Aussagenlogik
Aussagen, Verknüpfungen und Wahrheitstafeln
In der Aussagenlogik versteht man unter einer Aussage einen sprachlichen oder formalen Ausdruck, dem man genau einen der beiden möglichen Wahrheitswerte (w: wahr, f: falsch) zuordnen kann.
Die Negation (Verneinung) einer Aussage a wird mit ¬a ("nicht" a) bezeichnet und kehrt den Wahrheitsgehalt der Aussage um: ¬a ist genau dann wahr, wenn a falsch ist und umgekehrt. Rechts ist die zugehörige Wahrheitstafel (Wahrheitswerttabelle) zu sehen.
Aussagen bezeichnet man mit Aussagevariablen wie z.B.
- Ich bin krank.
- Ich gehe zum Arzt.
- Der Arzt kommt zu mir.
Man unterscheidet zwischen elementaren (atomaren) und zusammengesetzten (verknüpften) Aussagen. Die Art der logischen Verknüpfung beschreibt man mit Operatoren (Junktoren), was hier nur für die vier grundlegenden Verknüpfungen ausgeführt werden soll:
Hinweis: Hier werden nicht die Aussagen verknüpft, sondern ihre Wahrheitswerte! Trotzdem spricht man anschaulich von der Verknüpfung von Aussagen. Mit Wahrheitstafeln lassen sich diese Verknüpfungen übersichtlich darstellen:
Auf der linken Seite (hier links vom Doppelstrich) gibt man die atomaren Aussagevariablen und alle möglichen Kombinationen ihrer Wahrheitswerte vor. Rechts werden dann in jeweils einer eigenen Spalte die Wahrheitswerte der betrachteten Aussagen eingetragen. Im Falle von zwei Variablen sind wie hier vier Zeilen nötig, mit jeder weiteren Variable verdoppelt sich die erforderliche Zeilenanzahl, bei n Variablen sind 2n Zeilen erforderlich.
Neben den oben aufgeführten Verknüpfungen können weitere eingebunden werden.
Eine Übersicht findet man in der Datei M9aug01a_16Verknuepfungen.odt.
Die Disjunktion – Hinweise zum ein- und ausschließenden "oder"
Neben den vier im Bildungsplan geforderten Verknüpfungen ist hier zusätzlich die Wahrheitstafel der Kontravalenz a ⊕ b aufgeführt, deren Behandlung für die Begriffsbildung zu den anderen Verknüpfungen vorteilhaft ist 2 .Einerseits kann sie als Negation der Bijunktion (bzw. der Äqivalenz) zu einer vertieften Durchdringung beitragen 3.Andererseits muss die Disjunktion ("a oder b") deutlich von der Kontravalenz ("entweder a oder b") abgegrenzt werden, da das Bindewort "oder" in der Umgangssprache sowohl in ein- als auch ausschließender Bedeutung verwendet wird:
Um der Mehrdeutigkeit zu begegenen, die im Alltag durch das Nebeneinander von ein- und ausschließendem "oder" besteht, wird die Disjunktion im Unterrichtsgang durch ihre Wahrheitstafel definiert, bevor die Unterschiede zur Kontravalenz aktiv thematisiert werden.
Die Subjunktion – Notwendige und hinreichende Bedingungen
Bei der Einführung der Bijunktion sind keine Probleme zu erwarten, da die SuS hier eine intuitive tragfähige Vorstellung der Gleichheit mitbringen. Bei der Subjunktion verhält sich das anders. Bei der Unterrichtsplanung muss berücksichtigt werden, dass die Definition der Subjunktion kontraintuitiv ist und sich die Zusammenhänge erst schrittweise erschließen lassen. Daher erfolgt die Einführung der Subjunktion in dieser Einheit auch nicht gleichzeitig mit den anderen Verknüpfungen, sondern erst in der dritten Stunde nach der Einführung von Konjunktion, Disjunktion und Bijunktion 4.
Aus der Wahrheitstafel entnimmt man, dass eine Subjunktion a → b nur genau dann falsch ist, wenn die Voraussetzung a wahr und die Behauptung b falsch ist. Diese Vorstellung liegt auch der Definition der Subjunktion in der Unterrichtseinheit zugrunde und spielt eine zentrale Rolle bei der Begriffsbildung.
Die Subjunktion a→b (im englischen Sprachraum auch a ⊃ b) wird als materiale Implikation oder Konditional bezeichnet. Falls die Aussage a → b wahr ist, dann ist die Wahrheit von a eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit von b. Dieser Zusammenhang lässt sich je nach Perspektive unterschiedlich formulieren 5
Formulierung | Beispiel "Nasse Straße" |
a ist hinreichend für b | Dass es regnet, ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass die Straße nass ist. |
schon wenn a gilt, dann gilt b | Schon wenn es regnet, ist die Straße nass. |
a setzt voraus, dass b gilt | Wenn es regnet, muss die Straße nass sein. |
b ist notwendig für a | Eine nasse (unüberdachte) Straße ist eine notwendige Bedingung dafür, dass es regnet. |
Nur wenn b, dann kann a gelten | Nur wenn die Straße nass ist, dann kann es regnen. |
wenn a, dann b | Wenn es regnet, ist die Straße nass. |
a impliziert b 6 | Regen impliziert Straßennässe |
Dass b genau dann notwendig für a ist, wenn a hinreichend für b ist, kann auf den ersten Blick überraschen, ist aber bei genauerer Betrachtung einleuchtend. Wenn a hinreichend für b ist, zieht die Wahrheit von a die Wahrheit von b nach sich. Daher kann a nicht eintreten, ohne dass b eintritt, die Wahrheit von b ist also „notwendig“ für die Wahrheit von a 7. Einerseits sollte im Unterricht an Alltagsbeispielen das Ausblenden kausaler und temporaler Zusammenhänge explizit thematisiert werden. Anderseits können innermathematische Beispiele hilfreich sein, um zentrale Ideen herauszuarbeiten.Dazu noch zwei Beispiele: 8
- "Dass eine Scheibe zerbricht, ist notwendig dafür, dass ich einen Stein hindurchwerfe"
Einen Stein durch eine Scheibe zu werfen ist hinreichend dafür, dass diese zerbricht, aber nicht notwendig, da sie auch aus anderen Gründen zerbrechen könnte. Andererseits ist es dafür, dass ich einen Stein durch die Scheibe werfe, notwendig, dass die Scheibe zerbricht.
Ich kann den Stein nicht durch die Scheibe werfen, ohne dass dies geschieht. - Die Teilbarkeit durch 6 ist hinreichend für die Teilbarkeit durch 3. Umgekehrt ist die Teilbarkeit durch 3 notwendig für die Teilbarkeit durch 6, aber nicht hinreichend.
"Wenn a, dann b" – mehrdeutige Formulierungen
In einer Subjunktion / einem Konditional nennt man a das Antezedens, b das Konsequens oder Sukzedens. Mit dem umgangssprachlichen „wenn … dann“ möchte man fast immer einen inhaltlichen (kausalen oder auch temporalen) Zusammenhang zwischen Antezedens und Konsequens ausdrücken. Dies wird auch am Eingangsbeispiel deutlich: Regen verursacht Straßennässe, erst fällt der Regen, dann wird die Straße nass. Wenn SuS die hinreichende Bedingung falsch verstehen und einen kausalen oder temporären Zusammenhang sehen, dann ist es klar, dass die umgekehrte Richtung „Nur wenn die Straße nass ist, dann kann es regnen“ Probleme bereiten kann. Die Subjunktion (oder materiale Implikation) besagt aber letztlich nur: "Wenn die Aussage a wahr ist, dann ist auch die Aussage b wahr" – ohne kausale oder temporale Zusammenhänge.
Die Formulierung "Wenn a, dann b“ ist also ungünstig, da sie im Deutschen mehrdeutig ist. Sie wird umgangssprachlich nicht für materiale (wahrheitsfunktionale), sondern mehrheitlich für inhaltliche (kausale oder zeitliche) Zusammenhänge verwendet. Zwischen der materialen Implikation und dem umgangssprachlichen „wenn …, dann ...“ muss daher im Unterricht genau unterschieden werden. Dazu sollte man die oben aufgeführten Formulierungen häufiger wechseln, um Missverständnisse zu vermeiden, die aus den vielen Bedeutungen des deutschen „wenn …, dann …“ resultieren können.
Kenneth H. Rosen bringt außerdem noch die Sichtweise eines "Vertrages" ins Spiel, um hilfreiche Vorstellungen zur Subjunktion zu motivieren, indem man den konditionalen Charakter einer Aussage betont 9 . Als Beispiel führt er die Aussage eines Politikers an, der im Wahlkampf verspricht: "Wenn ich gewählt werde, dann werde ich die Steuern senken."
Stellt man sich diese Aussage im Kontext eines bindenden Vertrages vor, so werden die Wähler nur dann erwarten, dass der Politiker die Steuern senkt, wenn er gewählt wird. Seine Aussage wird nur dann falsch, wenn er gewählt würde und die Steuern nicht senken würde.
Implikation und Äquivalenz als Tautologien
In der Aussagenalgebra werden verknüpfte Aussagen auf Allgemeingültigkeit untersucht. Aussagenlogische Terme wie z.B. (p ∨¬p) , die für jede mögliche Einsetzung von Wahrheitswerten wahr sind, nennt man allgemeingültig und bezeichnet sie als Tautologien.
Hierzu zwei Beispiele10 .
Mithilfe von Wahrheitstafeln werden alle möglichen Fälle (Kombinationen der Wahrheitswerte der Variablen) durchgespielt, um wie hier die Allgemeingültigkeit einer Aussage nachzuweisen.
An den Beispielen wird gleichzeitig der Unterschied zwischen Subjunktion und Implikation sowie Bijunktion und Äquivalenz deutlich:
Wenn eine Bijunktion allgemeingültig ist, dann spricht man von einer Äquivalenz und verwendet als Symbol das Zeichen "⇔". Eine allgemeingültige Subjunktion wird als Implikation bezeichnet und formal mit dem Symbol "⇒" ausgedrückt.
Diese Sichtweise liegt dem Bildungsplan und damit auch dieser Einheit zugrunde. Einige Autoren sind anderer Auffassung und unterscheiden nicht mehr zwischen Subjunktion und Implikation. Daher ist die Verwendung der Symbole für die Junktoren auch nicht einheitlich.
Eine Implikation oder Äquivalenz kann dann eben auch falsch sein und ist nicht per se allgemeingültig. Welche Defintion der Implikation bzw. Äquivalenz zugrundegelegt wurde, ergibt sich dann meistens direkt aus dem Zusammenhang.
Dieser Unterschied ist auch der Grund dafür, dass beim vorliegenden Umsetzungsvorschlag der Begriff "Bijunktion" eingeführt wird, obwohl er im Bildungsplan nicht vorgesehen ist. Da die Subjunktion als "aktiver" Fachbegriff gekennzeichnet ist und sich daraus zwangsläufig die Abgrenzung zur Implikation ergibt, sollte konsequenterweise auch die Bijunktion von der Äquivalenz abgegrenzt werden.
Boolesche Algebren
Die auffallende Gleichartigkeit so verschiedener Verknüpfungsgebilde wie Aussagenalgebra, Mengenalgebra oder Schaltalgebra führen zu einem gemeinsamen übergeordneten mathematischen Gebilde, das Boolesche Algebra bzw. Boolescher Verband genannt wird. Ein Boolescher Verband (B,+, ·,¬) ist eine abstrakte Struktur, bei der auf einer Trägermenge B zwei zweistellige Verknüpfungen "+" und "·" mit vorgegebenen Eigenschaften und eine einstellige Verknüpfung "¬" definiert sind.
Als Symbol für die Negation wird neben dem Zeichen "¬" oft auch der Überstrich "¯ " verwendet. Für die zweistelligen Verknüpfungen werden häufig die gleichen Symbole "+" und "·" wie in unserer gewohnten Rechenalgebra verwendet, ihnen werden aber bei der Booleschen Algebra keine der möglichen Bedeutungen – logischer, mathematischer oder realer Art – zugeschrieben, sie werden bedeutungsfrei verwendet:
Aussagenalgebra, Mengenalgebra oder Schaltalgebra sind konkrete Interpretationen bzw. Modelle der Booleschen Algebra. Zunächst soll allgemein definiert werden, was man unter der Booleschen Algebra (B,+, ·,¬ ) versteht, bevor im übernächsten Abschnitt auf die spezielle Boolesche Algebra über der Trägermenge B={0,1} eingegangen wird.
Fußnoten
1 Synonym zum Begriff Kontravalenz werden auch folgende Bezeichnungen verwendet: "ausschließendes Oder", "ausschließende Disjunktion" (auch vollständige oder antivalente Disjunktion), "Bisubtraktion", "Antivalenz", "kontradiktorischer Gegensatz", "Kontrajunktion" oder "Alternation", vgl. Vgl. Wikipedia: Artikel "Kontravalenz", URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Kontravalenz (abgerufen am 17.3.2019).
2 Die Bedeutung der Kontravalenz in der Logik ist eher gering. In der Schaltalgebra hat sie als XOR-Verknüpfung hingegen große Bedeutung. Im Unterrichtsgang wird daher das Junktorsymbol "⊕" nicht eingeführt und nur auf das Logikgatter "XOR" hingewiesen. Es gibt aber auch (v.a. im engl. Sprachraum) aussagenlogische Konzepte, bei denen die Kontravalenz von Beginn an mit einem eigenen Junktorsymbol eingebunden wird, vgl. [ROS], S. 6/7
3 Zahlreiche Anregungen hierzu findet man in der Beschreibung des Unterrichtsganges.
4 Ein mögliches Vorgehen ist in der Datei M9aug02_unterrichtsverlauf.odt ausführlich beschrieben.
5 Vgl. Wikipedia: Seite „Aussagenlogik", URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Aussagenlogik (abgerufen: 15.03.2019)
6 Hinweise zum Unterschied zwischen Subjunktion und Implikation folgen im übernächsten Abschnitt.
7 Vgl. wikipedia, Erläuterungen auf der Seite "Aussagenlogik", abgerufen am 15.3.2019), URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Aussagenlogik#Hinreichende_und_notwendige_Bedingung (abgerufen: 15.3.2019).
8 Vgl. [AHR], S. 23
9 Vgl. [ROS], S.6, 7
10 aus den Unterrichtsmaterialien, vgl. Datei M9aug03_sub_imp.odt, Aufgabe 4.
Hintergrund: Herunterladen [odt][601 KB]
Hintergrund: Herunterladen [pdf][698 KB]
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