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These 2

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Be­son­ders schwie­rig zu rea­li­sie­ren (weil für die her­kömm­li­che Di­dak­tik neu, und weil darin auch immer viel von der Fach­spe­zi­fik steckt) ist ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung, die aber an­de­rer­seits für Ver­ste­hens­pro­zes­se be­son­ders wich­tig ist.

Für die Fach­spe­zi­fik möch­te ich ihnen ein Bei­spiel nen­nen aus der so ge­nann­ten DESI-Stu­die, dies steht für „Deutsch-Eng­lisch Schü­ler­leis­tung In­ter­na­tio­nal“. [5] An­dre­as Helm­ke hat eine Vi­deo­stu­die für den Eng­lisch­un­ter­richt durch­ge­führt. Er hat sehr aus­sa­ge­star­ke Er­klä­rungs­mo­del­le für den Leis­tungs­zu­wachs der Eng­lisch­leis­tung her­aus­ge­fun­den, kon­kre­ti­siert am Hör­ver­ste­hen. Die Aus­sa­ge­stär­ke war grö­ßer als wir sie oft in der Ma­the­ma­tik oder in den Na­tur­wis­sen­schaf­ten fin­den.

Es gibt Merk­ma­le, die man aus der Vi­deo­ana­ly­se iden­ti­fi­zie­ren konn­te, näm­lich z. B. wie häu­fig Schü­ler Ge­le­gen­heit haben, ihre Feh­ler selbst zu kor­ri­gie­ren. Helm­ke hat nach­ge­wie­sen, dass dies ex­trem sel­ten vor­kommt. Feh­ler kom­men im Eng­lisch­un­ter­richt häu­fi­ger vor: Aus­spra­che­feh­ler, gram­ma­ti­ka­li­sche Feh­ler. Nur zu einem Teil, etwa 50%, wer­den sie über­haupt zur Kennt­nis ge­nom­men und kom­men­tiert. Die Schü­ler selbst oder ihre Mit­schü­ler er­hal­ten wie­der­um nur in einem Mi­ni­mum der Fälle Ge­le­gen­heit, auf die­sen Feh­ler ir­gend­wie zu re­kur­rie­ren, ihn zu kor­ri­gie­ren. Das Aus­maß, in dem das vor­kommt, ist ein star­ker In­di­ka­tor für den Leis­tungs­zu­wachs im Hör­ver­ste­hen.

Glei­ches gilt für die Ver­wen­dung der eng­li­schen Spra­che (und nicht des Deut­schen) im Un­ter­richts­ge­spräch: hohe Sprech­an­tei­le für Schü­ler, nicht für den Leh­rer. Ein hoher Sprech­an­teil der Lehr­kraft hat üb­ri­gens auch in der Ma­the­ma­tik oder in den Na­tur­wis­sen­schaf­ten kei­nen po­si­ti­ven Ef­fekt. Aber wir be­ob­ach­ten in allen Fä­chern drei Vier­tel Sprach­an­teil von Lehr­kräf­ten.

Wich­tig ist wei­ter die War­te­zeit nach Leh­rer­fra­gen: Wie lange war­tet der Leh­rer, bis die Schü­ler sich äu­ßern kön­nen? Lässt er einen Dia­log über meh­re­re Sta­tio­nen zu, in dem viel­leicht auch län­ge­re Sätze ge­äu­ßert wer­den kön­nen? Das sind alles grund­le­gen­de Merk­ma­le, die ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung im kom­mu­ni­ka­ti­ven Fremd­spra­chen­un­ter­richt be­schrei­ben.

Warum be­schrei­ben sie ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung? Weil ein Schü­ler, der per­ma­nent Eng­lisch reden muss, in sei­ner gan­zen kom­ple­xen Sprach­kom­pe­tenz her­aus­ge­for­dert ist, egal ob er auf einen Ge­gen­stand, auf das Buch, auf die Tafel, auf die Un­ter­richts­or­ga­ni­sa­ti­on oder sonst etwas Bezug nimmt. Er muss seine Sprach­kom­pe­tenz nut­zen, und damit ent­wi­ckelt er sie wei­ter. Auch die Feh­ler­kor­rek­tur – das hat­ten wir schon in der Ma­the­ma­tik – ist ein gutes Kenn­zei­chen für einen ko­gni­tiv ak­ti­ven, re­flek­tier­ten Um­gang mit Sprach­kom­pe­tenz. Diese Dinge sind re­le­vant für ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung, wenn es um Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­se etwa im Hören des Eng­li­schen geht.

Diese Fak­to­ren sind je­doch z. B. nicht re­le­vant für Ma­the­ma­tik. Um­ge­kehrt haben wir ge­fun­den, dass das Merk­mal Struk­tu­rie­rung, das für einen er­folg­rei­chen Ma­the­ma­tik­un­ter­richt un­ge­heu­er wich­tig ist, für den Eng­lisch­un­ter­richt über­haupt keine Prä­dik­ti­ons­kraft hat. Struk­tu­rie­rungs­merk­ma­le stel­len z. B. im Ma­the­ma­tik­un­ter­richt in einem ganz an­de­ren Maße als im Eng­lisch­un­ter­richt eine Vor­aus­set­zung für ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung dar: Dass der In­halt klar ge­glie­dert ist, dass ein Ziel vor­ge­ge­ben wird, dass der Leh­rer einen Schnitt macht und sagt: „Jetzt haben wir den Satz des Py­tha­go­ras fest­ge­stellt. Jetzt schau­en wir uns mal an, wie man ihn be­weist.“

Die­ses Er­geb­nis hat uns sehr über­rascht, weil wir davon aus­ge­gan­gen waren, diese Kri­te­ri­en müss­ten ge­ne­rell gel­ten. Das ist aber nicht der Fall. Sie sehen also: Un­ter­richts­qua­li­tät ist fach­spe­zi­fisch, ins­be­son­de­re die ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung ist fach­spe­zi­fisch. Die Klas­sen­füh­rung – das sehen wir auch in der DESI-Stu­die – und das so­zia­le Klima, das sind die Ba­sics, die über­all gel­ten. Ko­gni­ti­ve Ak­ti­vie­rung muss man je­doch fach­spe­zi­fisch durch­de­kli­nie­ren. Dazu braucht man die Fach­di­dak­tik, dazu braucht man eine gute fach­di­dak­ti­sche Aus­bil­dung.

wei­ter

 

[5] Beck, B./Klie­me, E. (Hg.) (2007). Sprach­li­che Kom­pe­ten­zen. Kon­zep­te und Mes­sung. DESI-Stu­die. Wein­heim/Basel: Beltz.