Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Prüfungsaufgabe

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Klausur Gott I : Thema Gott (Kursstufe)

Es ist der [der Philosoph] Immanuel Kant, der das Programm der Aufklärung in den ‚Wahlspruch‘: „sapere aude!“ fasst. Seine Übersetzung der antiken Formel lautet: „Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Demgegenüber fordert [der Theologe] Karl Rahner: „Habe Mut, allein zu sein.“

Es ist augenblicklich klar, dass hier keine Alternative zur Entscheidung steht. Einsamkeit und Selbstdenken schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Nur für jemanden, der seinen eigenen Kopf zu gebrauchen versteht, kann die Empfehlung zur radikalen Selbstbesinnung von Bedeutung sein. Ohne die Präsenz des eigenen Verstandes und ohne Interesse an der geistigen Eigenständigkeit hätte die Forderung, das Alleinsein zu wagen, keinen Sinn.

Man braucht aber nur die beiden Aufforderungen zum Mutigsein nebeneinander zu stellen, um zu erkennen, dass der Theologe mehr verlangt als der Philosoph. Er appelliert an das eigene Denken, um in ihm auf Distanz zur Welt zu seinesgleichen zu gehen. Er will einen Rückzug auf sich selbst, um sich von ihm aus eine Erfahrung zu erschließen, die durch nichts – außer durch den Rückzug selber – vorgegeben ist. Er erwartet, im radikal gewonnenen Abstand in die Nähe dessen zu kommen, der alles trägt.

Der Verstand, der in dieser Erwartung die Bedingungen setzt, das Verhalten anleitet und auch die weitreichende Hoffnung auf die Nähe zum Ganzen begründet, lenkt das Individuum bei vollem Bewusstsein auf seine existentiellen Bedingungen zurück. Dabei verlangt er am Ende, sogar das Denken hinter sich zu lassen, um sich dem zu öffnen, was nicht zu den erkennbaren Sachverhalten der Welt gehört. Im bewusst erfahrenen Alleinsein löst sich der Mensch von den endlichen Relationen der Welt, um für das offen zu sein, was alles Endliche – und damit auch alles Erkennbare – trägt. Im Bewusstsein der Ursachen und Gründe, die dem menschlichen Verstand entspringen, geht das Individuum in seinen existentiellen Grund zurück, um auch noch der Bedingung seines eigenen Verstandes innezuwerden.

Der Mut allein zu sein, zielt auf den Grund für alle denkbaren Gründe. Er wagt sich zu einer Bedingung vor, die nicht gewusst, wohl aber geglaubt werden kann. Also steht der aus der eigenen Existenz erschlossene Glaube dem Wissen nicht entgegen. Er sucht vielmehr nach einem Ich, Du und Welt umfassenden Grund, der allem Wissen vorausliegt.

Das aber heißt: Der Glaube trägt das Wissen. Er steht der logischen Ordnung unseres Bewusstseins nicht entgegen und kann ihm auch in der Sache nicht widersprechen. Folglich ist es ein gravierendes Missverständnis der Moderne, ihn „irrational“ zu nennen und in die Sphäre des bloßen Fühlens oder Meinens abzuschieben. Es ist auch nicht angemessen, ihn bloß „subjektiv“ zu nennen, wie es viele tun, die damit kokettieren, ihnen fehle die religiöse „Musikalität“.

Volker Gerhardt: Wissen und Glauben. Eine philosophische Weihnachtsbetrachtung. In: CiG 52/2004, S.429


Aufgabe 1:

Beantworte die folgenden Teilaufgaben durch die Wiedergabe wörtlicher Textpassagen aus dem vorliegenden Text oder durch die Wiedergabe von (selbst formulierten) Kurzantworten.

  1. Der „Wahlspruch“ der Aufklärung bezeichnet inhaltlich folgenden Sachverhalt: ______________________________________

  2. „Einsamkeit und Selbstdenken schließen sich nicht aus.“ (Z.6) Welche inhaltliche Vorstellung hat der Autor, wenn er den Begriff „Einsamkeit“ gebraucht? ______________________________________

  3. Wie begründet der Autor, dass der Theologe mehr verlangt als der Philosoph? Gib bei deiner Wiedergabe auch Belegstellen des Textes an! _______________________________________________

  4. Wie kann es gehen, dass der Mensch „in die Nähe dessen kommt, der alles trägt“ (Z.16)? Und: Welche philosophische Grundlage allen menschlichen Denkens formuliert V. Gerhardt daraufhin? _______________________________________________

  5. Auf welchen Begriff bringt der Autor die Suche des Menschen? _______________________________________________

  6. In welches Verhältnis stellt der Autor die beiden Erkenntnisweisen – Glaube und Wissen? _____________________________


Aufgabe 2:

Entfalte eine im Religionsunterricht behandelte Position einer Bestreitung Gottes und setze sie in Beziehung zu exemplarischen Gedanken von V. Gerhard, dass der Glaube „der logischen Ordnung unseres Bewusstseins nicht entgegen[steht]“ (Z.33-34).


Aufgabe 3:

Arbeite anhand der Selbstvorstellung Gottes in Ex 3 heraus, welche Bedeutung in diesem Namen für das Verständnis Gottes und sein Verhältnis zu den Menschen zum Ausdruck kommt. Setze Dich mit diesem Verständnis begründet auseinander.

Erwartungshorizont


Klausur Gott I: Herunterladen [pdf] [403 KB]