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10. Natursymbolik, Liebe und Dichtung

in zwei Gedichten des älteren Goethe aus dem Buch "Suleika des West-östlichen Divan"

Blatt Gingo biloba

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Dass ich eins und doppelt bin?

Goethe: Berliner Ausgabe, Bd. 3, S. 89 f.

 

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Lass dir die Früchte zeigen,
Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich,
Ein Ast, der schaukelnd wallet,
Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von innen
Und schwillt der braune Kern,
Er möchte Luft gewinnen
Und säh die Sonne gern.

Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.

Ebd., S. 102

Zu dem zweiten Gedicht An vollen Büschelzweigen:
1500. Frankfurter Anthologie (FAZ vom 29. Nov. 2003)
Marcel Reich-Ranicki: Sie ist bis heute unser aller Glück