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Das dia­gnos­ti­sche Ur­teil

Be­griff:

Das dia­gnos­ti­sche Ur­teil soll eine mög­lichst große Güte auf­wei­sen, d. h. die Kri­te­ri­en der Ob­jek­ti­vi­tät, der Re­lia­bi­li­tät und der Va­li­di­tät müs­sen be­rück­sich­tigt wer­den. Auch des­halb muss sich eine Dia­gno­se immer auf ein be­stimm­tes Kri­te­ri­um oder eine be­stimm­te Fra­ge­stel­lung be­zie­hen und kann nicht eine bloße Samm­lung von spon­ta­nen Ein­drü­cken sein. Selbst­ver­ständ­lich kön­nen an eine Dia­gno­se im Schul­all­tag nicht die glei­chen An­for­de­run­gen der Ob­jek­ti­vi­tät, Re­lia­bi­li­tät und Va­li­di­tät ge­stellt wer­den, wie an wis­sen­schaft­lich er­ar­bei­te­te Tests. Den­noch muss die Lehr­kraft auch bei Dia­gno­sen im Schul­all­tag diese Gü­te­kri­te­ri­en einer Dia­gno­se be­rück­sich­ti­gen, z. B. in der Form, dass ein zu be­ob­ach­ten­des Kri­te­ri­um be­wusst aus­ge­wählt und die Er­geb­nis­se fest­ge­hal­ten wer­den. (vgl. ISB 2008, S.6)

Ein dia­gnos­ti­sches Ur­teil kann in ver­schie­de­nen For­men do­ku­men­tiert wer­den, so z. B. als:

  • Leis­tungs­be­schrei­bung in Form von Zeug­nis­sen oder Lern­ent­wick­lungs­be­rich­ten
  • Ver­hal­tens­be­schrei­bung in Form von Dia­gno­se­bö­gen oder Be­rich­ten

Das dia­gnos­ti­sche Ur­teil ist Be­stand­teil und Grund­la­ge für einen För­der­plan. Im An­schluss an das dia­gnos­ti­sche Ur­teil gibt die Lehr­kraft der Schü­le­rin oder dem Schü­ler eine ent­spre­chen­de Rück­mel­dung, im Rah­men der För­der­dia­gnos­tik fin­det ein Dia­gno­se­ge­spräch mit der be­tref­fen­den Schü­le­rin / dem be­tref­fen­den Schü­ler oder der Schü­ler­grup­pe statt. Dabei ist zu über­le­gen, wel­che wei­te­ren Per­so­nen am Dia­gno­se­ge­spräch zu be­tei­li­gen sind ( z. B. El­tern, Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen). Die dabei for­mu­lier­ten Ziele bil­den die Schnitt­stel­le zu in­di­vi­du­el­len För­der­maß­nah­men (vgl. ISB 2008, S. 21)

Gü­te­kri­te­ri­en bei dia­gnos­ti­schen Ur­tei­len:

Ob­jek­ti­vi­tät: Ist das Mess­er­geb­nis un­ab­hän­gig von der mes­sen­den Per­son? Kom­men z. B. ver­schie­de­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen zum glei­chen Mess­er­geb­nis?

Re­lia­bi­li­tät (Zu­ver­läs­sig­keit): Ist die Leis­tung durch Mess­feh­ler ver­fälscht? Mes­sen die Be­ur­tei­lungs­kri­te­ri­en und –ver­fah­ren tat­säch­lich die zu be­ur­tei­len­den Merk­ma­le? Ist die Merk­mals­aus­prä­gung zu ver­schie­de­nen Zeit­punk­ten gleich­ar­tig zu bo­b­ach­ten?

Va­li­di­tät (Gül­tig­keit): Wird tat­säch­lich das ge­mes­sen, was man mes­sen will? Be­zieht sich das Ur­teil tat­säch­lich auf die Leis­tung, die ge­mes­sen wer­den soll­te? Um die Va­li­di­tät zu er­hö­hen, kann eine Lehr­kraft die Be­wer­tungs­kri­te­ri­en für ein Merk­mal im Ge­spräch mit den Schü­lern er­ar­bei­ten (kom­mu­ni­ka­ti­ve Va­li­die­rung). (vgl. Pa­ra­dies/Sor­ren­ti­no/Gre­ving 2009, S. 104 – 106)

Feh­ler­quel­len bei der Be­ur­tei­lung:

So­ge­nann­te sub­jek­ti­ve Ur­teils­ten­den­zen oder Feh­ler­quel­len bei der Be­ur­tei­lung ver­zer­ren das dia­gnos­ti­sche Ur­teil. Des­halb soll­ten diese Feh­ler­quel­len der Lehr­kraft von An­fang an be­wusst sein, so dass sie diese mög­lichst ver­mei­den kann. Fol­gen­de Feh­ler tre­ten häu­fig auf:

Sub­jek­ti­ve Fak­to­ren und Zu­satz­in­for­ma­tio­nen: Die ei­ge­nen Er­fah­run­gen, Werte, Hal­tun­gen, In­ter­es­sen und Vor­lie­ben füh­ren dazu, dass eine Merk­mals­aus­prä­gung von einer Lehr­kraft an­ders be­ur­teilt wird als von einer an­de­ren Lehr­kraft. Au­ßer­dem kön­nen Zu­satz­in­for­ma­tio­nen dazu füh­ren, dass ein Ur­teil z. B. ab­ge­mil­dert wird.

Halo-Ef­fekt und Lo­gi­sche Feh­ler: Aus­ge­hend von einem her­vor­ste­chen­den Merk­mal oder einem all­ge­mei­nen Ein­druck wird auf eine an­de­re Merk­mals­aus­prä­gung ge­schlos­sen. Z. B. wer­den sau­ber ge­schrie­be­ne Auf­ga­ben auch in­halt­lich bes­ser be­wer­tet, als sie ei­gent­lich sind.

Ten­denz­feh­ler und Milde-/Stren­ge­feh­ler (Ten­denz zur Mitte oder zu ex­tre­men Ur­tei­len): Ent­we­der be­ur­teilt eine Lehr­kraft streng und hat die Nei­gung, klei­ne Män­gel stark zu ge­wich­ten und eher schlech­te Be­ur­tei­lun­gen ab­zu­ge­ben, oder die Lehr­kraft be­ur­teilt die Merk­mals­aus­prä­gung po­si­ti­ver als sie ei­gent­lich ist. Auch könn­te es sein, dass eine Lehr­kraft ex­tre­me Ur­tei­le scheut und in der Regel im mitt­le­ren Be­reich be­ur­teilt.

Rei­hungs­feh­ler: Er­fol­gen meh­re­re Ur­tei­le nach­ein­an­der, kann sich der Maß­stab der Be­ur­tei­lung im Ver­lauf des Be­ur­tei­lungs­vor­gangs ver­än­dern. So wird z. B. eine gute Leis­tung oft bes­ser be­ur­teilt, wenn die­ser eine eher schlech­te Be­ur­tei­lung vor­an­ging. (vgl. Pa­ra­dies/Lin­ser/Gre­ving 2009, S. 18)

Li­te­ra­tur:

  • Helm­ke, An­dre­as (2009): Un­ter­richts­qua­li­tät und Leh­rer­pro­fes­sio­na­li­tät, Klett Kall­mey­er
  • Pa­ra­dies, Liane, Lin­ser, Hans-Jür­gen, Gre­ving, Jo­han­nes (2009): Dia­gnos­ti­zie­ren, For­dern und För­dern, Cor­nel­sen Scrip­tor
  • Pa­ra­dies, Liane, Sor­ren­ti­no, Wencke, Gre­ving, Jo­han­nes (2009): 99 Tipps In­di­vi­du­el­les För­dern, Cor­nel­sen Scrip­tor
  • ISB Staats­in­sti­tut für Schul­qua­li­tät und Bil­dungs­for­schung Mün­chen (2008): Päd­ago­gisch dia­gnos­ti­zie­ren im Schul­all­tag

Das dia­gnos­ti­sche Ur­teil: Her­un­ter­la­den [PDF] [97 KB]