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Wie misst man die Qua­li­tät eines Ur­teils?

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen bei einem Sach- oder Wert­ur­teil durch­aus zum glei­chen Er­geb­nis kom­men, die Qua­li­tät des Ur­teils kann sich aber stark un­ter­schei­den. So ist denk­bar, dass zwei Schü­ler auf die Frage, ob die Tür­kei Mit­glied der EU wer­den soll, mit „Nein“ ant­wor­ten, also zum glei­chen Er­geb­nis kom­men. Ent­schei­dend ist nicht das Er­geb­nis, son­dern die Art und Weise, wie das Er­geb­nis be­grün­det wird. Eine Zu­wachs an Ur­teils­kom­pe­tenz zeigt sich also in der Qua­li­tät der Be­grün­dung und Re­fle­xi­on. San­der be­schreibt diese Qua­li­täts­ver­bes­se­rung als eine „Zu­nah­me von Kom­ple­xi­tät“.

Bsp.: Grie­chen­land und die Eu­ro­kri­se 2010

Ur­teil: Grie­chen­land muss die Ge­mein­schafts­wäh­rung ab­ge­ben und die Drach­me wie­der ein­füh­ren

Be­grün­dungs­mus­ter:

  1. Die Grie­chen haben über ihre Ver­hält­nis­se ge­lebt und haben den Euro nicht ver­dient.
  2. Grie­chen­land hat auf­grund stei­gen­der Lohn­stück­kos­ten er­heb­li­che Wett­be­werbs­nach­tei­le ge­gen­über Deutsch­land. Im Eu­ro­raum kann Grie­chen­land durch eine Ab­wer­tung diese Si­tua­ti­on nicht ver­bes­sern. Dies kann nur mit einer ei­ge­nen Wäh­rung ge­lin­gen.

Bei Wert­ur­tei­len geht es um die Er­wei­te­rung des Be­zugs­fel­des eines mo­ra­li­schen Ur­teils. Der Maß­stab des Ur­teils „er­wei­tert“ sich und Schü­le­rin­nen und Schü­ler sind dar­über hin­aus in der Lage, die „Rich­tig­keit“ des an­ge­wand­ten Maß­stabs zu re­flek­tie­ren und ver­schie­de­ne Her­an­ge­hens­wei­sen ge­gen­ein­an­der ab­zu­wä­gen:

Mein per­sön­li­cher Nut­zen oder Scha­den Bin ich per­sön­lich be­trof­fen?
Vor­stel­lun­gen mei­nes engen so­zia­len Um­fel­des Ist meine Fa­mi­lie be­trof­fen?
Gel­ten­de Nor­men- und Re­gel­vor­stel­lun­gen einer be­stimm­ten Ge­sell­schaft Ent­spricht die ge­plan­te Maß­nah­me den Norm­vor­stel­lun­gen un­se­rer Ge­sell­schaft?
All­ge­mein ge­ne­ra­li­sier­ba­re ethi­sche Prin­zi­pi­en Ist die Ent­schei­dung mit grund­le­gen­den ethi­schen Prin­zi­pi­en zu ver­ein­ba­ren?

Be­zugs­fel­der, mit denen man ein Wert­ur­teil be­grün­den kann, wären bspw.:

  • Kants ka­te­go­ri­scher Im­pe­ra­tiv
  • Uti­li­ta­ris­ti­sche Nut­zen­kal­kü­le
  • Ge­sin­nungs­ethi­sche und ver­ant­wor­tungs­ethi­sche Be­trach­tun­gen
  • (...)

Ziel des Kom­pe­ten­zen­trai­nings ist dabei nicht, be­stimm­te Wert­vor­stel­lun­gen zu ver­mit­teln, son­dern den Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Mög­lich­keit zu geben, sich mit den Wert­vor­stel­lun­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen und ihre per­sön­li­chen Wert­vor­stel­lun­gen wei­ter aus­zu­bau­en.

Im Be­reich der Sa­chur­tei­le be­schreibt San­der die Kom­ple­xi­täts­stei­ge­rung eines Ur­teils mit der Fä­hig­keit „ge­nau­er hin­zu­se­hen“.
Diese Kom­ple­xi­täts­stei­ge­rung kann er­reicht wer­den, indem Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen:

  • In den drei Di­men­sio­nen des Po­li­ti­schen zu den­ken
  • Ver­schie­de­ne so­zi­al­wis­sen­schaft­li­che Per­spek­ti­ven an­zu­wen­den, z.B. die öko­no­mi­sche Ver­hal­tens­theo­rie
  • Dia­lek­ti­sche Ka­te­go­ri­en­paa­re auf po­li­ti­sche Pro­ble­me an­zu­wen­den (z.B. Le­gi­ti­mi­tät und Ef­fi­zi­enz)
  • Po­li­ti­sche Pro­zes­se „ver­netzt“ zu er­fas­sen, d.h. auch nicht-in­ten­dier­te Fol­gen po­li­ti­scher Ent­schei­dun­gen ein­zu­be­zie­hen (z.B. die Kon­so­li­die­rung des Bun­des­haus­halts u.a. durch Ein­spa­run­gen bei den Hartz IV Aus­ga­ben und die Fol­gen die­ser Spar­maß­nah­men auf pri­va­te Haus­hal­te mit ge­rin­ger oder kei­ner Spar­quo­te)

 

Po­li­ti­sche Ur­teils­kom­pe­tenz trai­nie­ren: Her­un­ter­la­den [pdf] [158 KB]

Bei­spiel: Ein lehr-lern­theo­re­ti­scher Ur­teils­zy­klus

Kann man Ur­tei­len ler­nen?