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Vor­be­mer­kung

All­ge­mei­ne Hin­wei­se:

Zur bes­se­ren Les­bar­keit wird statt „Schü­le­rin­nen und Schü­ler“ im Text die männ­li­che Form ge­wählt, es ist je­doch immer die weib­li­che Form mit­ge­meint.

Bei Zi­ta­ten aus wis­sen­schaft­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen, die der sog. alten Recht­schrei­bung fol­gen, passe ich die Schrei­bung der neuen Nor­mie­rung an.

 

Vor­be­mer­kun­gen zur Un­ter­richts­ein­heit

In ihren Na­tio­nal­li­te­ra­tu­ren zäh­len Gus­t­ave Flau­bert, Lew Tol­stoi und Theo­dor Fon­ta­ne zu den be­deu­tends­ten Au­to­ren, ihre Werke Ma­dame Bo­va­ry, Anna Ka­reni­na und Effi Briest sind Be­stand­teil des Li­te­ra­tur­ka­nons.

In den Ehe­bruchs­ro­ma­nen des 19. Jahr­hun­derts geht es um die The­men Liebe, Lüge und Ver­rat; als Fa­mi­li­en­ro­man er­zäh­len sie Fa­mi­li­en­tra­gö­di­en, als Ge­sell­schafts­ro­man the­ma­ti­sie­ren sie Wert­vor­stel­lun­gen, Re­geln und Kon­ven­tio­nen einer Zeit im Um­bruch. Sie er­öff­nen dem heu­ti­gen Leser ein Pan­ora­ma auf ihre Zeit und wer­fen fol­gen­de Fra­gen auf: In wel­chem Ver­hält­nis ste­hen In­di­vi­du­um und Ge­sell­schaft? Wie kann die In­di­vi­dua­li­tät ge­wahrt und die Rolle in der Ge­sell­schaft den­noch wahr­ge­nom­men wer­den? Was kann, darf und soll die Ge­sell­schaft ge­gen­über dem Ein­zel­nen und sei­ner In­di­vi­dua­li­tät ein­räu­men?

Die Ge­sell­schaf­ten, die in den Ro­ma­nen vor­ge­führt wer­den, sind al­le­samt Ge­sell­schaf­ten im Auf­bruch. Im 19. Jahr­hun­dert pral­len in Eu­ro­pa tra­di­tio­nel­le Ge­sell­schafts­ord­nun­gen, Mus­ter und Ver­hal­tens­wei­sen auf neue Le­bens­wel­ten. Fra­gen nach der exis­ten­zi­el­len Sinn­su­che und das in­di­vi­du­el­le Glück­stre­ben er­hal­ten neue Aus­prä­gun­gen.

In der ver­glei­chen­den Be­trach­tung der drei Va­ria­tio­nen von Ehe­bruchs­ge­schich­ten ver­bin­den sich drei Sprach- und Kul­tur­räu­me sowie un­ter­schied­li­che his­to­ri­sche, so­zia­le und kul­tu­rel­le Kon­tex­te der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts in Frank­reich, Russ­land und Deutsch­land/Preu­ßen. Das 19. Jahr­hun­dert, das ab etwa der zwei­ten Hälf­te in der Li­te­ra­tur vom Rea­lis­mus ge­prägt wird, steht im Zei­chen von In­dus­tria­li­sie­rung, der so­zia­len Frage, Na­tio­na­lis­mus, Im­pe­ria­lis­mus, Fort­schritts­glau­ben und His­to­ris­mus, bür­ger­li­cher Glanz, Mas­sen­elend: dar­aus er­gibt sich ein Span­nungs­feld zwi­schen so­zia­len, geis­ti­gen, po­li­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Ant­ago­nis­men. Flau­bert führt den Leser mit Ma­dame Bo­va­ry in das pro­vin­zi­el­le Bür­ger­tum, Tol­stois Anna Ka­reni­na spielt sich in der rus­si­schen Hoch­a­ris­to­kra­tie ab, Fon­ta­nes Effi Briest zeigt den preu­ßi­schen Land­adel.

Ein Blick in die wis­sen­schaft­li­che Li­te­ra­tur be­legt: Der Ver­gleich die­ser drei gro­ßen Ro­ma­ne der Welt­li­te­ra­tur ist ein gern- und viel­dis­ku­tier­ter Ge­gen­stand. Die große Viel­falt in der Schwer­punkt­set­zung der Ver­glei­che zeigt die große Kom­ple­xi­tät und den hohen An­spruch der Ro­ma­ne.

Aus­ge­wähl­te The­men­fel­der aus den drei Ro­ma­nen der Welt­li­te­ra­tur wer­den im fol­gen­den Un­ter­richts­vor­schlag ver­glei­chend ge­le­sen und dis­ku­tiert: aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven her­aus wer­den mensch­li­che Grund­si­tua­tio­nen im Kon­text ihrer ge­sell­schaft­li­chen Rolle und Ein­bin­dung dar­ge­stellt; es ist das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen dem Ein­zel­nen und der Ge­sell­schaft, das den Men­schen in sei­nen Hand­lun­gen, Vor­stel­lun­gen und emo­tio­na­len Ver­wick­lun­gen be­stimmt.

Ideal wäre die Text­kennt­nis aller drei Ro­ma­ne. In An­be­tracht des Stun­den­um­fangs und der Stel­lung des Wahl­fachs Li­te­ra­tur, ist dies kaum rea­li­sier­bar. Ein Lesen in Aus­zü­gen kann kein um­fas­sen­des Lesen er­set­zen und somit kön­nen die Be­spre­chung und der Ver­gleich der Ro­ma­ne nur aus­schnitt­haft er­fol­gen. So bleibt bei­spiels­wei­se die psy­cho­lo­gi­sche Sub­ti­li­tät und Tiefe der Fi­gu­ren Tol­stois nur aus­schnitt­haft; der Per­spek­tiv­reich­tum, mit wel­chem die Liebe bei Tol­stoi ver­han­delt wird, bleibt stel­len­wei­se offen: Spie­ge­lun­gen und Wi­der­sprü­che der ver­schie­de­nen Hand­lungs­strän­ge des Ro­mans wer­den nicht tie­fer the­ma­ti­siert. Ei­gent­lich wird im Roman Anna Ka­reni­na nicht eine Ge­schich­te, son­dern drei Ge­schich­ten er­zählt, die mit­ein­an­der ver­knüpft sind, aber auch ein­zeln be­trach­tet eine ei­gen­stän­di­ge Er­zäh­lung er­ge­ben. In dem vor­lie­gen­den Un­ter­richts­vor­schlag wird der Er­zähl­strang um die Ti­tel­fi­gur Anna Ka­reni­na ver­folgt. Ins­ge­samt wer­den ex­em­pla­risch an Schlüs­sel­stel­len aus­ge­wähl­te The­men und Mo­ti­ve fo­kus­siert, die den Schü­le­rin­nen und Schü­lern einen Ein­blick in die drei gro­ßen Ro­ma­ne der Welt­li­te­ra­tur geben. Grund­le­gen­de Prin­zi­pi­en der ver­glei­chen­den Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft wer­den be­rück­sich­tigt: für den Ver­gleich ver­schie­de­ner Na­tio­nal­li­te­ra­tu­ren braucht es ein Li­te­ra­tur­ver­ständ­nis, das in­ter­na­tio­nal aus­ge­rich­tet ist. Der na­tio­na­le Blick auf li­te­ra­ri­sche Epo­chen muss über­schrit­ten wer­den.

Da die Fremd­spra­chen­kennt­nis­se der Le­se­rin­nen und Leser immer be­grenzt sind, sind Über­set­zun­gen in der ver­glei­chen­den Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft un­um­gäng­lich. Er­war­tet wird die Be­reit­schaft, un­be­kann­tes Ge­biet zu be­tre­ten und ge­gen­über Neuem offen zu sein.

Ziel der Ro­man­ver­glei­che ist es, durch das Sicht­bar­ma­chen von Ge­mein­sam­kei­ten und Un­ter­schie­den Ei­gen­ar­ten her­aus­zu­ar­bei­ten und dar­zu­stel­len. Ein Ver­glei­chen ver­langt einen dif­fe­ren­zie­ren­den Blick, der die un­ter­schied­li­chen Ver­gleichs­mög­lich­kei­ten be­rück­sich­tigt:

  • Äqui­va­lent und kon­tras­tiv: Ge­mein­sam­kei­ten und Un­ter­schie­de er­ken­nen
  • Ge­ne­tisch: Ähn­lich­kei­ten durch Kon­takt bzw. durch di­rek­ten oder in­di­rek­ten Ein­fluss her­aus­ar­bei­ten
  • Ty­po­lo­gisch: mo­ti­vi­sche und struk­tu­rel­le Ähn­lich­kei­ten trotz ge­gen­sei­ti­ger Un­kennt­nis auf­zei­gen

 

Me­tho­di­sche Schwer­punkt­set­zung I: Das li­te­ra­ri­sche Ge­spräch

Aus­ge­hend von aus­ge­wähl­ten Text­stel­len sol­len die Schü­le­rin­nen und Schü­ler li­te­ra­ri­sche Ge­sprä­che in­iti­ie­ren, in denen sie ihre In­ter­pre­ta­ti­ons- und Ver­gleichs­an­sät­ze dar­stel­len und be­grün­den. Die Be­ob­ach­tung und Re­fle­xi­on von li­te­ra­ri­schen Ge­sprä­chen dient der ko­gni­ti­ven Si­che­rung von Ge­lern­tem: Dazu müs­sen Aus­sa­gen ver­stan­den, Zu­sam­men­hän­ge her­ge­stellt und die Ge­dan­ken­ent­wick­lung er­fasst wer­den. Die Mo­dera­ti­on li­te­ra­ri­scher Ge­sprä­che soll im Ver­lauf der Un­ter­richts­ein­heit immer wei­ter in die Hand der Schü­le­rin­nen und Schü­ler ge­legt wer­den. Dazu kön­nen Be­ob­ach­tungs­fra­gen ge­stellt wer­den, die zur Re­fle­xi­on über den Ge­sprächs­ver­lauf an­re­gen:

  • Wel­cher Sach­ver­halt/wel­che Fra­ge­stel­lung stand am An­fang des li­te­ra­ri­schen Ge­sprächs?
  • Was konn­te ge­klärt wer­den?
  • Wel­che Fra­gen bzw. Kon­tro­ver­sen be­ste­hen wei­ter­hin - und warum?
  • Wel­che As­pek­te müs­sen noch ver­tieft wer­den?

Die Lehr­kraft kann den Schü­le­rin­nen und Schü­lern zur För­de­rung der li­te­ra­ri­schen Ge­sprächs­kom­pe­tenz Ge­sprächs­punk­te bie­ten z. B. in Form von Aus­sa­gen/The­sen, die eine Stel­lung­nah­me, Prü­fung oder Be­grün­dung for­dern.

 

Me­tho­di­sche Schwer­punkt­set­zung II: Die wis­sen­schaft­li­che Li­te­ra­tur­re­cher­che

Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­li­ches Ar­bei­ten be­darf auch ent­spre­chen­der Hilfs­mit­tel wie Fach­le­xi­ka und wis­sen­schaft­li­cher Li­te­ra­tur. Um diese zu fin­den und rich­tig zu be­nut­zen, emp­fiehlt sich eine Ex­kur­si­on in eine Bi­blio­thek. In der Regel kön­nen Schü­le­rin­nen und Schü­ler diese kos­ten­frei nut­zen. Eine Ein­füh­rung durch eine/n Bi­blio­the­kar/in in die rich­ti­ge Be­nut­zung der je­wei­li­gen Ka­ta­lo­ge und das Ken­nen­ler­nen der ört­li­chen und di­gi­ta­len An­ge­bo­te soll­te durch­ge­führt wer­den. Re­cher­che­auf­trä­ge und ein­zel­ne Auf­ga­ben­stel­lun­gen der vor­lie­gen­den Un­ter­richts­ein­heit er­for­dern eine gute Re­cher­che­kom­pe­tenz.

Le­se­for­men für den Un­ter­richt

Vor­schlag 1 zur Di­dak­ti­sie­rung:

Ge­mein­sa­me Lek­tü­re eines Ro­mans vor­zugs­wei­se vor Be­ginn der Un­ter­richts­ein­heit, damit zu­ver­läs­sig auf des­sen In­halt zu­rück­ge­grif­fen wer­den kann. Emp­foh­len wer­den auf­grund des Um­fangs und des Ro­man­auf­baus Effi Briest oder Ma­dame Bo­va­rys. Die je­weils an­de­ren Ro­ma­ne wer­den in Aus­zü­gen zu Ver­fü­gung ge­stellt.

Vor­schlag 2 zur Di­dak­ti­sie­rung:

Bil­dung von Ex­per­ten­grup­pen, alle drei Ro­ma­ne wer­den in Grup­pen ge­le­sen. Dies kann vorab oder par­al­lel zur Be­hand­lung im Un­ter­richt ge­sche­hen.

Der Vor­teil: Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen Zu­sam­men­hän­ge selbst er­klä­ren und dar­stel­len; li­te­ra­ri­sche Ge­sprä­che sind tie­fer­ge­hend mög­lich und die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen ei­gen­stän­di­ger ar­bei­ten. Da der Um­fang der Ro­ma­ne und somit das Le­se­pen­sum sehr un­ter­schied­lich ist, muss die­ses Vor­ge­hen mit den Schü­le­rin­nen und Schü­lern gut ab­ge­stimmt wer­den.

Jedes Modul bie­tet Ver­tie­fungs­mög­lich­kei­ten, die im Rah­men von schrift­li­chen Haus­ar­bei­ten und /oder Re­fe­ra­ten und/oder Klau­su­ren her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen. In­di­vi­du­el­le In­ter­es­sen kön­nen so ver­folgt wer­den.

 

All­ge­mei­ne Li­te­ra­tur­hin­wei­se

Li­te­ra­tur­hin­wei­se zur ein­zel­nen Schwer­punk­ten

 

Welt­li­te­ra­tur lesen: li­te­ra­ri­scher Ver­gleich: Her­un­ter­la­den [docx][223 KB]

Welt­li­te­ra­tur lesen: li­te­ra­ri­scher Ver­gleich: Her­un­ter­la­den [pdf][966 KB]

 

Wei­ter zu All­ge­mei­ne Li­te­ra­tur­hin­wei­se