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M1 Die Fi­nanz- und Wirt­schafts­kri­se

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


Nach: Fi­nanz- und Wirt­schafts­kri­se. In: WEED (Welt­wirt­schaft, Öko­lo­gie & Ent­wick­lung ) (Hrsg.): Am Rande des Zu­sam­men­bruchs ? Ber­lin 2010, S.6-7

Die jüngs­te Fi­nanz­kri­se 2008/2009 hat das Welt­wirt­schafts- und Fi­nanz­sys­tem an den Rand des Zu­sam­men­bruchs ge­bracht und wird noch lang­fris­tig zu spü­ren sein. Waren die vor­an­ge­gan­ge­nen Kri­sen auf ein­zel­ne Re­gio­nen (z.B. Asi­en­kri­se 1997/98), Staa­ten (z.B. Ar­gen­ti­ni­en­kri­se 1998-2002) oder Wirt­schafts­be­rei­che (z.B. Krise des „Neuen Mark­tes“ 2000) be­grenzt, war nun die ge­sam­te Welt­wirt­schaft be­trof­fen. Seit der gro­ßen Welt­wirt­schafts­kri­se 1929 gab es kei­nen ver­gleich­ba­ren re­al­wirt­schaft­li­chen Ein­bruch.

Um sich das Aus­maß der jüngs­ten Krise zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, ist ein Blick auf Zah­len und Daten hilf­reich. So schätzt der IWF (In­ter­na­tio­na­ler Wäh­rungs­fond), dass durch die Krise auf den Fi­nanz­märk­ten welt­weit Ver­lus­te von ca. 3,4 Bil­lio­nen Euro ent­stan­den sind. Die In­dus­trie­pro­duk­ti­on und der Welt­han­del schrumpf­ten in be­droh­li­chem Aus­maß, so dass z.B. das Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP, Summe der er­zeug­ten Waren und Dienst­leis­tun­gen) der Bun­des­re­pu­blik im Jahr 2009 um fünf Pro­zent sank, ein ein­ma­li­ger Ein­bruch in der Ge­schich­te der Bun­des­re­pu­blik.

Die Ur­sa­chen der Krise sind viel­fäl­tig und kom­plex. Kon­kre­ter An­lass der Fi­nanz­kri­se war be­kannt­lich die Im­mo­bi­li­en­kri­se in den USA (Sub­prime­kri­se). Die­ser Krise ging in der Zeit von 2001-2005 eine ex­pan­si­ve Geld­po­li­tik der US-Zen­tral­bank (FED) vor­aus, die nach dem Plat­zen der so­ge­nann­ten Dot­com-Spe­ku­la­ti­ons­bla­se im Jahr 2000 Geld an US-Ban­ken zu sehr nied­ri­gen Zins­ra­ten ver­gab, um Li­qui­di­tät in die Fi­nanz­märk­te zu brin­gen (sog. bil­li­ges Geld). In den USA stie­gen in den dar­auf fol­gen­den Jah­ren die Im­mo­bi­li­en­prei­se lange Zeit stark an. Auf­grund der über­be­wer­te­ten Im­mo­bi­li­en wur­den ohne Rück­sicht auf die Zah­lungs­fä­hig­keit schlecht be­si­cher­te Ram­schkre­di­te ver­ge­ben (so­ge­nann­te su­pri­me loans). Diese mach­te man zu Wert­pa­pie­ren (Ver­brie­fung), bün­del­te sie zu Pa­ke­ten, ver­kauf­te sie in die ganze Welt und la­ger­te sie in dafür ge­grün­de­te Ge­sell­schaf­ten (Zweck­ge­sell­schaf­ten) aus. Da­durch konn­ten mehr Kre­di­te aus­ge­ge­ben wer­den und es stie­gen wie­der­um die Prei­se immer wei­ter an (Im­mo­bi­li­en­bla­se), bis sie sich völ­lig von re­al­wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen los­ge­löst hat­ten.

So ein Sys­tem muss­te ir­gend­wann wie ein Kar­ten­haus zu­sam­men­bre­chen, und dies ge­schah auch, als die Haus­prei­se sta­gnier­ten bzw. fie­len, die Kre­dit­zin­sen stie­gen und in­fol­ge­des­sen Kre­di­te nicht mehr be­dient wur­den. Ra­ting­agen­tu­ren wird eine Mit­schuld an der Es­ka­la­ti­on der Fi­nanz­kri­se ab 2007 ge­ge­ben. Sie hat­ten ris­kan­te Wert­pa­pie­re, wie z.B. ver­brief­te Im­mo­bi­li­en­kre­di­te, zu op­ti­mis­tisch be­wer­tet. Da sie von den Ak­teu­ren, über die sie ur­teil­ten, be­zahlt wur­den, war eine ob­jek­ti­ve Be­ur­tei­lung nicht mög­lich.

Um die Zu­sam­men­hän­ge ver­ste­hen zu kön­nen, muss man aber auch wei­ter zu­rück bli­cken. Nach der letz­ten Welt­wirt­schafts­kri­se und nach dem zwei­ten Welt­krieg wurde zu­nächst ein stark re­gu­lier­tes markt­wirt­schaft­li­ches Wirt­schafts­sys­tem auf­ge­baut. Dazu wurde ein Sys­tem fes­ter Wech­sel­kur­se eta­bliert und der US-Dol­lar wurde mit Gold ab­ge­si­chert (Bret­ton Woods Sys­tem). Ka­pi­tal­ver­kehrs­kon­trol­len waren die Regel. Ban­ken waren streng re­gu­liert, Fonds spiel­ten kaum eine Rolle.

Dann wurde die­ses Sys­tem ab An­fang der 1970er Jahre schritt­wei­se li­be­ra­li­siert. Die Wech­sel­kur­se wur­den nun im We­sent­li­chen durch den Markt be­stimmt. Im Laufe der 1970er Jahre setz­ten sich Fi­nanz­de­ri­va­te durch. Der Ka­pi­tal­ver­kehr wurde li­be­ra­li­siert. Es ent­stan­den neue Ak­teu­re (z.B. Hedge-Fonds, In­vest­ment­ban­ken) und neue Fi­nanz­pro­duk­te (z.B. Ver­brie­fun­gen und struk­tu­rier­te Pa­pie­re), die dem Fi­nanz­sek­tor eine neue Ge­stalt gaben. Auch an­de­re Fonds wie Pen­si­ons­fonds oder Im­mo­bi­li­en­fonds ge­wan­nen eine ste­tig wach­sen­de Be­deu­tung.

Im Jahr 2007 war das Vo­lu­men der Fi­nanz­trans­ak­tio­nen 73,5 mal höher als das no­mi­na­le Welt-BIP (siehe APuZ 26/2009). Die leis­tungs­lo­sen Ein­kom­men aus Ver­mö­gen (z.B. über Zin­sen) stie­gen eben­so wie die Ge­häl­ter der Fi­nanz­bran­che, wo­ge­gen die Ein­kom­men aus Ar­beit san­ken (z.B. Löhne, Ren­ten). Wach­sen­de Un­gleich­heit war die Folge, Haus­hal­te muss­ten sich immer mehr ver­schul­den, um zu kon­su­mie­ren.

Die feh­len­de Re­gu­lie­run­gen, zu­neh­men­de Pri­va­ti­sie­run­gen und die wach­sen­de Un­gleich­heit haben das Welt­wirt­schafts- und Fi­nanz­sys­tem nicht sta­bi­ler ge­macht, son­dern im Ge­gen­teil hat sich die Zahl der Kri­sen stark er­höht, bis das Sys­tem in der ak­tu­el­len Krise kurz vor dem Zu­sam­men­bruch stand und nur mas­si­ve Mil­li­ar­den schwe­re re­gu­lie­ren­de staat­li­che Ein­grif­fe dies ver­hin­dern konn­ten.

Eine Ur­sa­che der Kri­sen­an­fäl­lig­keit des Fi­nanz­sek­tors ist das sich Aus­ein­an­der­ent­wi­ckeln von Real- und Fi­nanz­wirt­schaft. Damit der Fi­nanz­sek­tor nicht zu­sam­men­bricht, muss­ten die Re­gie­run­gen han­deln. Ein Zu­sam­men­bruch hätte un­ge­ahn­te Fol­gen haben kön­nen. Man denke nur an die Ar­gen­ti­ni­en­kri­se (1998-2002), bei der die Ban­ken ta­ge­wei­se schlos­sen, die Pro­duk­ti­on zu­sam­men­brach und so­zia­le Miss­stän­de mit po­li­ti­schen Un­ru­hen die Folge waren. Hun­der­te von Mil­li­ar­den Dol­lar wur­den des­halb dies­mal welt­weit in die Wirt­schafts­kreis­läu­fe ge­pumpt. Das ge­schah meist in Form von Kon­junk­tur­pa­ke­ten. Ban­ken wur­den ge­ret­tet und zum Teil ver­staat­licht. Die Zen­tral­ban­ken sorg­ten für ein Über­maß an Li­qui­di­tät und senk­ten die Zin­sen auf null oder fast null Pro­zent. Ver­mö­gen, die nur durch De­re­gu­lie­rung und Rück­zug des Staa­tes er­mög­licht wur­den, konn­ten nur durch den Ein­griff des Staa­tes er­hal­ten wer­den. Be­zahlt haben die Sta­bi­li­sie­rung des Sys­tems damit nicht die Ver­mö­gen­den, son­dern alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger.

Ar­beits­auf­trä­ge:

  1. Er­stel­len Sie ein Glos­sar zu allen Be­grif­fen, die im Zu­sam­men­hang mit Fi­nanz­markt und Fi­nanz­kri­se im Laufe der Un­ter­richts­ein­heit ver­wen­det wer­den.
  2. Ar­bei­ten Sie die zen­tra­len Ur­sa­chen der Ent­ste­hung der Sub­prime­kri­se her­aus.
  3. Ge­stal­ten Sie auf der Grund­la­ge von M1 eine gra­phi­sche Dar­stel­lung (z.B. Wir­kungs­ge­fü­ge, Cocept-Map, Baum-, Fisch­grät- oder Kreis­lauf-Dia­gramm) der Zu­sam­men­hän­ge bei der Ent­ste­hung der Sub­prime­kri­se.

 

Grup­pen­puz­zle → Ar­beits­auf­trä­ge für die Stamm­grup­pen: Ra­ting­agen­tu­ren, In­vest­ment­ban­ken, FED, Pri­va­te Haus­hal­te

 

wei­ter: Ra­ting­agen­tu­ren

Ma­te­ria­li­en: Her­un­ter­la­den [pdf] [276 KB]