Didaktische Überlegungen
Wie aus der Übersicht über die Einheit zu erkennen ist, waren zwei Grundprinzipien bei der Erstellung dieser Interpretationseinheit leitend:
- Durch eine unmittelbare Begegnung mit dem Text (zunächst in Form einer Audio-Datei) soll ein primäres Leseerlebnis ermöglicht und so eine höhere Motivation erzeugt werden.
- Die Einführung der Phänomene erfolgt nach Möglichkeit induktiv, die Vertiefung der Visualisierungsstrategien und Erzähltechniken ist spiralcurricular sowie kompetenzorientiert aufgebaut, d. h. nach der Einführung werden Phänomene wiederholt geübt und auf höherem Niveau reflektiert, wie an zwei Beispielen illustriert werden soll:
- Die Erzählperspektive wird zunächst als rein visuelles Phänomen mittels einfacher Kameratechniken wie des Point-of-view-Verfahrens und des Zooms eingeführt (h5p-Übung 1 und Invidia-Episode 1b). Diese Techniken müssen die SuS dann wieder anwenden bei der Interpretation in der Actaeon-Episode, so für die Annäherung an die Quelle der Diana (Aufgabe 2c) und die Jagd auf den verwandelten Actaeon (Aufgabe 5).
- Die Bedeutung des Vorwissens der Leser*innen wird bereits in der ersten Einführung des ‚Kopfkinos‘ für die Invidia-Episode betont (h5p-Übung 1: Folie 3); dieser Aspekt wird in der Frage, inwiefern die – in der Antike meist vorauszusetzende – Kenntnis des Ausgangs einer Geschichte den Lesegenuss beeinflusst, reflektiert und radikalisiert (Actaeon-Episode: Aufgabe 1); die Suche nach unsichtbaren Bezügen unter der ‚Text-Oberfläche‘ (Aufgabe 4) knüpft daran an.
Weitere inhaltlich-methodische Bezüge innerhalb der Einheit lassen sich der farblichen Codierung in der Übersicht entnehmen.
Digitale und interaktive Elemente
Um das visuelle Potential der „Metamorphosen“ zu illustrieren und zugleich in motivierender Weise an Rezeptionsgewohnheiten der SuS anzuknüpfen, werden in der ersten Phase der Einheit digitale Elemente eingesetzt.
Poetische Werke und so auch das Epos wurden in der Antike laut gelesen oder vor einer Gruppe rezitiert.19 Diese unmittelbare Form der Rezeption sollen die SuS zu Beginn dieser Einheit auch selbst erproben – nicht am lateinischen Text, sondern an einer deutschen Übersetzung: Das tatsächliche ‚Erleben‘ des Textes steht dabei am Anfang der Beschäftigung. Dazu wurden die ersten Verse der Invidia-Episode in einer Audio-Datei aufgenommen und in die Übung integriert. Zugleich soll das visuelle Potential der „Metamorphosen“ dadurch erfahrbar werden, dass die SuS dazu aufgefordert werden, ausgehend von ihrer Hörerfahrung ihr eigenes „Kopfkino“ zu produzieren.
In einem weiteren Schritt wird das Phänomen – wie ein Text Bilder im Kopf seiner Leser*innen freisetzen kann – in einer zweiten Audio-Datei mit theoretischen Erklärungen reflektiert, welche als Grundlage für eine Drag-and-drop-Übung dienen, in der die entsprechenden Begriffe an die passenden Leerstellen zu ziehen sind.20 Auch hier erhält der Nutzer eine adaptive Rückmeldung.
Um die visuellen Strategien, mit denen das ‚Kopfkino‘ aktiviert wird, erfahrbar zu machen, wird ein kurzer Film eingesetzt, der synchron zur Rezitation der Verse beispielhaft eine Filmsequenz zeigt, in der Aufbau und Ablauf der visuellen Eindrücke veranschaulicht werden. Erste Verweise auf den lateinischen Text sollen für die spätere Textarbeit sensibilisieren.
Der terminologische Apparat (z. B. der Stilmittel) und das Verständnis des lateinischen Textes treten dabei zunächst bewusst in den Hintergrund, erst in weiteren Schritten soll das, was induktiv eingeführt wurde, auch am lateinischen Text erkannt und terminologisch erfasst werden. Beispielsweise wird das Phänomen der Ekphrasis zunächst als „Kulissentechnik“ eingeführt.
Gerade in der Anfangsphase eigenständiger Interpretation fällt es SuSn erfahrungsgemäß schwer, sich in einem lateinischen Text zumal aus der Poesie zu orientieren. Um daher die SuS behutsam an die anspruchsvolle Arbeit mit zweisprachigen Texten heranzuführen, erfolgt die erste Auseinandersetzung mit dem Text in deutscher Übersetzung. Darüber hinaus bietet die zweite h5p-Übung (Aufgabe 4 in den Materialien zur Invidia-Episode) zwei Versionen zur Erarbeitung, aus denen die SuS selbst auswählen können. Neben der direkten Begegnung mit der Übersetzung (im Audio-Format) und dem visuell dargebotenen lateinischem Text können die SuS die entsprechenden Belege auch in einem gestuften Verfahren zunächst im deutschen Text und erst in einem zweiten Schritt im lateinischen Original finden; optionale Hilfstools erleichtern das Auffinden entsprechender Belege zusätzlich.
Arbeitsblätter
Die konventionell gestalteten Arbeitsblätter, zu deren Aufgaben eine Lösungsversion für Lehrpersonen angeboten wird, nutzen nach Möglichkeit die im Bildungsplan vorgesehenen Operatoren. Zur Einführung zentraler Termini wurde das bewährte Instrument von Infokästen genutzt.
19 Lefèvre 1990.
20 Im Sinne der „desirable difficulty“ werden dabei bewusst auditive Eindrücke und die visuelle Verarbeitung kombiniert.
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