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Ein­stiegs­vor­trag

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Ma­the­ma­tik­un­ter­richt Ein­stiegs­re­fe­rat [pdf] [206 KB]
Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Ma­the­ma­tik­un­ter­richt Ein­stiegs­re­fe­rat [ppt] [237 KB]


A. Ein­ord­nung des The­mas

Der Be­griff des „Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Ma­the­ma­tik­un­ter­richts“ ist in der Bil­dungs­de­bat­te all­ge­gen­wär­tig. Seine Ver­wen­dung reicht von hoch theo­re­ti­schen Be­trach­tun­gen bis zur un­re­flek­tier­ten Ver­wen­dung als di­dak­ti­sches Mo­de­wort. Für die einen ist er ein rotes Tuch, für die an­de­ren ein Kampf­be­griff zur Durch­set­zung ihrer Vor­stel­lun­gen. 

Der Be­griff ruft in der Leh­rer­schaft vie­ler­lei Re­ak­tio­nen her­vor, dar­un­ter auch sehr emo­tio­na­le. Allzu schnell wer­den Ge­gen­po­si­tio­nen auf­ge­baut: Hier die „mo­der­ne“ Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung, dort der „alte“ Lern­ziel­un­ter­richt. Wir soll­ten es uns als Leh­rer aber nicht er­lau­ben, un­re­flek­tiert di­dak­ti­sche Po­si­tio­nen ein­zu­neh­men oder bei­zu­be­hal­ten. 

Bei­spie­le dafür sind Äu­ße­run­gen der Art „Man darf jetzt keine Lern­zie­le mehr an­ge­ben“ oder „In­hal­te spie­len keine Rolle mehr“. Es gibt in die­sem Zu­sam­men­hang auch Er­schwer­nis­se mehr psy­cho­lo­gi­scher Art, die eine ra­tio­na­le De­bat­te un­ter­drü­cken kön­nen: Lie­gen nicht Wel­ten zwi­schen der ne­ga­ti­ven Sug­ges­ti­ons­kraft des Wor­tes „Fron­tal­un­ter­richt“ (Fron­tal­an­griff) und Wör­tern wie „offen“ und „ko­ope­ra­tiv“? Leicht steckt man den Ge­sprächs­part­ner in eine Schub­la­de, ohne zu er­grün­den, was er genau damit meint.

Un­se­re Ab­sicht ist, mit Ihnen ins Nach­den­ken über guten Ma­the­ma­tik­un­ter­richt zu kom­men, Ar­gu­men­te zu for­mu­lie­ren und zu be­wer­ten und letzt­lich einen Dis­kurs in die Wege zu lei­ten. Dabei soll uns der Be­griff der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung als Auf­hän­ger die­nen. 


Der Kom­pe­tenz­be­griff 
Der Kom­pe­tenz­be­griff nach Prof. Wei­nert (2001) bil­det die Grund­la­ge des Bil­dungs­plans 2004. 

„Kom­pe­ten­zen sind die bei In­di­vi­du­en ver­füg­ba­ren oder durch sie er­lern­ba­ren ko­gni­ti­ven Fä­hig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten, um be­stimm­te Pro­ble­me zu lösen, sowie die damit ver­bun­de­nen mo­ti­va­tio­na­len, vo­li­tio­na­len (d.h. ab­sichts- und wil­lens­be­zo­ge­nen) und so­zia­len Be­reit­schaf­ten und Fä­hig­kei­ten, um die Pro­blem­lö­sun­gen in va­ria­ba­len Si­tua­tio­nen er­folg­reich und ver­ant­wo­tungs­voll nut­zen zu kön­nen.“ 

Prof. Klie­me er­läu­tert dazu: 1
Die fach­be­zo­ge­ne For­mu­lie­rung von Kom­pe­ten­zen darf je­doch nicht ver­wech­selt wer­den mit der tra­di­tio­nel­len Aus­brei­tung von In­halts­lis­ten in stoff­di­dak­ti­scher bzw. fach­sys­te­ma­ti­scher Glie­de­rung.“
Von Kom­pe­ten­zen kann nur dann ge­spro­chen wer­den, wenn man grund­le­gen­de Ziel­di­men­sio­nen in­ner­halb eines Fa­ches be­nennt, in denen sys­te­ma­tisch, über Jahre hin­weg Fä­hig­kei­ten auf­ge­baut wer­den.“
„Kom­pe­tenz stellt die Ver­bin­dung zwi­schen Wis­sen und Kön­nen her und ist als Be­fä­hi­gung zur Be­wäl­ti­gung un­ter­schied­li­cher Si­tua­tio­nen zu sehen. Ent­spre­chend breit muss auch die Um­set­zung in Auf­ga­ben und Tests ge­stal­tet sein.<“

Aus die­sen Zi­ta­ten kann man ei­ni­ges zum Kom­pe­tenz­be­griff her­aus­in­ter­pre­tie­ren: Ers­tens: In­halts­lis­ten nach di­dak­ti­schen Kri­te­ri­en (Was wird un­ter­rich­tet? Wann wird das un­ter­rich­tet? In wel­cher fach­sys­te­ma­ti­schen Glie­de­rung ?) spie­len nicht die pri­mä­re Rolle.

(Ne­ben­be­mer­kung: Die For­mu­lie­rung „Aus­brei­tung von In­halts­lis­ten“ hat eine leicht ne­ga­ti­ve An­mu­tung im Sinne von: Die Leh­rer haken im Un­ter­richt auf Lis­ten den Stoff ab. Wir wol­len das nicht so ver­stan­den wis­sen. Im Ge­gen­teil: Ein fun­dier­tes fach­di­dak­ti­sches Wis­sen der Leh­rer (dazu ge­hö­ren auch In­hal­te) ist un­ab­ding­bar.)
Zwei­tens: Es geht nicht ohne die Be­nen­nung grund­le­gen­der Ziel­di­men­sio­nen für ein Fach.
Drit­tens: Es wird stark auf „Pro­blem­lö­sen“, auf „Kön­nen“ ab­ge­ho­ben.

Bevor aus die­sen mehr theo­re­ti­schen Zu­gän­gen zum Kom­pe­tenz­be­griff prak­ti­sche Fol­ge­run­gen ge­zo­gen wer­den, müs­sen wir uns ver­ge­gen­wär­ti­gen, um wel­che Fra­ge­stel­lun­gen es dabei immer geht. Zum Bei­spiel sol­che:
Wie kön­nen wir be­grün­den, dass Schü­ler am Gym­na­si­um 8 Jahre Ma­the­ma­tik­un­ter­richt haben soll­ten? Was ist daran so wich­tig?
Was wür­den Sie dar­auf Fach­leh­rern, El­tern, Po­li­ti­kern ant­wor­ten?
Man könn­te z.B. sagen:
Die Schü­ler sol­len die Pro­zent­rech­nung kön­nen. (Alle ver­ste­hen, um was es geht und stim­men zu.)

Die Schü­ler sol­len Glei­chun­gen lösen kön­nen. (Die Fach­leh­rer ver­ste­hen, um was es geht, die an­de­ren er­in­nern sich daran, all­ge­mei­ne Zu­stim­mung.) Die Schü­ler sol­len Box­plots ver­wen­den. (Die Fach­leh­rer in NRW und Nie­der­sach­sen ver­ste­hen, um was es geht. Die Fach­leh­rer in BW ?) Das Bei­spiel zeigt gut die Aus­tausch­bar­keit von In­hal­ten.)

Bei allen sol­chen Ver­su­chen, die Not­wen­dig­keit und die Be­deu­tung von Ma­the­ma­tik­un­ter­richt über In­hal­te zu ver­mit­teln, bleibt das Ge­fühl zu­rück, dass etwas We­sent­li­ches fehlt. Stel­len wir die Frage an­ders: Was kann man in Ma­the­ma­tik ler­nen, was man in an­de­ren Fä­chern nicht ler­nen kann?
Da kön­nen wir doch mit gutem Recht sagen:
Die prä­zi­se Be­schrei­bung und Ver­wen­dung von Be­grif­fen (De­fi­ni­tio­nen) ist ein­ma­lig. Die Her­stel­lung prä­zi­ser kau­sa­ler Ge­dan­ken­ket­ten ist ein­ma­lig (Sätze)
. Die Fülle von Pro­blem­stel­lun­gen ist ein­ma­lig; d.h. die Mög­lich­keit, im Un­ter­richt mehr pro­blem­lö­send nach­zu­den­ken als nach­voll­zie­hend zu ler­nen.

Damit sind die in dem obi­gen Zitat an­ge­spro­che­nen grund­le­gen­den Ziel­di­men­sio­nen des Fa­ches an­ge­spro­chen. Mit die­sen Ziel­di­men­sio­nen, die ja auch uns Fach­leh­rer für unser Fach be­geis­tern, kön­nen wir un­se­ren Un­ter­richt be­grün­den. Mit In­hal­ten kön­nen wir das nur sehr be­grenzt.
Hier wird auch die For­de­rung in dem obi­gen Zitat nach „kön­nen“ im Ge­gen­satz zu „wis­sen“ deut­lich: „Kau­sa­le Ge­dan­ken­ket­ten“ kann man zwar wis­sen, d.h. bei Be­darf nach­spre­chen, aber sie her­stel­len kön­nen, das ist eben Kön­nen.

Damit lie­gen, wie wir mei­nen, die theo­re­ti­sche Be­schrei­bung des Kom­pe­tenz­be­griffs und un­se­re Auf­fas­sung als Fach­leh­rer des Fa­ches wenig aus­ein­an­der. Für unser Vor­ge­hen soll das nun hei­ßen, dass wir uns ei­ner­seits an Ver­öf­fent­li­chun­gen ori­en­tie­ren, aber an­de­rer­seits auch un­se­re in­di­vi­du­el­len Er­fah­run­gen und Ein­stel­lun­gen zur Spra­che brin­gen wer­den.
Neben dem Bil­dungs­plan 2004 ( www.​bil­dung-​sta­erkt-​men­schen.​de ) be­zie­hen wir uns auf zwei Ver­öf­fent­li­chun­gen be­son­ders:
Vor­trag „As­pek­te einer zu­künf­ti­gen Leh­rer­bil­dung“ von Prof. Dr. Eck­hard Klie­me, Deut­sches In­sti­tut für In­ter­na­tio­na­le Päd­ago­gi­sche For­schung, Uni­ver­si­tät Frank­furt ge­hal­ten auf dem vom Se­mi­nar Tü­bin­gen ver­an­stal­te­ten Kon­gress „Leh­rer­Bil­dung für die Zu­kunft“ am 23./24. März 2007 in Tü­bin­gen. Die­ser Vor­trag be­ruht zu gro­ßen Tei­len auf em­pi­ri­schen Un­ter­su­chun­gen.
(Nach­zu lesen in: Mood­le-Ver­weis)
Prof. Hil­bert Meyer in sei­ner Ver­öf­fent­li­chung „Was ist guter Un­ter­richt?“
(H. Meyer, Was ist guter Un­ter­richt? ,Cor­nel­sen Scrip­tor, 5. Auf­la­ge 2008)

Das Fol­gen­de glie­dert sich in drei Teile:
Zum Ers­ten soll die auf­ge­wor­fe­ne Frage „Was ist kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Ma­the­ma­tik­un­ter­richt?“ be­ant­wor­tet wer­den.
Zum Zwei­ten ist es unser Ziel, Qua­li­täts­kri­te­ri­en für einen kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Ma­the­ma­tik­un­ter­richt zu for­mu­lie­ren.
Damit wäre dann ein Ge­rüst, mit des­sen Hilfe wir dann ab­schlie­ßend die Mo­du­le der Fort­bil­dung er­läu­tern, vor­han­den.

 


Ein­stiegs­re­fe­rat, H. Buck, H. Freu­dig­mann, 2009

1 aus [1]: Stu­di­en­se­mi­nar Ko­blenz „Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung-in­di­vi­du­el­le För­de­rung-Stan­dar­di­sie­rung: Wie kann das gehen?“ Vor­trag auf dem MNU-Tag in Ham­burg am 14.9.2006 www.​auf​gabe​nkul​tur.​stu​dien​semi​nar-​ko­blenz.​de Ein­stiegs­re­fe­rat, H. Buck, H. Freu­dig­mann, 2009