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13. Heinrich Heine: Buch der Lieder

Und wüssten’s die Blumen, die kleinen,
Wie tief verwundet mein Herz,
Sie würden mit mir weinen,
Zu heilen meinen Schmerz.
Und wüssten’s die Nachtigallen,
Wie ich so traurig und krank,
Sie ließen fröhlich erschallen
Erquickenden Gesang.
Und wüssten sie mein Wehe,
Die goldnen Sternelein,
Sie kämen aus ihrer Höhe,
Uns sprächen Trost mir ein.
Die alle können’s nicht wissen,
Nur eine kennt meinen Schmerz:
Sie hat ja selbst zerrissen,
Zerrissen mir das Herz.

(Buch der Lieder. Lyrisches Intermezzo, Nr. 22,
In: Gedichte, S. 81 f.)
Musik: Robert Schumann, Dichterliebe
CD: Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine, Nr. 8.


Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.
Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.

(Ebd., Nr. 39, S. 90)
Musik: Robert Schumann, Dichterliebe
CD: Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine, Nr. 11;
Ich liebe dich. Fritz Wunderlich singt, Nr. 17.

Der Herbstwind rüttelt die Bäume,
Die Nacht ist feucht und kalt;
Gehüllt im grauen Mantel,
Reite ich einsam im Wald.

Und wie ich reite, so reiten
Mir die Gedanken voraus
Sie tragen mich leicht und luftig
Nach meiner Liebsten Haus

Die Hunde bellen, die Diener,
Erscheinen mit Kerzengeflirr;
Die Wendeltreppe stürm ich
Hinauf mit Sporengeklirr.

Im leuchtenden Teppichgemache,
Da ist es so duftig und warm,
Da harret meiner die Holde –
Ich fliege in ihren Arm.

Es säuselt der Wind in den Blättern,
Es sprich der Eichenbaum:
‹Was willst du, törichter Reiter,
Mit deinem törichten Traum?›

(Ebd., Nr. 58), S. 99 f.)
Musik: Felix Mendelssohn-Bartholdy
CD: Lieder nach Gedichten von Hein-rich Heine, Nr. 17.


Ich stand in dunkeln Träumen
Und starrte ihr Bildnis an,
Und das geliebte Antlitz
Heimlich zu leben begann.

Um ihre Lippen zog sich
Ein Lächeln wunderbar,
Und wie von Wehmutstränen
Erglänzte ihr Augenpaar.

Auch meine Tränen flossen
Mir von den Wangen herab –
Und ach, ich kann es nicht glauben,
Dass ich dich verloren hab!

(Buch der Lieder. Die Heimkehr, Nr. 23. In: Gedichte,
Musik: Franz Schubert, Schwanengesang S. 120 f.)
CD: Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine, Nr. 24.

Du schönes Fischermädchen,
Treibe den Kahn ans Land;
Komm zu mir und setze dich nieder,
Wir kosen Hand in Hand.

Leg an mein Herz dein Köpfchen,
Und fürchte dich nicht zu sehr;
Vertraust du dich doch sorglos
Täglich dem wilden Meer.

Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Hat Sturm und Ebb’ und Flut,
Und manche schöne Perle
In seiner Tiefe ruht.

(Ebd., Nr. 8, S. 112)
Musik: Franz Schubert, Schwanengesang
CD: Ebd., Nr. 25.


Das Meer erglänzte weit hinaus,
Im letzten Abendscheine;
Wir saßen am einsamen Fischerhaus,
Wir saßen stumm und alleine.

Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
Die Möwe flog hin und wider;
Aus deinen Augen, liebevoll,
Fielen die Tränen nieder.

Ich sah sie fallen auf deine Hand,
Und bin aufs Knie gesunken;
Ich hab von deiner weißen Hand
Die Tränen fortgetrunken.

Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Seele stirbt vor Sehnen; -
Mich hat das unglücksel’ge Weib
Vergiftet mit ihren Tränen.

(Ebd., Nr. 14, S. 115 f.)
Musik: Franz Schubert, Schwanengesang
CD: Ebd., Nr. 27

Auf Flügeln des Gesanges,
Herzliebchen, trag ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schönsten Ort.

Dort liegt ein rotblühender Garten
Im stillen Mondenschein;
Die Lotosblüten erwarten
Ihr trautes Schwesterlein.

Die Veilchen kichern und kosen,
Und schaun nach den Sternen empor;
Heimlich erzählen die Rosen
Sich duftende Märchen ins Ohr.

Es hüpfen herbei und lauschen
Die frommen, klugen Gazell’n;
Und in der Ferne rauschen
Des heiligen Stromes Well’n.

Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum,
Und Liebe und Ruhe trinken,
Und träumen seligen Traum.

(Buch der Lieder. Lyrisches Intermezzo, Nr. 9)
Musik: Felix Mendelssohn-Bartholdy
CD: Ebd., Nr. 20.

 

Anregung:
Verhältnis Text/Musik
Vortrag und Interpretation einzelner Gedichte in Gruppen

Zu Heines Gedicht Auf Flügeln des Gesanges:

  • Phantasieflug mit der Geliebten in ein exotisch-paradiesisches Land der Poesie
  • nächtliche Gartenlandschaft mit Gazellen (Symbole der Schnelligkeit und Schönheit) und personifizierten Blumen als kindliche Wesen
  • Lotosblüte (Symbol des Lichts, der Reinheit, der Entstehung der Welt aus dem Feuchten in Verbindung mit dem heiligen Nil, der kosmischen Harmonie) als Schwester der Geliebten
  • Annäherung an den Ort des Liebesglücks, der in der letzten Strophe erreicht wird („Liebe“, „Ruhe“ als Abstrakta in Verbindung mit „trinken“; Figura etymologica „träumen“/“Traum“)
  • Diminutive, Superlative, Anaphern, Synästhesie („duftende Märchen“)
  • vom „ich“/„dich“ in der ersten Strophe zum „wir“ in der letzten