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Was ist Re­zi­pro­kes Leh­ren?

Re­zi­pro­kes Leh­ren oder auch Re­zi­pro­kes Lesen ist eine Me­tho­de, die ur­sprüng­lich von den ame­ri­ka­ni­schen Le­se­di­dak­ti­ke­rin­nen An­ne­ma­rie S. Pa­lins­car und Ann L. Brown ent­wi­ckelt wurde und zu­neh­mend auch in Deutsch­land auf ver­schie­de­nen Schul­stu­fen ein­ge­setzt wird1. Das RL ist den me­ta­ko­gni­ti­ven Stra­te­gi­en zu­zu­rech­nen und be­fä­higt Ler­ner zu­neh­mend selbst­stün­dig Texte zu er­schlie­ßen.

Die Lern­psy­cho­lo­gin Ur­su­la Scharn­horst be­schreibt die Me­tho­de wie folgt2:

„Re­zi­pro­kes Leh­ren ist eine Grup­pen­ak­ti­vi­tät, bei der das Lesen von Fach­t­ex­ten ge­schult wird.

Die Ler­nen­den ar­bei­ten in Grup­pen von ca. 6 Mit­glie­dern. Der Text wird ab­schnitt­wei­se still ge­le­sen und dann ge­mein­sam be­spro­chen. Für die Be­spre­chung über­neh­men die Ler­nen­den ab­wech­selnd die Leh­rer­rol­le. Sie stel­len in die­ser Rolle je­weils si­cher, dass die fol­gen­den vier Stra­te­gi­en der Reihe nach an­ge­wen­det wer­den:

Fra­gen­stel­len

Nach der Kern­aus­sa­ge des Text­ab­schnitts fra­gen und wei­te­re Fra­gen stel­len, die der Text auf­wirft.  Die Lei­te­rin/der Lei­ter fragt und for­dert Ant­wor­ten.

Zu­sam­men­fas­sen

Aus­sa­gen zu­sam­men­fas­sen und dabei das Ver­ständ­nis prü­fen und unter Um­stän­den den Text er­neut zu­sam­men­fas­sen. 
Die Lei­te­rin/der Lei­ter fasst zu­sam­men.

Klä­ren

Sach­ver­hal­te klä­ren, indem Schwie­rig­kei­ten beim Ver­ste­hen iso­liert und for­mu­liert wer­den. 
Die Lei­te­rin/der Lei­ter for­dert Wort­er­klä­run­gen.

Vor­her­sa­gen

Vor­her­sa­gen, worum es im Text wei­ter gehen könn­te (die Er­war­tun­gen/Hy­po­the­sen kön­nen am Text selbst über­prüft wer­den)  Die Lei­te­rin/der Lei­ter "wagt" die Vor­her­sa­ge.

Wich­ti­ge Merk­ma­le von Re­zi­pro­kem Leh­ren

  • Die Stra­te­gi­en sind gleich­zei­tig ver­ständ­nis­för­dernd und ver­ständ­nis­prü­fend.

  • Die Stra­te­gi­en sind ein­ge­bet­tet in den Dia­log zwi­schen den Schü­lern (und der Lehr­per­son).

  • Die Stra­te­gi­en wer­den ein­ge­setzt, um kon­kre­te Ver­ständ­nis­pro­ble­me in Tex­ten an­zu­ge­hen.

  • RL ist Ler­nen in Zonen der pro­xi­ma­len Ent­wick­lung (Wy­got­ski).

  • RL ist kol­la­bo­ra­ti­ves Ler­nen; die Grup­pe als Gan­zes ist für die Durch­füh­rung der Me­tho­de ver­ant­wort­lich.

  • RL ba­siert auf dem Prin­zip der Ex­per­ten-Un­ter­stüt­zung (scaf­fol­ding). Jeder Schü­ler kann sei­nem Ni­veau ent­spre­chend mit­ma­chen.“

Re­zi­pro­kes Leh­ren im Un­ter­richt (Im­ple­men­tie­rung)

In der 10. Klas­sen­stu­fe des Gym­na­si­ums kann von einer ge­wis­sen Rou­ti­ne und Selbst­stän­dig­keit bei der Er­schlie­ßung von Tex­ten ge­setzt wer­den. Das Re­zi­pro­ke Leh­ren fin­det dort sei­nen Platz, wo auch leis­tungs­stär­ke­re Schü­le­rin­nen und Schü­ler an ihre Gren­zen kom­men, wo Tex­ter­schlie­ßung Text„ar­beit“ be­deu­tet. Hier kön­nen sie be­ob­ach­ten, dass auch er­fah­re­ne Leser („Meis­ter­le­ser“) sich erst in einen Text ein­den­ken müs­sen, und er­fah­ren in der An­wen­dungs­pha­se diese ko­ope­ra­ti­ve Lern­form als Vor­be­rei­tung zur ei­gen­stän­di­gen Text­ana­ly­se bzw. -in­ter­pre­ta­ti­on. Ur­su­la Scharn­horst emp­fiehlt, die fol­gen­den Prin­zi­pi­en zu be­rückschti­gen:

  • Klei­ne sta­bi­le Grup­pen von 6-7 Schü­lern.

  • In­ten­si­ve Ein­füh­rung mit viel Übungs­mög­lich­kei­ten, damit die RL-Stra­te­gi­en ver­traut / „ri­tua­li­siert“ wer­den.

  • Her­aus­for­dern­de, in­ter­es­san­te Texte.

  • Re­la­tiv ho­mo­ge­ne Grup­pen in Bezug auf das Ver­ständ­nis von Textin­hal­ten.

  • Mo­del­lie­ren der Lehr­per­son.

  • Alle Schü­ler über­neh­men reih­um die Lea­der-Funk­ti­on.

  • In­di­vi­dua­li­sier­te Un­ter­stüt­zung (scaf­fol­ding).

  • Nicht die RL-Stra­te­gi­en, son­dern das Ver­ste­hen sind das Ziel des Un­ter­richts!

Im An­schluss an eine Tex­ter­schlie­ßung mit­hil­fe des RL ist sinn­voll, eine schrift­li­che Zu­sam­men­fas­sung er­stel­len zu las­sen – ent­we­der am Ende der Un­ter­richts­stun­de oder im Rah­men der Haus­auf­ga­be.3

Bei­spiel „Mo­del­ling“

Text­vor­la­ge

Ver­ba­li­sie­rung (lau­tes Den­ken)

Epo­chen der Li­te­ra­tur- und Kul­tur­ge­schich­te sind ein Flug­blatt oder der Rund­funk.

(Der Rech­te­inha­ber hat der on­line-Nut­zung nicht zu­ge­stimmt. Der Text kann unter www.​litde.​com/​li­te­ra­tur-​des-​exp​ress​ioni​smus/​epo​chen​begr​iff/​rah​menb​edin​gung​en-​der-​epo​chen​defi​niti​on.​php ab­ge­ru­fen wer­den.)

„Ich er­ken­ne, dass der erste und zwei­te Satz eng zu­sam­men­hän­gen. In bei­den Sät­zen wird ge­sagt, dass Epo­chen nicht wirk­lich exis­tie­ren und dass es sie nicht (wirk­lich) gibt. Dass sie also nicht real sind.

Im drit­ten Satz steht dann aber, was es real gibt, näm­lich die „greif­ba­ren Trä­ger von Poe­sie“: Das sind Au­to­ren und Me­di­en.

An­schlie­ßend wird etwas über die Au­to­ren ge­sagt. Sie wer­den im nächs­ten Satz näm­lich Schrift­stel­ler ge­nannt. Sie schrei­ben Texte und prä­sen­tie­ren die Texte. Mit „prä­sen­tie­ren“ könn­te ge­meint sein, dass sie die Texte ver­öf­fent­li­chen oder vor­le­sen.

„Ma­te­ri­el­le Ver­mitt­ler“ sind dann die Me­di­en, z. B. Bü­cher, die man dann lesen kann.

An­wen­dung der Stra­te­gi­en

Fra­gen: Was sind Epo­chen? Worin wird eine Epo­che greif­bar?

Zu­sam­men­fas­sen: Au­to­ren und be­stimm­te Me­di­en ver­mit­teln die Poe­sie einer Epo­che.

Klä­ren: Was heißt „real“, „Poe­sie“, „ma­te­ri­el­ler Ver­mitt­ler“, „fun­giert“,

Vor­her­sa­gen: Es wird im fol­gen­den Ab­schnitt mög­li­cher­wei­se de­fi­niert, was eine Epo­che ist.

 

3 siehe: Ro­se­brock

 

Was ist Re­zi­pro­kes Leh­ren?: Her­un­ter­la­den [docx][114 KB]

 

Wei­ter zu Lau­tes Den­ken