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Die Kulisse(n)

Wie du schon aus der Einführung zur Visualisierung der Invidia-Episode weißt, verwendet Ovid häufig eine Erzählstrategie, die man als „Kulissentechnik“ bezeichnen könnte. In der antiken Rhetorik heißt diese Technik Ekphrasis (s. Infokasten unten): Mithilfe dieser Technik wird gleichsam eine Bühne für die handelnden Figuren eingerichtet und zugleich eine bestimmte Stimmung erzeugt. Dies gilt auch für den Anfang der Actaeon-Episode, wo nacheinander zwei unterschiedliche Kulissen vor den Augen des Lesers entstehen.

  1. Ekphrasis

    Informiere dich über das Gestaltungsmittel der Ekphrasis (Infokasten). Vergleiche anschließend die ‚Kulisse‘ der Landschaft um Actaeon mit derjenigen um die Göttin Diana und belege auch lateinisch wie im Beispiel vorgegeben:

    Kategorie

    VV 1-3

    VV 13-20

    geographische Lage

    Mons erat ... (V 1)a: der Sonne ausgesetzter Berg

    • Vallis erat ... (V 13): Tal
    • ... zurückgezogener schattiger Winkel mit Quelle

    Stimmung/ Amosphäre

    • infectus variarum caede ferarum (V1): blutige Jagd (alles trieft von Blut) Erschöpfung nach der Gewalttätigkeit eines Gemetzels mit massivem Eingriff in die Natur (Netze und Schlingen)
    • Beschreibung von Bäumen und Grotte mit Quelle Ruhe und friedliche Atmosphäre unberührter Natur

    Temperatur

    unerträgliche Hitze (am Mittag): dies medius ..., sol ex aequo meta distabat utraque (V 2f)

    Kühle in baumbeschatteten Winkel eines Tals mit kühler Grotte und klarem kühlendem Quellwasser

    Situation1

    Ende der Jagd und Aufforderung zum Ausruhen

    Ruhe nach der Jagd

    a Diese typische Form der Einleitung „Es gab einen Berg/eine Quelle/einen Wald/... “ findet sich häufig zu Beginn einer Episode in den „Metamorphosen“.

    Info

    Ekphrasis (griechisch: Beschreibung): Eine Ekphrasis ist eine ausführliche, bis in Details ausgeschmückte Beschreibung eines Ortes oder eines Gegenstands. Berühmte Beispiele sind die Schild-Beschreibung des Achill (Homer: Ilias) und des Aeneas (Vergil: Aeneis). Häufig erzeugt eine Ekphrasis auch eine bestimmte Stimmung, die Emotionen beim Leser oder in einer der betrachtenden Figuren auslöst; so z. B., als der Flüchtling Aeneas bei seiner Ankunft in Karthago auf den Türen eines Tempels Szenen vom Kampf um Troja betrachtet und dem Helden die Tränen kommen.

    LÖSUNGSHINWEISE KURSIV

    Ergebnis: Im Kontrast werden ein schrecklicher und unangenehm heißer Ort und ein angenehm lieblicher und friedvoll erscheinender Ort einander gegenübergestellt. (evtl. schon hier: Die kühle Grotte der Diana ist ein Platz, wie ihn Actaeon für sich zum Ausruhen sucht.)

  2. V 13-20: Eine gefährdete Idylle

    Die Örtlichkeit, die hier beschrieben wird, ist ein locus amoenus (s. Infokasten).
    Häufig dient die harmonische Atmosphäre eines locus amoenus alskontrastreiche Kulisse für eine anschließende Störung der beschriebenen Harmonie.
    Bereits die Verse 21-24 deuten an, dass der Frieden der Grotte und der Quelle im abgeschiedenen Tal nicht dauerhaft sein können und dass der Kontrast zur ‚Welt‘ des Actaeon nur eingeschränkt gilt. – Erkläre, warum, und nutze dazu auch die Infokästen.

    Info

    locus amoenus (lieblicher Ort): Ein locus amoenus ist ein typisches literarisches Motiv (ein sogenannter Topos) in der antiken Dichtung. Beschrieben wird dabei kein realer Ort, sondern ein Naturausschnitt poetischer Vorstellung in idealisierter Schönheit. Zu den typischen ‚Requisiten‘ eines solchen von der Zivilisation abgeschiedenen Orts gehören: lichter Hain und Grotte, die angenehmen Schatten spenden, eine Quelle oder ein Bach, Blumen usw. – Den ‚Gegenort‘ zum locus amoenus bildet ein locus terribilis (vgl. Invidia-Episode Aufgabe 4).

    Zypresse: Diese Baumart ist in der Antike mit Trauer und Tod verbunden.

    LÖSUNGSHINWEISE KURSIV
    • Die Zypresse (V 13) im Tal von Gargapie deutet bereits auf das tödliche Ende der Episode voraus. (Im Vorspann ist ja explizit von der Trauer die Rede, die der Tod des Actaeon dessen Großvater Cadmus bereitet hat.)
    • Diana und ihre Nymphen kommen an diesen Ort, um sich von der anstrengenden Jagd zu erholen. (Dazu legt die wehrhafte Diana ihre Jagdwaffen, den Speer und den entspannten Bogen, aus der Hand) Die weibliche Göttin ist eine wehrhafte Jägerin – so wie Actaeon, und sie tut genau das, was Actaeon für sich und seine Gefährten vorschlägt: von der Jagd ausruhen.

    Mögliche zusätzliche Infos durch die Lehrperson:

    Diana und ihre Gefährtinnen repräsentieren zwar eine weibliche Welt im Kontrast zur Männerwelt des Actaeon, aber eben nicht die typische Lebenswelt einer antiken Frau, die von der Jagd und jeglicher Form von Gewaltausübung ausgeschlossen ist. Eine bewaffnete Frau (mit kniefreiem Gewand: succinctae V 14) ist in antiker Vorstellung nicht nur ungewöhnlich, sondern wird im Mythos meist als bedrohlich – und zugleich erotisch anziehend – wahrgenommen, wie das prominente Beispiel der Amazonen zeigt.

  3. Annäherung an einen abgeschiedenen Ort

    Stell dir vor, du müsstest die Beschreibung der Verse VV 13-22 verfilmen. Schreibe Anweisungen für die Kameraführung auf und belege deine jeweilige Anweisung am lateinischen Text:
    Zusätzlich zu den dir bereits aus der Einführungsübung@@@ bekannten Kameraanweisungen (Totale – Halbtotale – Zoom in – Zoom out – Nahaufnahme/close up – Detailaufnahme/very close up – point of view) sind folgende Anweisungen für die Kameraführung möglich:

    • Kamerafahrt bzw. -flug: Die Kamera wird beim Filmen durch den Raum bewegt.
    • Kameraschwenk: Die Kamera wird über eine Szene bewegt, ohne dass deren Standort verändert wird.

    Orientiere dich am vorgegebenen Beispiel:

    • Kamera in der Vogelperspektive: dichtbewaldetes Tal in der Totalen (Vallis erat: V 1)
    • ...
    LÖSUNGSHINWEISE KURSIV
    • Kameraflug über den dichten Wald: Pinien und Zypressen erkennbar (V 13) entlang eines langen Tals bis in einen Winkel (cuius in extremo recessu: V 15)
    • Eintauchen unter die Baumkronen in einen dichten Hain mit einer Grotte (antrum nemorale: V 15), die erst allmählich zwischen den Bäumen sichtbar wird
    • Kamera stoppt: Zoom-in auf die Grotte und Schwenk über den kunstvollen Bogen der Grotte, bei dem Bimsstein und Tuff in einem close-up sichtbar werden (simulaverat artem ... nativum ... arcum: V 16-18)
    • Schwenk nach rechts unten zu einer plätschernden Quelle mit klarem Wasser, das bis auf den Grund sehen lässt (V 19)
    • Schwenk entlang des grasbewachsenen Ufers und Totale auf das offene Quellbecken (V 20)

1 Eventuell thematisieren die SuS diesen Aspekt bereits hier, entsprechend muss man die Folgeaufgabe b. direkt mit Aufgabe a. verknüpfen.

 

Actaeon: Lehrermaterial: Herunterladen [docx][271 KB]

Actaeon: Lehrermaterial: Herunterladen [pdf][1 MB]

 

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