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Sach­in­for­ma­tio­nen zum Be­rufs­ran­king

Ci­ce­ros Be­rufs­ran­king (de off. I 150f.) steht am An­fang der Ein­füh­rung in die Un­ter­richts­ein­heit(en).

Der Text­aus­zug stammt aus de of­fi­ciis, einem phi­lo­so­phi­schen Essay in drei Bü­chern, das Ci­ce­ro we­ni­ge Mo­na­te nach Cae­sars Er­mor­dung ver­fasst hat (Herbst/Win­ter 44 v. Chr.) und an sei­nen Sohn Mar­cus sen­det, der in Athen seine Zeit we­ni­ger dem ernst­haf­ten Phi­lo­so­phie­stu­di­um wid­met als viel­mehr den un­ter­schied­li­chen Ver­gnü­gun­gen in die­ser Stadt.

Ci­ce­ros Über­le­gun­gen und Rat­schlä­ge gel­ten je­doch nicht nur dem jun­gen Ci­ce­ro, son­dern allen jun­gen Ver­tre­tern des Se­na­to­ren­stan­des. Daher sind viele vä­ter­li­che Er­mah­nun­gen in all­ge­mei­ner Form ge­hal­ten, teils er­schei­nen Ci­ce­ros Über­zeu­gun­gen in apo­dik­ti­scher Form.

Im ers­ten Buch De of­fi­ciis wid­met sich Ci­ce­ro – in An­leh­nung an das Werk des Stoi­kers Pa­nai­ti­os – dem ho­ne­s­tum und damit der Frage, was eh­ren­haft ist und wel­che Tu­gen­den zum eh­ren­haf­ten Leben ge­hö­ren. Der Ab­schnitt über die be­ruf­li­chen Tä­tig­kei­ten bil­det den Ab­schluss der Aus­füh­run­gen zu den vier Kar­di­nal­tu­gen­den (pru­den­tia, ius­ti­tia, ma­gni­tu­do animi und tem­pe­ran­tia).

Damit wird deut­lich, dass Ci­ce­ros Wer­tun­gen zu be­ruf­li­chen Tä­tig­kei­ten

  • aus der Per­spek­ti­ve eines Se­na­tors für (junge) Ver­tre­ter des Se­na­to­ren­stan­des ver­fasst sind,
  • ethisch-mo­ra­li­sche Kri­te­ri­en für die Be­ur­tei­lung ein­zel­ner Be­ru­fe bzw. Be­rufs­grup­pen aus­schlag­ge­bend sind.

Ci­ce­ros Hoch­ach­tung der Land­wirt­schaft dürf­te heu­ti­ge Schü­le­rin­nen und Schü­ler be­frem­den. Ge­wiss haben Se­na­to­ren wie Ci­ce­ro nie ei­gen­hän­dig ein Feld ge­pflügt. Woher kommt also diese große Wert­schät­zung und Be­wun­de­rung für die Land­wirt­schaft? Die Ant­wort fin­det sich in der schon zu Ci­ce­ros Zei­ten ro­man­tisch-ver­klä­ren­den Sicht einer „guten, alten Zeit”, in der ein vir vere Ro­ma­nus buch­stäb­lich bo­den­stän­dig war, die vir­tu­tes ver­kör­per­te und die Frei­heit sei­ner Hei­mat ganz selbst­ver­ständ­lich ver­tei­dig­te. Cin­cin­na­tus war hier­für das oft zi­tier­te ex­emp­lum (Li­vi­us 3, 26-29).

Dass Ci­ce­ro selbst in sei­nem Ran­king weder An­walt noch Po­li­ti­ker als Be­ru­fe nennt, ist ge­wiss darin be­grün­det, dass beide Tä­tig­kei­ten keine Be­ru­fe in heu­ti­gem Sinn waren.

Wer die po­li­ti­sche Lauf­bahn (cur­sus ho­no­rum) ein­schla­gen woll­te, muss­te für diese po­li­ti­schen Ämter ge­wählt wer­den (kön­nen), d.h. die Vor­aus­set­zun­gen für das je­wei­li­ge Amt mit­brin­gen (Min­dest­al­ter, fi­nan­zi­el­le Res­sour­cen, Un­ter­stüt­zung durch Kli­en­ten, rhe­to­ri­sche Über­zeu­gungs­kraft).

Auch die Tä­tig­keit als An­walt setz­te keine ju­ris­ti­sche Aus­bil­dung in heu­ti­gem Sinne vor­aus. Viel­mehr ging man bei einem er­fah­re­nen Red­ner/An­walt „in die Lehre“ und be­ob­ach­te­te den er­fah­re­nen An­walt in der Pra­xis.
Die rhe­to­ri­schen Kennt­nis­se, die un­ab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für Tä­tig­kei­ten vor Ge­richt und in der Po­li­tik waren, wur­den in Rhe­to­rik­schu­len und v.a. bei einem Stu­di­en­auf­ent­halt in Grie­chen­land er­wor­ben.

Im Un­ter­richts­ge­spräch soll­te Ge­le­gen­heit sein, den ge­sell­schaft­lich-tech­ni­schen Wan­del an­zu­spre­chen, der die Be­rufs­welt im Laufe der Jahr­hun­der­te ver­än­dert hat. Stich­wort­ar­tig sei hier auf die Tä­tig­kei­ten von Skla­ven und Skla­vin­nen sowie der Frei­ge­las­se­nen in der An­ti­ke, auf das Zunft­we­sen im Mit­tel­al­ter, auf die in­dus­tri­el­le Re­vo­lu­ti­on, die Eman­zi­pa­ti­on der Frau und nicht zu­letzt auf die Di­gi­ta­li­sie­rung hin­ge­wie­sen.

Das Be­rufs­ran­king Ci­ce­ros wird in vier un­ter­schied­li­chen Va­ri­an­ten dar­ge­bo­ten, um den Text un­ter­schied­li­chen Lern­grup­pen mit ihren un­ter­schied­li­chen In­ter­es­sen und Fä­hig­kei­ten zu­gäng­lich zu ma­chen:

Va­ri­an­te 1:

Grund­la­ge der Text­ar­beit ist die Über­set­zung der kur­zen Be­wer­tun­gen Ci­ce­ros zu ein­zel­nen Be­ru­fen/Be­rufs­grup­pen (Ein­zel­aus­sa­gen aus de of­fi­ciis 1, 150f.).

Va­ri­an­te 2:

Grund­la­ge der Text­ar­beit ist der zwei­spra­chi­ge Ci­ce­ro-Text deof­fi­ciis 1, 150f.

Va­ri­an­te a:

Aus­gangs­punkt der Text­ar­beit ist das von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern selbst er­stell­te Be­rufs­ran­king, das nach der Tex­ter­schlie­ßung zum Ver­gleich mit Ci­ce­ros Dar­le­gun­gen dient.

Va­ri­an­te b:

Nach der Tex­ter­schlie­ßung er­folgt der Blick in die heu­ti­ge Zeit und der Ver­gleich der Ran­kings aus un­ter­schied­li­chen Zei­ten.

Bei allen Va­ri­an­ten steht die Aus­ein­an­der­set­zung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit Ci­ce­ros Sicht auf ver­schie­de­ne Be­ru­fe/Be­rufs­grup­pen im Mit­tel­punkt. Die Aus­sa­gen des an­ti­ken Tex­tes sol­len aus­ge­wer­tet, kri­tisch re­flek­tiert und mit der ei­ge­nen Sicht und/oder Um­fra­ge­er­geb­nis­sen heu­ti­ger Zeit ver­gli­chen wer­den.

Mit dem zwei­ten Text, der Pha­edrus-Fabel von der „Amei­se und Gril­le“, wird der Blick­win­kel er­wei­tert: Mit der Ent­schei­dung für eine be­ruf­li­che Tä­tig­keit ist (auch) die Wahl der Le­bens­form ver­bun­den. Mit der flei­ßi­gen, vor­aus­schau­en­den Amei­se wird die ver­gnügt in den Tag le­ben­de Gril­le kon­tras­tiert, die kei­nes­wegs un­tä­tig ist, al­ler­dings ihre ei­ge­nen Vor­lie­ben und Stär­ken aus­lebt.

Die la­tei­ni­sche Sen­tenz „Quid­quid agis, pru­den­ter agas et re­spice fin­dem.“ gibt die Moral der Fabel zu­tref­fend wie­der: Klu­ges Han­deln ist immer ver­bun­den mit dem Blick auf das Ende, das Er­geb­nis, die Kon­se­quen­zen des Han­delns.
Wenn Schü­le­rin­nen und Schü­ler be­reits die Be­deu­tungs­brei­te des Be­grif­fes otium ken­nen (z.B. durch das Pro­ömi­um zum drit­ten Buch de of­fi­ciis) könn­ten die Aus­sa­ge „Im Som­mer hatte ich kein otium, um an die Zu­kunft zu den­ken.“ (V. 6f.) Fra­gen auf­wer­fen. In die­sem Zu­sam­men­hang ist es hilf­reich, die ver­schie­de­nen Le­bens­for­men, die z.B. in Se­ne­cas Werk de otio (Kap. 7) un­ter­schie­den wer­den, zu the­ma­ti­sie­ren (vgl. Auf­ga­be 3). Dass der­sel­be Be­griff bei un­ter­schied­li­chen Au­to­ren durch­aus ver­schie­de­ne Be­deu­tung haben kann, soll­te – je nach Vor­kennt­nis­sen der Lern­grup­pe – er­ör­tert wer­den (vgl. Auf­ga­be (1) zur Ver­tie­fung).

Auch der zwei­te Text­ab­schnitt aus Ci­ce­ros Schrift de of­fi­ciis stammt aus dem ers­ten Buch (1, 117f.). Hier wird – wie auch in der Pha­edrus-Fabel von der „Amei­se und Gril­le“ – die Frage nach der Be­rufs­wahl ge­stellt. Wäh­rend in der Pha­edrus-Fabel zwei un­ter­schied­li­che Le­bens­for­men kon­tras­tiert wer­den, the­ma­ti­siert Ci­ce­ro mit Blick auf sei­nen Sohn Mar­cus ex­pli­zit die Schwie­rig­keit der Ent­schei­dungs­fin­dung eben­so wie die Fak­to­ren, die diese wich­ti­ge Le­bens­ent­schei­dung be­ein­flus­sen (kön­nen).

Die Schwie­rig­keit, die rich­ti­ge Le­bens­wahl zu tref­fen, ver­tieft Ci­ce­ro mit der kurz re­fe­rier­ten Ge­schich­te von „He­ra­kles am Schei­de­we­ge“. Die Wahl zwi­schen Vo­lupt­as und Vir­tus hatte ncht nur der Göt­ter­sohn zu tref­fen, son­dern auch der Sohn des Se­na­tors. Wäh­rend es He­ra­kles leicht fiel, al­lei­ne und wohl­über­legt die rich­ti­ge Ent­schei­dung – näm­lich für ein Leben mit Vir­tus – zu fäl­len, ist dies für den jun­gen Ci­ce­ro (und für viele junge Leute bis in heu­ti­ge Zeit) sehr schwie­rig.

Meis­tens, so Ci­ce­ro, be­ein­flus­sen die El­tern oder die Mehr­heit der Leute die Ent­schei­dung. Ge­wiss er­hofft sich Ci­ce­ro, dass sein Sohn sich sein ei­ge­nes Bei­spiel zum Vor­bild nimmt und sich nicht vom Main­stream an­de­rer (jun­ger) Leute lei­ten lässt. Im Un­ter­richts­ge­spräch soll­te Ci­ce­ros Um­gang mit sei­nem Sohn ana­ly­siert und re­flek­tiert wer­den (vgl. Auf­ga­be 4 und die Auf­ga­be zur Ver­tie­fung).

Li­te­ra­tur­hin­wei­se:

  • An­ge­la, Al­ber­to: Ein Tag im Alten Rom. All­täg­li­che, ge­heim­nis­vol­le und ver­blüf­fen­de Tat­sa­chen, Mün­chen 6. Aufl. 2011.
  • Dyck,  An­d­rew R.: A com­men­ta­ry on Ci­ce­ro, De of­fi­ciis, Ann Arbor 1996.
  • Knapp, Ro­bert: Römer im Schat­ten der Ge­schich­te. Gla­dia­to­ren, Pro­sti­tu­ier­te, Sol­da­ten: Män­ner und Frau­en im Rö­mi­schen Reich, Stutt­gart 2016.
  • Oberg, Eber­hard: Pha­edrus-Kom­men­tar, Stutt­gart 2000.

 

Sach­in­for­ma­tio­nen zum Be­rufs­ran­king: Her­un­ter­la­den [docx][25 KB]

Sach­in­for­ma­tio­nen zum Be­rufs­ran­king: Her­un­ter­la­den [pdf][224 KB]

 

Wei­ter zu Pha­edrus-Fa­beln zur Wahl des Le­bens­wegs