Kapitel 3: Erster Auftritt der (zukünftigen) Ehemänner – erstes Aufeinandertreffen
Effi Briest
📖 Zweites Kapitel, S. 16: Schon im nächsten Augenblick trat Effi mit der Mama in den großen Gartensaal, der fast den ganzen Raum des Seitenflügels füllte. [...] → S. 18 [...] denn im selben Augenblicke fast, wo sich Innstetten unter freundlicher Verneigung ihr näherte, wurden an dem mittleren der weit offen stehenden und von wildem Wein halb überwachsenen Fenster die rot-blonden Köpfe der Zwillinge sichtbar und Hertha, die Ausgelassenste, rief in den Saal hinein: „Effi, komm.“
Arbeitsauftrag:
„Effi schwieg und suchte nach einer Antwort“ (S. 17, Z. 26) Diskutieren Sie den Deutungsraum von Effis Schweigen. Bliebe ihr die Zeit, eine Antwort zu finden, wie könnte diese lauten? Tauschen Sie abschließend Ihre Ergebnisse aus und halten diese stichpunktartig fest.
Hinweis an die Erwartung der gestaltenden Aufgabe: Effi gibt sich einerseits altklug und gibt sich vernunftgesteuert, andererseits ist sie kindlich verspielt und impulsiv. Die möglichen Thesen können sich zwischen diesen Polen bewegen. Methodisch könnte die Einschätzung durch ein Einzeichnen oder das räumliche Positionieren der Schüler auf einer Skala zwischen den beiden Polen erfolgen.
Reflexion über die Ergebnisse
Arbeitsauftrag:
- Informieren Sie sich über die Funktion von sogenannten ‚Leerstellen‘ nach dem Literaturwissenschaftler Wolfgang Iser. (Z. B. in Hans-Edwin Friedich: Rezeptionsästhetik / Rezeptionstheorie, S. 608. In: Jost Schneider (Hrsg.): Methodengeschichte der Germanistik, Berlin 2009.)
Erklären Sie anschließend, wie es zu ihren unterschiedlichen Ergebnissen im Deutungsraum von Effis Schweigen kommen konnte.
- Welche Rolle spielt es für den weiteren Handlungsverlauf, dass Effi keine Zeit hatte, über eine mögliche Antwort nachzudenken?
Hinweis zu 2.: Hier sind Antworten auf der Handlungsebene und der Ebene der Lesersteuerung denkbar. So wird ihr Schicksal dramatischer, da sie von der Verlobung überrascht wurde, sie hatte keine „echte“ Wahl. Der Leser empfindet Mitleid und erkennt die Ausweglosigkeit von Effis Lage.
Madame Bovary
📖 Erster Teil, Kapitel II, S. 28: Als Charles sich oben von Vater Rouault verabschiedet hatte und vor dem Aufbruch noch einmal in den großen Raum trat, stand sie am Fenster, die Stirn gegen die Scheibe gedrückt, und blickte hinaus in den Garten, wo der Wind die Bohnenstangen umgelegt hatte. [...]→ Anstatt drei Tage darauf wieder nach Les Bertaux zu kommen, wie er versprochen hatte, erschien er bereits am nächsten Tag, dann regelmäßig zweimal pro Woche, die überraschenden Besuche nicht mitgerechnet, die er von Zeit zu Zeit machte, wie aus Versehen.
Arbeitsauftrag:
Analysieren Sie die Szene mit Blick auf ihre Doppelbödigkeit.
Hinweis: Auf realer Ebene wird die Begegnung eines verheirateten Mannes mit einer jungen Frau. weitgehend sachlich erzählt. Er verliebt sich in sie. Auf einer zweiten Ebene kommen Komik und karikatureske Elemente zum Vorschein. Sexuelle Anzüglichkeiten und sprachliche Schlüpfrigkeit prägen die Szene.
Anna Karenina
Anna Karenina ist bereits seit acht Jahren verheiratet. Das erste Aufeinandertreffen zwischen Anna und ihrem Ehemann im Roman findet am Bahnsteig statt, Anna kehrt von einer Moskaureise nach St. Petersburg zurück:
📖 Erster Teil, Kapitel XXX, S. 161: In Petersburg hatte der Zug kaum gehalten und war sie kaum ausgestiegen, da zog als erstes das Gesicht ihres Mannes ihre Aufmerksamkeit an. [...] → S. 162 ... „Ja, wie du siehst, dein zärtlicher Gatte, zärtlich wie im Jahr nach der Eheschließung, hatte das brennende Verlangen, dich zu sehen“, sagte er mit seiner schleppenden dünnen Stimme und in dem Ton, den er ihr gegenüber fast immer anschlug, im Ton des Spotts über diejenigen, die quasi tatsächlich so redeten.
Arbeitsauftrag:
Analysieren Sie die sprachliche Gestaltung der Begegnungsszene. Wie wirkt das Gespräch zwischen den Eheleuten auf den Leser?
Hinweis: Das Gespräch hat einen komisch-satirischen Klang. Wolfgang Matz hält dazu fest: „[Karenin liebt] seine Ehefrau Anna [...] wie im Jahr der Eheschließung. Nur weil er es als Parodie ausspricht, kann er das Ernstgemeinte sagen. Seine Sprache der Liebe ist eine Regel, die im Regelwerk der Ehe jene leidenschaftlichen Ergüsse ersetzen soll, die dort keinen Platz mehr haben; Voraussetzung, dass dieses Regelwerk funktioniert, ist jedoch das Einverständnis beider Partner.“ (Wolfgang Matz, Die Kunst des Ehebruchs, S. 33.)
EXKURS und Rechercheaufgabe:
(Bürgerliche) Gesellschaft und Ehe im 19. Jahrhundert in Frankreich, Deutschland/Preußen und Russland: Wie war die Stellung von Mann und Frau in der Ehe? Unter welchen Bedingungen konnte eine Ehe geschieden werden? Wie wurde mit Ehebruch durch die Frau umgegangen? Mit welchen Folgen hatte eine Scheidung für die Frau?
Recherchieren Sie in einschlägigen Nachschlagewerken und Quellen (z. B. Code Civil) und stellen Sie Ihre Ergebnisse in einem Kurzvortrag dar.
Weltliteratur lesen: literarischer Vergleich: Herunterladen [docx][223 KB]
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