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Ma­te­ri­al 1-4

M 1: Ka­ri­ka­tur von Schar­wel („Ein Hoch auf das Job­wun­der Deutsch­land!“)

(Quel­le:http://​schwar­wel-​ka­ri­ka­tur.​com)

 

M 2: Struk­tur­po­li­tik

(Quel­le: Oec. Grund­la­gen der Öko­no­mie, hg. v. Hans Ka­min­ski, Braun­schweig 2012, S. 324)

 

M 3: Auf­ga­ben für die Grup­pen­ar­beit (vier Grup­pen)

  1. Ar­bei­ten Sie die zen­tra­len Aus­sa­gen des Ar­ti­kels (M 3a-d) her­aus.
  2. Über­prü­fen Sie mit­hil­fe von M 2, um wel­che Art von Struk­tur­wan­del es sich bei den be­schrie­be­nen Ver­än­de­run­gen han­delt.
  3. Be­rei­ten Sie sich in­ner­halb Ihrer Grup­pe auf eine Po­di­ums­dis­kus­si­on vor zum Thema: „Schö­ne neue Ar­beits­welt – Droht eine Po­la­ri­sie­rung der Ge­sell­schaft?“

M 3a

Geht uns die Ar­beit aus?

In wel­che Rich­tung der Struk­tur­wan­del die Er­werbs­tä­tig­keit in Zu­kunft be­ein­flusst, ist der­zeit Ge­gen­stand einer zum Teil auch kon­tro­ver­sen wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on. Die Ein­schät­zun­gen hier­zu be­we­gen sich zwi­schen den Fra­gen „Geht uns allen die Ar­beit aus?“ und „Wer­den ge­gen­wär­tig re­le­van­te Tä­tig­kei­ten le­dig­lich durch an­de­re Auf­ga­ben­pro­fi­le der Er­werbs­tä­ti­gen ab­ge­löst?“. Eine viel be­ach­te­te Stu­die von Frey/Os­bor­ne 2013 an der Uni­ver­si­tät Ox­ford über die Zu­kunft der Ar­beit kommt für die Ver­ei­nig­ten Staa­ten zu dem Schluss, dass in den kom­men­den Jahr­zehn­ten fast jeder zwei­te Beruf durch Ra­tio­na­li­sie­rung in­fra­ge ge­stellt wer­den wird. Nach Frey/Os­bor­ne ar­bei­te­ten zum Zeit­punkt der Ana­ly­se 47% der Be­schäf­tig­ten in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten in Be­ru­fen mit einer hohen zu­künf­ti­gen Au­to­ma­ti­sie­rungs­wahr­schein­lich­keit. Im in­halt­li­chen Fokus der Stu­die stand die Sub­sti­tu­ti­on von Be­ru­fen mit einem hohen An­teil von Rou­ti­ne­tä­tig­kei­ten durch Al­go­rith­men. Unter Ein­be­zug von Ex­per­ten­wis­sen wur­den Au­to­ma­ti­sie­rungs­wahr­schein­lich­kei­ten fest­ge­legt und Schluss­fol­ge­run­gen im Hin­blick dar­auf ge­zo­gen, wel­che Be­ru­fe mit hoher Au­to­ma­ti­sie­rungs­wahr­schein­lich­keit in Zu­kunft nicht mehr am Ar­beits­markt nach­ge­fragt sein könn­ten. Je­doch wurde die­ser An­satz auch kri­ti­siert, da er nicht zwi­schen ver­schie­de­nen Tä­tig­kei­ten in­ner­halb von Be­ru­fen dif­fe­ren­ziert und ge­samt­wirt­schaft­li­che Wech­sel­wir­kun­gen im Wirt­schafts­kreis­lauf außer Acht lässt. Das Zen­trum für Eu­ro­päi­sche Wirt­schafts­for­schung (ZEW) in Mann­heim führ­te im Jahr 2015 eine Stu­die ana­log zur Me­tho­de von Frey/Os­bor­ne an­hand der Klas­si­fi­ka­ti­on der Be­ru­fe 2010 der Bun­des­agen­tur für Ar­beit in einer ent­spre­chen­den Mo­dell­rech­nung durch. Dabei wurde zu­nächst er­mit­telt, dass in Deutsch­land 42% der Be­schäf­tig­ten in Deutsch­land in Be­ru­fen ar­bei­ten, für die eine hohe Au­to­ma­ti­sie­rungs­wahr­schein­lich­keit be­steht. In einem wei­te­ren Schritt wurde die pau­schal be­rufs­be­zo­ge­ne Per­spek­ti­ve von Frey/Os­bor­ne um eine Dif­fe­ren­zie­rung nach fach­li­chen Tä­tig­kei­ten er­wei­tert. Dabei wurde davon aus­ge­gan­gen, dass sich kom­ple­xe und in­ter­ak­ti­ve Tä­tig­kei­ten mit ge­rin­gen Au­to­ma­ti­sie­rungs­wahr­schein­lich­kei­ten in den meis­ten Be­ru­fen fin­den. Mit die­sem ver­än­der­ten An­satz ge­lang­te das ZEW zu der Ein­schät­zung, dass die Au­to­ma­ti­sie­rungs­wahr­schein­lich­keit von Ar­beits­plät­zen in Deutsch­land bei 12% und in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten bei 9% liegt. Damit scheint das Aus­maß mög­li­cher Ar­beits­marktef­fek­te durch die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on auf Grund­la­ge der tä­tig­keits­ba­sier­ten Be­trach­tung we­sent­lich ge­rin­ger aus­zu­fal­len im Ver­gleich zur rein be­rufs­ba­sier­ten Ein­schät­zung von Frey/Os­bor­ne. Um zu Ein­schät­zun­gen über die künf­ti­gen Ar­beits­marktef­fek­te von Di­gi­ta­li­sie­rung zu ge­lan­gen, müs­sen je­doch auch um­fas­sen­de­re öko­no­mi­sche Zu­sam­men­hän­ge be­trach­tet wer­den. So hängt die Vor­teil­haf­tig­keit der Sub­sti­tu­ti­on von mensch­li­cher Ar­beit durch Ma­schi­nen auch von der Ent­wick­lung der re­la­ti­ven Prei­se für Ar­beit (Löhne) und In­ves­ti­ti­ons­gü­ter ab. Tech­nik pro­du­zie­ren­de Sek­to­ren könn­ten zudem eine er­höh­te Ar­beits­nach­fra­ge auf­wei­sen und mög­li­che Nach­fra­ge­stei­ge­run­gen durch ra­tio­na­li­sie­rungs­in­du­zier­te Preis­sen­kun­gen könn­ten sogar einen Be­schäf­ti­gungs­auf­bau be­wir­ken. Nicht zu­letzt müs­sen auch An­nah­men über be­ruf­li­che Wei­ter­bil­dung und Um­ori­en­tie­rung der Er­werbs­tä­ti­gen mit­be­rück­sich­tigt wer­den.

© Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt (De­sta­tis), 2020

M 3b

Wei­ter­bil­dung 4.0

Die stür­mi­schen Ver­än­de­run­gen, die mit der di­gi­ta­len Trans­for­ma­ti­on ver­bun­den sind, füh­ren bei vie­len Men­schen zu Ab­stiegs­ängs­ten und Ver­un­si­che­run­gen. Zu­kunfts­ängs­te sind ein men­ta­ler Re­so­nanz­bo­den für Rechts­po­pu­lis­mus und ber­gen so­zia­len und po­li­ti­schen Spreng­stoff. Des­halb dür­fen die Be­trof­fe­nen die­sen Um­brü­chen nicht schutz­los aus­ge­lie­fert wer­den. Sie müs­sen sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass die Ge­sell­schaft sie durch ein so­li­da­risch or­ga­ni­sier­tes Wei­ter­bil­dungs­sys­tem darin un­ter­stützt, mit den tech­ni­schen und so­zia­len Ver­än­de­run­gen Schritt hal­ten und sich die not­wen­di­gen Qua­li­fi­ka­tio­nen und Kom­pe­ten­zen an­eig­nen zu kön­nen. Eine sys­te­ma­ti­sche und kon­ti­nu­ier­li­che Wei­ter­bil­dung könn­te zur ent­schei­den­den Vor­aus­set­zung für die er­folg­rei­che Be­wäl­ti­gung des di­gi­ta­len Wan­dels wer­den, und zwar so­wohl für den Ein­zel­nen im Hin­blick auf den Er­halt und die Wei­ter­ent­wick­lung der ei­ge­nen Be­schäf­ti­gungs­fä­hig­keit als auch für die Wirt­schaft zur De­ckung ihres Fach­kräf­te­be­darfs und schließ­lich für den Er­halt der Wett­be­werbs­fä­hig­keit Deutsch­lands. Sie darf daher nicht den Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern als quasi pri­va­te In­ves­ti­ti­on in den Er­halt der ei­ge­nen Er­werbs­chan­cen über­tra­gen wer­den. Auch be­trieb­li­che Wei­ter­bil­dung, die sich im Re­gel­fall auf An­pas­sungs­fort­bil­dun­gen an be­trieb­li­che Ent­wick­lun­gen be­schränkt, reicht nicht aus, um die­ser Her­aus­for­de­rung ge­recht zu wer­den. Wei­ter­bil­dung wird in ihrer Re­le­vanz künf­tig der Erst­aus­bil­dung nicht nach­ste­hen. Wäh­rend es in der Erst­aus­bil­dung je­doch be­reits klare Re­ge­lun­gen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten gibt, ist die Wei­ter­bil­dung der­zeit noch durch eine his­to­risch ge­wach­se­ne Struk­tur­lo­sig­keit ge­kenn­zeich­net. Wenn die Wei­ter­bil­dungs­be­tei­li­gung si­gni­fi­kant ge­stei­gert und le­bens­lan­ges Ler­nen zum selbst­ver­ständ­li­chen Be­stand­teil jeder Be­rufs­bio­gra­fie wer­den soll, muss die frag­men­tier­te Wei­ter­bil­dungs­land­schaft zu einer gleich­be­rech­tig­ten vier­ten Säule des Bil­dungs­sys­tems aus­ge­baut wer­den. […] Doch damit In­ter­es­sier­te diese An­ge­bo­te auch tat­säch­lich nut­zen kön­nen, muss der Le­bens­un­ter­halt wäh­rend der Qua­li­fi­zie­rung ge­si­chert sein. Dies wol­len wir durch die Ein­füh­rung einer Ar­beits­ver­si­che­rung er­rei­chen, die neben den un­mit­tel­ba­ren Kos­ten der Wei­ter­bil­dung auch Mit­tel für Lohn­er­satz­leis­tun­gen be­reit­stel­len würde. Damit sol­len die Hür­den für den Be­ginn einer in­di­vi­du­el­len be­ruf­li­chen Wei­ter­bil­dung ge­senkt und zu­sätz­li­che Zu­gän­ge er­öff­net wer­den. Um der ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung für Wei­ter­bil­dung ge­recht zu wer­den, soll die Ar­beits­ver­si­che­rung zur Hälf­te pa­ri­tä­tisch von Ar­beit­ge­ber/innen und Ar­beit­neh­mer/innen durch So­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und zur an­de­ren Hälf­te durch einen Steu­er­zu­schuss in der­sel­ben Höhe ge­speist wer­den. Eben­so wich­tig ist eine un­ab­hän­gi­ge, qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge und wohn­ort­na­he Wei­ter­bil­dungs­be­ra­tung. Da Wei­ter­bil­dung Teil der öf­fent­li­chen Ver­ant­wor­tung wer­den soll, muss der öf­fent­li­che Bil­dungs­auf­trag er­wei­tert wer­den. Er darf nicht mehr mit der Aus­bil­dung und damit mit dem Ju­gend­al­ter bzw. jun­gen Er­wach­se­nen­al­ter enden, denn künf­tig wird der Be­rufs- oder Stu­di­en­ab­schluss kein End­punkt, son­dern Aus­gangs­punkt für den wei­te­ren in­di­vi­du­el­len Bil­dungs­weg sein.

Wei­ter­bil­dung 4.0: So­li­da­ri­sche Lö­sun­gen für das le­bens­lan­ge Ler­nen im di­gi­ta­len Zeit­al­ter von Von Bri­git­te Poth­mer, Phil­ipp An­t­o­ny, Mecht­hild Bayer , Ute Brüm­mer, Mi­cha­el Heis­ter, Tho­mas Krup­pe und Wolf­gang Schro­eder [CC BY-NC-ND 4.0)], via https://​www.​boell.​de

M 3c

Au­to­mo­bil­in­dus­trie im Wan­del

Quel­le:http://​pu­bli­ca.​fraun­ho­fer.​de/​eprints/​urn_​nbn_​de_​0011-​n-​5313834.​pdf

M 3d

Mehr Wohl­stand oder mehr Un­gleich­heit?
Von Marie Rö­vekamp, via Ta­ges­spie­gel 14.02.2019

 

M 4: Die Er­werbs­ge­sell­schaft von mor­gen – wer pro­fi­tiert, wer ver­liert?

Po­li­ti­sche Fol­gen des Struk­tur­wan­dels
Von Phi­lip Manow
Der in Bre­men leh­ren­de Po­li­tik­wis­sen­schaft­ler Manow be­fasst sich in sei­nem Ar­ti­kel kri­tisch mit einem Be­griffs­paar, das auf den bri­ti­schen Jour­na­lis­ten David Good­hart zu­rück­geht und u. a. im Kon­text des Brex­it ent­stan­den ist.

Die po­li­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung ist of­fen­bar zu­neh­mend in „Ri­tua­len ge­gen­sei­ti­ger Ver­ächt­lich­ma­chung“ er­starrt. „Wir sind das Volk!“, rufen die einen. „‚Ihr seid das Pack!‘, ant­wor­tet das Es­ta­blish­ment“. So er­scheint am Be­fund zu­nächst wenig zwei­fel­haft, dass sich heute so in­ten­siv wie schon lange nicht mehr in den west­li­chen Ge­sell­schaf­ten po­li­ti­sche Grup­pen­iden­ti­tä­ten un­ver­söhn­lich ge­gen­über­ste­hen, dass es einen neuen Kul­tur­kampf gibt – etwa zwi­schen Stadt und Land, […] in Groß­bri­tan­ni­en zwi­schen den „Anyw­he­res“ der Lon­do­ner City und den „So­mew­he­res“ im Rest des Lan­des, die mit dem Brex­it-Votum vom Juni 2016 ihren Wunsch nach Zu­rücker­lan­gung na­tio­na­ler Kon­trol­le un­miss­ver­ständ­lich zum Aus­druck ge­bracht haben. Seit ei­ni­ger Zeit wird in der Li­te­ra­tur eine neue ge­sell­schaft­li­che Spal­tungs­li­nie dia­gnos­ti­ziert […]: Dem­zu­fol­ge steht auf der einen Seite eine Grup­pe, deren Iden­ti­tät wei­ter­hin eher lokal, re­gio­nal oder na­tio­nal de­fi­niert ist und die sich gegen Glo­ba­li­sie­rung, Mi­gra­ti­on und eine zu­neh­men­de Ver­la­ge­rung po­li­ti­scher Ent­schei­dun­gen auf su­pra­staat­li­che Ebene oder gegen deren De­le­ga­ti­on an völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge und in­ter­na­tio­na­le Han­dels­ab­kom­men wehrt [So­mew­he­res]. Auf der an­de­ren Seite steht eine hy­per­mo­bi­le Grup­pe von Pro­fi­teu­ren der Glo­ba­li­sie­rung, die sich über­all glei­cher­ma­ßen zu Hause füh­len. Letz­te­re ver­kör­pert ein Mi­lieu, das sich im hel­len Glanz sei­ner To­le­ranz und Welt­of­fen­heit sonnt, wäh­rend es ihm mit­hil­fe der zahl­rei­chen „Be­zahl­schran­ken“ des All­tags beim Woh­nen, Ar­bei­ten und Essen ge­lingt, sich fak­tisch nur in einem so­zi­al und kul­tu­rell hoch­gra­dig ho­mo­ge­nen Um­feld zu be­we­gen, so­dass die Schat­ten­sei­ten der Glo­ba­li­sie­rung und jeg­li­che mul­ti­kul­tu­rel­le Ir­ri­ta­ti­on ganz ver­läss­lich außen vor blei­ben [Anyw­he­res].

Auf­ga­be

  1. Er­läu­tern Sie aus der Per­spek­ti­ve un­ter­schied­li­cher Ak­teu­re, wie sich Struk­tur­wan­del auf die Ar­beits­welt aus­wirkt.
  2. Er­ör­tern Sie, in­wie­fern der Struk­tur­wan­del der Ar­beits­welt po­li­ti­sche Kon­flik­te ver­schärft.

 

Se­quenz 4: Schö­ne neue Ar­beits­welt: Her­un­ter­la­den [docx][260 KB]

 

Wei­ter zu Ma­te­ri­al 5-9