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Ka­pi­tel 5: Ma­dame Bo­va­ry – der un­um­kehr­ba­re Drei­schritt

Vor­be­mer­kung zu den Ka­pi­teln 5, 6 und 7

In allen drei Ro­ma­nen kommt es zum Drei­schritt: aus dem Ehe­le­ben - zu Ver­füh­rung(en) und schließ­lich dem fait ac­com­p­li, dem Ehe­bruch. Die Dar­stel­lun­gen, so­wohl for­mal als auch in­halt­lich un­ter­schei­den sich dabei deut­lich. Um den Hand­lungs­ver­lauf bes­ser re­kon­stru­ie­ren zu kön­nen, wird die­ser Drei­schritt zu­nächst Werk für Werk be­trach­tet. Die Lehr­kraft ist in der Ent­schei­dung frei, wie tief­ge­hend die Texte je­weils un­ter­sucht wer­den. Die fol­gen­den Ar­beits­an­re­gun­gen stel­len eine Hil­fe­stel­lung zur Er­schlie­ßung des „un­um­kehr­ba­ren Drei­schritts“ dar und be­rei­ten die ver­glei­chen­de Be­trach­tung vor. Es ist an die­ser Stel­le denk­bar, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler le­dig­lich die Text­aus­zü­ge lesen und zu­sam­men­fas­sen und in einer ab­schlie­ßen­den ver­glei­chen­den Be­trach­tung Ge­mein­sam­kei­ten und Un­ter­schie­de her­aus­ar­bei­ten. Jedem Werk wird im Fol­gen­den ein ei­ge­nes Ka­pi­tel ge­wid­met. Eine ver­glei­chen­de Be­trach­tung in Ka­pi­tel 8 schließt die drei Ka­pi­tel (5-7) ab.

 

KA­PI­TEL 5 Ma­dame Bo­va­ry: Der un­um­kehr­ba­re Drei­schritt

5.1 Aus dem Ehe­le­ben

📖 Ers­ter Teil, Ka­pi­tel IX, S. 90: „Doch vor allem zur Stun­de der Mahl­zei­ten, da konn­te sie nicht mehr, in die­sem klei­nen Raum zu ebe­ner Erde, mit dem Ofen, der rauch­te, der Tür, die quietsch­te, den Wän­den, die schwitz­ten, dem feuch­ten Stein­bo­den; all die Bit­ter­nis ihres Da­seins schien ihr auf dem Tel­ler ser­viert, und mit dem Dampf des Sup­pen­flei­sches stie­gen vom Grund ihrer Seele immer wei­te­re Ekel­schwa­den. Charles aß und aß; sie knab­ber­te ein paar Ha­sel­nüs­se oder ver­trieb sich die Zeit und ritz­te, den Ell­bo­gen auf­ge­stützt, mit der Mes­ser­spit­ze Li­ni­en ins Wachs­tuch. [...] → S. 92...​sie gier­te nach einem stür­mi­schen Leben, nächt­li­chem Mas­ken­trei­ben, ex­tra­va­gan­ten Ver­gnü­gun­gen samt all den Toll­hei­ten, die ihr un­be­kannt waren, aber ge­wiss da­zu­ge­hör­ten.

Ar­beits­an­re­gung:

Wie un­ter­stützt die sprach­li­che Ge­stal­tung die Dar­stel­lung des Ehe­all­tags von Emma Bo­va­ry?

Hin­weis: Die de­pri­mie­ren­de Wirk­lich­keit ihrer Ehe spie­gelt sich in der Be­schrei­bung des Ess­zim­mers zur Mit­tags­zeit wider. Die rei­hen­de Auf­zäh­lung zeigt das Mo­no­to­ne; die Raum­be­schrei­bung, die alle Sinne an­spricht, ver­mit­telt ein un­be­hag­li­ches Ge­fühl. Im kur­zen Halb­satz „Charles aß und aß“ wird das Wie­der­ho­len­de noch­mals auf­ge­grif­fen – zwi­schen Emma und Charles fehlt das Ge­mein­sa­me. Ihr Zeit­ver­treib un­ter­streicht Emmas Lan­ge­wei­le, die sie emp­fin­det.

5.2 Ver­füh­run­gen und Ehe­bruch

5.2.1 Die Ver­füh­rungs­sze­nen mit Léon Du­pu­is - Spra­che und Lust

Léon Du­pu­is I 📖 Ma­dame Bo­va­ry: Zwei­ter Teil, Ka­pi­tel II, S. 110-118

Léon Du­pu­is II 📖 Ma­dame Bo­va­ry: Drit­ter Teil, Ka­pi­tel I, S. 313: Zu­gleich hatte er Angst, man könn­te ihn sehen; ent­schlos­sen be­trat er die Kir­che. [...] → S. 321 Dann, gegen sechs, hielt die Drosch­ke in einer Gasse des Be­au­voi­si­ne-Vier­tels, und ihr ent­stieg eine Frau, die mit her­un­ter­ge­las­se­nem Schlei­er fort­ging, ohne den Kopf zu wen­den.

Ar­beits­an­re­gung:

Emma will „Se­lig­keit, Lei­den­schaft und Rausch“. In­wie­fern kann Léon I diese Wün­sche be­frie­di­gen?

Worin un­ter­schei­den sich die Be­geg­nun­gen Léon I und Léon II grund­le­gend? Wel­che er­zäh­le­ri­schen Mit­tel kom­men zum Tra­gen?

Hin­weis: Mit Léon I kann Emma Bo­va­ry schwär­men, träu­men in Ge­dan­ken schwel­gen und über schö­ne Küns­te wie Li­te­ra­tur und Musik reden. Sie fin­den sich an­zie­hend und sym­pa­thisch. Be­frie­di­gen kann Léon Emmas Wün­sche aber nicht. Im zwei­ten Ver­such mit Léon II kommt es zur lei­den­schaft­li­chen Be­geg­nung. Die Kon­tras­tie­rung zwi­schen Ort und Hand­lung, die atem­los-ra­san­te Kutsch­fahrt und die span­nungs­rei­che Leer­stel­le „das ist so üb­lich in Paris“ (S. 318) (vgl. hier Text von Iser) füh­ren zu einer Stei­ge­rung und somit Ver­dich­tung der Text­stel­le (vgl. auch S. 320 „eine Drosch­ke mit zu­ge­zo­ge­nen Vor­hän­gen, die in einem fort wie­der auf­tauch­te, ver­schlos­se­ner als ein Grab und schau­kelnd wie ein Schiff“). Der Ver­gleich „ver­schlos­se­ner als ein Grab“ ist sprach­lich pro­vo­kant und setzt gleich­sam einen Ver­weis in die Zu­kunft.

5.2.2 Ver­füh­rungs­sze­ne mit Ro­dol­phe Bou­lan­ger auf der Land­wirt­schafts­aus­stel­lung

Vor­be­mer­kung

Flau­bert nutzt hier eine neu­ar­ti­ge Mon­ta­ge­tech­nik. Of­fi­zi­el­le Reden und Ge­spräch des Lie­bes­paars wer­den so mit­ein­an­der ver­zahnt, dass aus einem Ne­ben­ein­an­der ein In­ein­an­der wird.

📖 Ver­füh­rungs­sze­ne mit Ro­dol­phe Bou­lan­ger auf der Land­wirt­schafts­aus­stel­lung: Zwei­ter Teil, Ka­pi­tel VIII, S. 177-205

Ar­beits­an­re­gung:

  1. Lesen Sie die vor­lie­gen­de Szene und ana­ly­sie­ren Sie Flau­berts Er­zähl­tech­nik. In­for­mie­ren Sie sich in einem li­te­ra­ri­schen Le­xi­kon über die Er­zähl­tech­nik Flau­berts. (Z. B. Dic­tion­nai­re des Littéra­tu­res de Lan­gue Française, her­aus­ge­ge­ben von J.-P. de Beau­m­ar­chais, Da­ni­el Couty und Alain Rey, Paris 1987, S. 884, Sp.I.
  2. Wie ge­lingt aus dem Ne­ben­ein­an­der zwei­er völ­lig un­ter­schied­li­cher Sach­ver­hal­te ein In­ein­an­der? Ar­bei­ten Sie mit ver­schie­de­nen Vi­sua­li­sie­rungs­tech­ni­ken. (z. B. Her­vor­he­ben durch Farbe)

5.2.3 Ehe­bruch mit Ro­dol­phe Bou­lan­ger

📖 Zwei­ter Teil, Ka­pi­tel IX, S. 213: „Er führ­te sie wei­ter zu einem klei­nen Teich, auf dem Was­ser­lin­sen als grü­ner Schlei­er lagen. [...] → S. 213 ... Sie warf ihren wei­ßen Hals zu­rück, dem sich ein Seuf­zer ent­rang; und halb ohn­mäch­tig, unter Trä­nen, mit einem lan­gen Schau­der und ihr Ge­sicht ver­ber­gend, ergab sie sich.

Ar­beits­an­re­gung:

Lesen Sie die Ehe­bruch­sze­ne mit Ro­dol­phe Bou­lan­ger sowie die dar­auf­fol­gen­de Hand­lung bis Seite 215. Fas­sen Sie den In­halt der Text­stel­le kurz zu­sam­men. Be­schrei­ben Sie die sprach­li­che Ge­stal­tung. Wie wird Emma Bo­va­ry dar­ge­stellt?

5.3 Ehe­bruch und kein zu­rück? Emmas Flucht­ge­dan­ken und Ro­dol­phes Be­schluss

📖 Zwei­ter Teil, Ka­pi­tel XII, S. 254: „Bring mich fort!“ rief sie. „Ent­füh­re mich!... Oh! Ich flehe dich an!“

📖 Zwei­ter Teil, Ka­pi­tel XIII, S. 262: „Was bin ich für ein Esel!“ sagte er und fluch­te got­ter­bärm­lich. „Ei­ner­lei, sie war eine hüb­sche Ge­lieb­te!“

📖 Zwei­ter Teil, Ka­pi­tel XIII, S. 266: „Und es folg­te ein al­ler­letz­tes Adieu, in zwei Wor­ten ge­schrie­ben: À Dieu! Das hielt er für äu­ßerst ge­schmack­voll.“

Ar­beits­an­re­gung:

Lesen Sie die drei Text­aus­zü­ge. Be­ur­tei­len Sie Emma Bo­va­rys Re­ak­ti­on zum einen aus der Fi­gu­ren­sicht und zum an­de­ren aus der Per­spek­ti­ve des Le­sers vor dem so­zia­len Hin­ter­grund. Wel­ches Di­lem­ma wird hier deut­lich?

5.4 Charles Bo­va­rys Ent­de­ckung

📖 Drit­ter Teil, Ka­pi­tel XI, S. 447: Eines Tages, als er ziel­los durchs Haus irrte, stieg er bis auf den Dach­bo­den, er spür­te unter sei­nem Pan­tof­fel ein Kü­gel­chen aus fei­nem Pa­pier. [...] → S. 442 „Viel­leicht haben sie sich pla­to­nisch ge­liebt“, sagte er sich. Au­ßer­dem war Charles kei­ner, der den Din­gen auf den Grund geht: er scheu­te vor den Be­wei­sen, und seine zö­gern­de Ei­fer­sucht ver­lor sich in der Un­end­lich­keit sei­nes Kum­mers.

Ar­beits­an­re­gung:

Wie wird Charles Bo­va­ry dar­ge­stellt? Ver­glei­chen Sie ihn mit der Fi­gu­ren­zeich­nung am Ro­ma­n­an­fang. Wel­che Cha­rak­termerk­ma­le kön­nen be­stä­tigt wer­den? Be­ur­tei­len Sie ab­schlie­ßend die Figur Charles Bo­va­rys.

 

Welt­li­te­ra­tur lesen: li­te­ra­ri­scher Ver­gleich: Her­un­ter­la­den [docx][223 KB]

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Wei­ter zu Ka­pi­tel 6: Anna Ka­reni­na – der un­um­kehr­ba­re Drei­schritt