Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Boo­le­sche Al­ge­bren

All­ge­mei­ne Boo­le­sche Al­ge­bra

Eine Boo­le­sche Al­ge­bra kann auf viel­fa­che Art und Weise axio­ma­ti­siert wer­den. Den bes­ten Über­blick lie­fert zu­nächst das red­un­dan­te Axio­men­sys­tem von Gui­sep­pe Peano. Es cha­rak­te­ri­siert eine Boo­le­sche Al­ge­bra als Menge mit Nul­l­ele­ment 0 und Eins­ele­ment 1, auf der die zwei­stel­li­gen Ver­knüp­fun­gen ∧ und ∨ und eine ein­stel­li­ge Ver­knüp­fung ¬  de­fi­niert sind, durch fol­gen­de Axio­me (Num­me­rie­rung un­ter­schei­det sich von der Pea­nos): 11

Beschreibung

Bild­quel­le: ZPG IMP [CC BY-SA 3.0 DE]

Die hier ver­wen­de­te Sym­bo­lik wurde auch der Un­ter­richts­ein­heit zu­grun­de ge­legt. Auf ver­schie­de­ne Schreib­wei­sen wird am Ende von Ka­pi­tel 1 ein­ge­gan­gen.

Ein re­du­zier­tes Axio­men­sys­tem er­hält man bei­spiels­wei­se mit (1)-(6) und (1´)-(6´), die rest­li­chen Ge­set­ze kön­nen dann her­ge­lei­tet wer­den.12  Man kann nach­wei­sen, dass sich dann auch die As­so­zia­tiv­ge­set­ze (2) und die Ab­sorp­ti­ons­ge­set­ze (3) aus den üb­ri­gen Axio­men fol­gern las­sen. 13Damit ge­langt man zur kom­pak­te­ren De­fi­ni­ti­on der Boo­le­schen Al­ge­bra nach Hun­ting­ton.14 Mit den Axio­men zur Kom­mu­ta­ti­vi­tät (1) und (1´), zur Dis­tri­bu­ti­vi­tät (4) und (4´), zur Exis­tenz der Kom­ple­men­te (5) und (5´) und zur Exis­tenz der neu­tra­len Ele­men­te (6) und (6´) ist die Boo­le­sche Al­ge­bra be­reits voll­stän­dig fest­ge­legt.
Die Boo­le­sche Al­ge­bra kann an­de­rer­seits auch als dis­tri­bu­ti­ver kom­ple­men­tä­rer Ver­band de­fi­niert wer­den, wenn man die Kom­mu­ta­ti­vi­tät (1) und (1´), die As­so­zia­ti­vi­tät (2) und (2´), die Ab­sorp­tionei­gen­schaft (3) und (3´), eines der Dis­tri­bu­tiv­ge­set­ze (4) oder (4´) und die Exis­tenz der Kom­ple­men­te (5) und (5´) for­dert.  

Das Dua­li­täts­prin­zip

Be­trach­tet man die in der Boo­le­schen Al­ge­bra gel­ten­den Ge­set­ze (1)-(11) und (1´)-(11´) näher, so fällt auf, dass die je­weils ne­ben­ein­an­der ste­hen­den Ge­set­ze aus­ein­an­der her­vor­ge­hen, wenn man die Sym­bo­le ∧ und ∨sowie 1 und 0 ver­tauscht. Aus die­ser Sym­me­trie folgt, dass man diese Ver­tau­schun­gen auch bei allen Fol­ge­run­gen aus die­sen Ge­set­zen durch­füh­ren darf. Diese weit­rei­chen­de Ei­gen­schaft der Boo­le­schen Al­ge­bra nennt man Dua­li­tät: Zu jedem Satz exis­tiert ein dua­ler Satz, der durch die oben be­schrie­be­nen Ver­tau­schun­gen ent­steht.
Zwei be­kann­te duale Sätze sind bei­spiels­wei­se die bei­den Re­geln von De Mor­gan:

Beschreibung

Bild­quel­le: ZPG IMP [CC BY-SA 3.0 DE]

In­ter­pre­ta­ti­on als Men­ge­nal­ge­bra

Weit­rei­chen­de Be­deu­tung für die schu­li­sche Um­set­zung hat der Satz von Stone:  

"Zu jeder end­li­chen Boo­le­schen Al­ge­bra (B,⊔,⊓, ¯ ) gibt es eine Men­ge­nal­ge­bra (P(M),∪,∩, ¯ ), so dass beide al­ge­brai­schen Struk­tu­ren zu­ein­an­der iso­morph sind."15

P(M) be­zeich­net hier die Po­tenz­men­ge der be­trach­te­ten Menge M, also die Menge aller mög­li­chen Teil­men­gen von M. Be­sitzt die Menge M  n Ele­men­te, so be­sitzt ihre Po­tenz­men­ge P(M) be­kannt­lich 2n Ele­men­te. Mit dem Satz von Stone kann man dar­aus di­rekt fol­gern, dass jede end­li­che Boo­le­sche Al­ge­bra 2n  Ele­men­te be­sit­zen muss.16  Die­ser Zu­sam­men­hang wird im fol­gen­den Ab­schnitt am Bei­spiel von Tei­ler­men­gen ver­deut­licht.

Der Satz von Stone si­chert die Iso­mor­phie jeder end­li­chen Boo­le­schen Al­ge­bra zu einer ent­spre­chen­den Men­ge­nal­ge­bra und lie­fert so die Basis für die Vi­sua­li­sie­rung Boo­le­scher Al­ge­bren im Kon­text der Men­ge­nal­ge­bra. Venn-Dia­gram­me sind dabei letz­ten Endes eine wei­te­re (vi­su­el­le) In­ter­pre­ta­ti­on der Boo­le­schen Al­ge­bra als Punkt­men­gen­be­zie­hun­gen in der Ebene mit Ver­ei­ni­gung, Durch­schnitt und Kom­ple­ment­bil­dung als Ver­knüp­fun­gen.  

In­ter­pre­ta­ti­on als Tei­leral­ge­bra

Eine Ver­net­zung mit der Teil­bar­keits­leh­re bie­tet sich eben­falls an. Sie fußt auf dem Satz:

"Zu jeder end­li­chen Boo­le­schen Al­ge­bra (B,⊔,⊓, ¯) gibt es eine Tei­leral­ge­bra (T(n),kgV,ggT, ¯ ) mit einer ge­eig­net ge­wähl­ten Zahl n, so dass beide al­ge­brai­schen Struk­tu­ren zu­ein­an­der iso­morph sind."17

T(n) be­zeich­net hier die Tei­ler­men­ge der ge­eig­net zu wäh­len­den Zahl n.

Wie man n ge­eig­net wählt, soll an zwei Bei­spie­len ver­deut­licht wer­den.

Beschreibung

Bild­quel­le: ZPG IMP [CC BY-SA 3.0 DE] Bei­spiel 1: Tei­leral­ge­bra zu T6

(B,+,·, ¯ )=(T6,+,·, ¯) mit der Tei­ler­men­ge T6={1,2,3,6} als Trä­ger­men­ge und den ne­ben­ste­hen­den Ver­knüp­fungs­ta­feln ist eine end­li­che Boo­le­sche Al­ge­bra.
Die Ver­knüp­fungs­sym­bo­le "+" und "·" wer­den dabei als das kleins­te ge­mein­sa­me Viel­fa­che (kgV) und der größ­te ge­mein­sa­me Tei­ler (ggT) von je zwei Ele­men­ten der Trä­ger­men­ge ge­deu­tet.

Die ge­for­der­ten Ge­set­ze las­sen sich leicht nach­prü­fen:
(1) und (1´): Auf­grund der Sym­me­trie der Ver­knüp­fungs­ta­feln gilt die Kom­mu­ta­ti­vi­tät.
(4) und (4´): Die Dis­tri­bu­tiv­ge­set­ze las­sen sich durch Ein­set­zen nach­wei­sen.
(5) und (5´): Zu jedem a ϵ T6 gibt es den Kom­ple­men­tär­tei­ler a mit a+a=6 und a·a=1.
(6) und (6´): Die neu­tra­len Ele­men­te sind 1 und 6, für jedes aϵT6 gilt: a+1=a und a·6=a

Die dabei zu­grun­de­lie­gen­de Menge M={2,3} be­steht aus zwei Ele­men­ten (die „ers­ten bei­den“ Prim­zah­len). Ihre Po­tenz­men­ge P(M) ent­hält 22=4 Ele­men­te und ent­spricht T6 , die als Trä­ger­men­ge die­ser Boo­le­schen Al­ge­bra ge­wählt wurde.

{p1,p2}

kgV(2,3)=6

{6}

Grund­men­ge M={2,3}
 

Trä­ger­men­ge:
T6 = {1,2,3,6}

{p2}

kgV(1,3)=3

{3}

{p1}

kgV(1,2)=2

{2}

{ }

1

{1}

Hin­wei­se: Man hätte auch an­de­re Prim­zah­len wäh­len kön­nen, z.B. wür­den 7 und 13 zu T91 füh­ren und (T91,+,·,¯) wäre eben­falls eine Boo­le­sche Al­ge­bra. Um die Art der Ver­knüp­fun­gen deut­lich zu ma­chen, kann man diese auch gleich di­rekt an­ge­ben: (B,+,·, ¯)=(T91,kgV,ggT, ¯). 

Bei­spiel 2: (B,+,·,¯)=(T30,kgV,ggT, ¯) mit T30={1,2,3,5,6,10,15,30}

Zur Kon­struk­ti­on einer ge­eig­ne­ten Tei­leral­ge­bra kann man nun um­ge­kehrt vor­ge­hen. Man wählt sich z.B. als Grund­men­ge M={2,3,5} und ge­langt über das Pro­dukt 2·3·5=30 zur Trä­ger­men­ge T30, die die wei­ter unten auf­ge­führ­ten 23=8 Ele­men­te be­sitzt.
Die Ver­knüp­fungs­ta­feln er­ge­ben sich dann wie folgt:

Beschreibung

Bild­quel­le: ZPG IMP [CC BY-SA 3.0 DE]

Die Po­tenz­men­ge P(M) der Menge M={p1,p2,p3}={2,3,5} ist äqui­va­lent zur Trä­ger­men­ge
B={ { },{p1},{p2},{p3},{p1,p2},{p1,p3},{p2,p3},{p1,p2,p3} } mit den Ele­men­ten:

Beschreibung

Bild­quel­le: ZPG IMP [CC BY-SA 3.0 DE]

Will man eine Tei­leral­ge­bra mit 16 Ele­men­ten kon­stru­ie­ren, so kann man das Pro­dukt von vier be­lie­bi­gen Prim­zah­len be­rech­nen, z.B. 2·5·7·11=770 und  hätte in der zu­ge­hö­ri­gen Tei­ler­men­ge T770 eine pas­sen­de Trä­ger­men­ge ge­fun­den.18

Be­mer­kun­gen zu Tei­leral­ge­bren:  

  1. Man muss die Zahl n also so wäh­len, dass ihre Prim­fak­tor­zer­le­gung nur ein­fa­che Prim­fak­to­ren ent­hält. Nur eine Grund­men­ge, die aus paar­wei­se ver­schie­de­nen Prim­zah­len be­steht, führt zu einer ge­eig­ne­ten Trä­ger­men­ge.
  2. Tei­ler­men­gen eig­nen sich bes­tens für die Ver­net­zung der Boo­le­schen Al­ge­bra und der Teil­bar­keits­leh­re. Er­gän­zend wäre auch hier wie be­reits in Klas­se 8 der  Brü­cken­schlag zu Teil­er­gra­phen mög­lich (vgl. Hasse-Dia­gram­me).19
  3. Die Teil­men­gen­re­la­ti­on der Men­ge­nal­ge­bra ("A ist Teil­men­ge von B") ent­spricht bei einer Tei­leral­ge­bra der Re­la­ti­on "a ist Tei­ler von b". So ist bei­spiels­wei­se bei der oben be­trach­te­ten Tei­leral­ge­bra mit T30 die Zahl 2 Tei­ler der Zahl 10. In der zu­ge­hö­ri­gen Men­ge­nal­ge­bra ist in Ana­lo­gie hier­zu die Menge {p1} Teil­men­ge der Menge {p1,p3}. 
  4. Hin­weis zur An­zahl der Ele­men­te einer Boo­le­schen Al­ge­bra:
    Eine Boo­le­sche Al­ge­bra (ge­nau­er: ihre Trä­ger­men­ge) be­sitzt 2n Ele­men­te, wobei n die na­tür­li­che An­zahl der Ele­men­te der zu­grun­de­lie­gen­den Menge an­gibt. 

Viele Au­to­ren fas­sen den Be­griff der Boo­le­schen Al­ge­bra aber enger und ver­ste­hen dar­un­ter nur die bool­sche Struk­tur mit der Trä­ger­men­ge B={0,1}, die nun im Mit­tel­punkt ste­hen soll.

 

11 Hier wurde die Rei­hen­fol­ge aus [ARZ], S. 28 ge­wählt.

12 Vgl. [LES], S. 82

13 Vgl. [LES], S. 93-95 "Zur Ab­hän­gig­keit von Grund­ge­set­zen der Boo­le­schen Al­ge­bra"
oder auch [ARZ], S. 39ff zur De­fi­ni­ti­on eines Boo­le­schen Ver­ban­des und Her­lei­tung wei­te­rer Ge­set­ze. 14 Vgl. Wi­ki­pe­dia: Ar­ti­kel "Boo­le­sche Al­ge­bra" unter https://​de.​wi­ki­pe­dia.​org/​wiki/​Boo­le­sche_​Al­ge­bra (zu­letzt ab­ge­ru­fen am 9.3.2019).

15 Vgl. [LES], S. 110

16 a.a.O.

17 Be­weis vgl. [LES], S. 105

18 Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zu den Bei­spie­len und Tei­leral­ge­bren fin­det man in [ARZ], S.39 und [LES], S. 97 ff.

19 Hin­wei­se dazu z.B. in [ARZ], S. 82ff

 

Hin­ter­grund: Her­un­ter­la­den [odt][601 KB]

Hin­ter­grund: Her­un­ter­la­den [pdf][698 KB]

 

Wei­ter zu Boo­le­sche Al­ge­bra über der Trä­ger­men­ge B=[0,1]