle Werte zwischen 0 und 5 Volt mit Hilfe der folgenden einfachen Spannungsteiler-Schaltung herstellen:

Spannungsteilerschaltung (eigenes Werk)

Spannungsteilerschaltung

Je nach Wahl der Werte für die zwei Widerstände R1 und R2 erhält man bei Ua jeden gewünschten Potenzialwert zwischen 0 und 5 Volt. Ist R1 >> R2, dann liegt das Potenzial am Ausgang dicht bei 0 Volt, was wir als eine logische „0“ interpretieren wollen. Ist umgekehrt R1 << R2, dann liegt der Potenzial am Ausgang dicht bei 5 Volt (logische „1“).

Um zwischen diesen beiden Zuständen hin- und her zu schalten, ist es nun nicht unbedingt nötig, beide Widerstände zu verändern. Es genügt, R1 auf einen mittleren Wert einzustellen und dann dafür zu sorgen, dass R2 eine genügend große Variationsbandbreite hat, so dass die beiden Bedingungen „R1 << R2“ und „R1 >> R2“ erfüllt werden können. Dies kann man z.B. erreichen, indem man R2 durch einen NPN-Transistor ersetzt. (Das Akronym „NPN“ steht dabei für die Folge der dotierten Schichten des Transistors: N entspricht einer n-leitenden Silizium-Schicht, P einer p-dotierten.) Man erhält dann die folgende Schaltung:

steuerbare Spannungsteilerschaltung (eigenes Werk)

steuerbare Spannungsteilerschaltung

Zugegeben: der (bipolare) NPN-Transistor ist ein schrecklich kompliziertes Bauteil, das zwar im Mittelstufen-Physikunterricht behandelt, aber von vielen Schülern nicht tiefgehend verstanden wird. Darauf deutet schon die Tatsache hin, dass es sich hier um ein Bauelement mit drei(!) Anschlüssen handelt. Sie werden Basis (B), Emitter (E) und Kollektor (K) genannt. Glücklicherweise genügt für unsere Zwecke ein stark vereinfachtes funktionales Modell des Transistors, das sich auf die folgenden zwei Aussagen beschränkt:

  1. Die Basis-Emitter-Strecke wirkt wie eine Diode (welche wir uns durch den Pfeil angedeutet denken können). Dies bedeutet unter anderem, dass erst dann ein nennenswerter Strom in die Basis fließen kann, wenn die Potenzialdifferenz zwischen B und E größer als 0,5 Volt ist.
  2. Die Kollektor-Emitter-Strecke wirkt wie ein elektrisch steuerbarer Widerstand, dessen Wert umso kleiner ist, je größer das Potenzial der Basis ist. Speziell gilt: wenn die Potenzialdifferenz zwischen Basis und Emitter 0 V ist, dann ist der Widerstand zwischen Kollektor und Emitter riesengroß.

Das „NOT“-Gatter

Aus technischen Gründen schalten wir in der obigen Schaltung vor die Basis noch einen Widerstand, der dafür sorgt, dass der Basisstrom nicht zu groß wird.

NOT-Schaltung mit einem Transistor (eigenes Werk)

NOT-Schaltung mit einem Transistor

Diese Schaltung kann nun als Keimzelle für alle elementaren logischen Schaltungen dienen, wie wir später noch sehen werden. Sie hat die wichtige Eigenschaft, dass ihr Ausgangssignal (also das Potenzial von Ua) als Eingangssignal Ue für weitere solche Schaltungen dienen kann. Man kann also viele Exemplare solcher Schaltungen (und davon abgeleitete andere Schaltungen) kaskadieren.

Wie hängt nun das Ausgangssignal Ua dieser Schaltung vom Eingangssignal Ue ab? Wir schauen uns die wichtigsten beiden Fälle genauer an:

  1. Ist Ue dicht bei 0 Volt (konkret: Ue < 0,5V!), dann fließt kein Basisstrom durch die Basis-Emitter-Diode. Dadurch hat die Kollektor-Emitter-Strecke einen sehr hohen Widerstand und das Potenzial liegt Ua dicht bei 5 Volt.
  2. Ist umgekehrt das Potenzial von Ue dicht bei 5 Volt, dann fließt über den Widerstand R2 ein hinreichend großer Basisstrom in den Transistor, so dass seine Kollektor-Emitter-Strecke niederohmig wird. Das Potenzial von Ua sinkt bis dicht an 0 Volt ab.

Zum Schluss wollen wir die Potenziale noch in logische Werte übersetzen. Bezeichnen wir das Eingangssignal mit E und das Ausgangssignal mit A, dann erhalten wir für die Schaltung die folgende Wahrheitswert-Tabelle:

Wahrheitswerttabelle NOT-Schaltung

Das Ausgangssignal ist also immer das logische Gegenteil des Eingangssignals. Entsprechend nennt man diese Schaltung eine „Nicht“-Schaltung (auch „Inverter“) oder in feinstem „Denglisch“ eine „NOT“-Schaltung.

Die hier vorgestellte Technologie wurde im industriellen Maßstab umgesetzt und hat zu den logischen Bausteinen der legendären „74er“-Serie geführt. Dies ist eine große Palette von integrierten Schaltungen (kurz „ICs“), die elementare logische Schaltungen („Gatter“, wie z.B. unsere NOT-Schaltung) enthalten, aber auch komplexere Funktionseinheiten wie Speicher für viele Bits, komplette binäre Zähler und Rechner, Ansteuerungsschaltungen für einzelne Ziffern-Anzeigen oder auch ganze Displays. In diesen Logikschaltungen sind die aktiven Bauelemente tatsächlich bipolare Transistoren, und die Schaltungen folgen im Prinzip dem oben beschriebenen Design. Im Detail jedoch sind die Innenschaltbilder solcher integrierter Schaltungen ziemlich kompliziert. Das liegt daran, dass bei der Herstellung von ICs Widerstände sehr viel schwieriger zu realisieren sind als Transistoren. Daher werden statt der Widerstände meist Konstantstromquellen eingesetzt, die aus mehreren Transistoren aufgebaut sind.

MOS-Transistoren

Bipolare Transistoren sind nicht die einzigen Bauelemente, die sich als „elektrisch steuerbare Widerstände“ einsetzen lassen. Man kann auch Feldeffekt-Transistoren nehmen, von denen es allerdings eine verwirrende Vielfalt verschiedener Unterarten gibt. Für unsere Zwecke eignet sich besonders der N-MOS-FET (N-dotierter Metall-Oxid-Silizium-Feld-Effekt-Transistor) vom „Anreicherungs-Typ“. Unsere obige NOT-Schaltung könnte dann so aussehen:

NOT-Gatter mit einem Feldeffekttransistor (eigenes Werk)

NOT-Gatter mit einem Feldeffekttransistor

Die drei Anschlüsse von Feldeffekt-Transistoren heißen Source (S), Drain (D) und Gate (G). Vom Source- zum Drain-Anschluss führt intern ein Kanal aus n-leitendem Silizium. Das Gate umschließt diesen Kanal, ist aber gegen ihn elektrisch isoliert. Die Funktionsweise des Feldeffekt-Transistors ist noch einfacher zu beschreiben als die des bipolaren Transistors:

  1. Die Leitfähigkeit des Drain-Source-Kanals wird durch das Potenzial des Gates geregelt.
  2. Ist das Gate-Potenzial nahe 0 Volt, dann ist der Widerstand des Drain-Source-Kanals nahezu unendlich. Ist das Gate-Potenzial nahe +5 Volt, dann ist der Drain-Source-Widerstand (sehr) klein.

Die oben angeführte Vokabel „FET vom Anreicherungs-Typ“ bedeutet, dass bei diesem FET eine Erhöhung der Gate-Source-Spannung zu einer Vergrößerung der Ladungsträgerdichte im Drain-Source-Kanal führt, und damit zu einer Abnahme des Drain-Source-Widerstands. Im Schaltbild des MOS-FETs ist schon angedeutet, dass das Gate keine leitende Verbindung zum Drain-Source-Kanal hat. Daher fließt in den Gate-Anschluss beim Betrieb (nahezu) kein Strom hinein, womit auch der zuvor verwendete Basis-Widerstand R2 überflüssig wird.

Mit einem passenden N-MOS-Transistor funktioniert die obige Schaltung also als NOT-Schaltung, genau wie im vorigen Abschnitt die bipolare Variante. Für ihre Verwendung bei der Herstellung von ICs stört nur noch der Widerstand R1. Und diesen kann man nun durch einen geeigneten Transistor ersetzen:

So wie es bei den bipolaren Transistoren zu den NPN-Typen die komplementären PNP-Typen gibt, existiert auch zum N-MOS-FET ein komplementärer P-MOS-FET. Bei ihm ist der Drain-Source-Kanal aus p-leitendem Material, und er funktioniert in gewisser Weise antisymmetrisch zum N-MOS-FET:

  1. Die Leitfähigkeit des Drain-Source-Kanals wird durch das Potenzial des Gates geregelt.
  2. Ist das Gate-Potenzial nahe 0 Volt, dann ist der Widerstand des Drain-Source-Kanals (sehr) klein. Ist das Gate-Potenzial nahe +5 Volt, dann ist der Drain-Source-Widerstand nahezu unendlich.

Ersetzt man nun in der obigen Schaltung den Widerstand R1 durch einen solchen P-MOS-FET, dann erhält man die folgende Variante:

NOT-Schaltung mit CMOS-Technologie (eigenes Werk)

NOT-Schaltung mit CMOS-Technologie

Ist Ue dicht bei 0 Volt, dann ist wie zuvor der Drain-Source-Widerstand von T1 sehr groß. Hingegen ist dieser Widerstand in T2 sehr klein, weshalb das Potenzial am Ausgang Ua dicht bei 5 Volt liegt. Ist jedoch Ue dicht bei 5 Volt, dann leitet der Drain-Source-Kanal von T1 sehr gut, während der von T2 nahezu isoliert. Dies führt bei Ua zu einem Potenzial dicht bei 0 Volt. Mithin hat diese Schaltung genau dieselbe Wahrheitswert-Tabelle wie die bipolare NOT-Schaltung von oben:

Wahrheitswerttabelle NOT-Schaltung

Diese Schaltung ist ein Meisterwerk der Halbleiter-Technik. Sie ist eine außergewöhnlich sparsame Umsetzung unserer ursprünglichen Spannungsteiler-Schaltung in eine elektrisch steuerbare Variante. Darüber hinaus zeichnet sie sich (im statischen Betrieb) dadurch aus, dass in den Eingang kein nennenswerter Strom hinein fließt, während am Ausgang Ströme im mA-Bereich entnommen werden können. Dies führt dazu, dass ein Ausgang sehr viele Eingänge mit dem von ihm gelieferten Potenzial ansteuern kann. Und da von den beiden Transistoren in beiden Speicherzuständen stets einer gesperrt ist, fließt nahezu kein Strom durch die Schaltung: die Leistungsaufnahme eines integrierten NOT-Gatters liegt im Speichermodus bei 10 nW !

Wie wir später noch sehen werden, ist die NOT-Schaltung aus MOS-FETs eine Vorlage, aus der sich durch leichte Variationen Schaltungen für sämtliche elementaren logischen Verknüpfungen ableiten lassen. Nahezu die gesamte digitale Elektronik eines aktuellen „Motherboards“ ist in dieser „CMOS-Technik“ (Complementary Metall Oxide Silizium) oder daraus abgeleiteten Techniken implementiert.

 

 

Hintergrundinformationen: Herunterladen [odt][4 MB]

 

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