Soll man also Sätze beweisen?
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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Wie fachlich-tief soll man gehen? Welche Schwierigkeiten sind zu erwarten?
Es geht um die Frage der didaktischen Reduktion und des lokalen Ordnens. Ein Rückzug auf Extrempositionen, wie einerseits „Ich teile die Regel einfach mit, von einem Beweis hat doch kein Schüler etwas“ oder andererseits „Ich zeige den Schülern einen exakten und vollständigen Beweis, damit Sie sehen, was Mathematik eigentlich ist“ ist der Sache nicht angemessen. Beide Extrempositionen vermitteln den Schülern im Allgemeinen ein abstoßendes Bild der Mathematik. Sie denken vielleicht:
„Bloßes Mitteilen“: „Verstehen brauche ich das nicht, der Lehrer will das auch gar nicht. Er will, dass ich einfach die Regel anwende, die sich irgendein Genie mal ausgedacht hat.“
„Exakter Beweis“: „Verstehen kann ich das gar nicht. Der Lehrer glaubt auch nicht daran, dass ich das verstehen könnte, sonst hätte er sich mehr Mühe gegeben. Er macht es vielleicht auch nur, damit er ein gutes Gefühl als Mathematiklehrer hat.“
Auch der gymnasiale Bildungsplan (Baden-Württemberg, 2004) weist als Kompetenz im überfachliche Kompetenzbereich „Begründen“ aus: Begründungstypen, und Beweismethoden der Mathematik kennen, gezielt auswählen und anwenden . Damit wird ebenfalls der Bedeutung zwischen den genannten Extrempositionen Rechnung getragen.
Wir kommen also nicht darum herum, bei der Frage des Beweisens die fachlichen Ansprüche zu reduzieren. Der wichtigste Gesichtspunkt ist dabei die …
1. Angemessenheit
.
Die Schüler sollen die Sache verstehen können. Sie sollen über das entsprechende Vorwissen verfügen.
Bringt der Beweis dem Schüler überhaupt eine bessere Einsicht in den Sachverhalt oder in die Struktur von mathematischen Beweisen?
Genügt exemplarisch ein Beispiel, an dem die wesentliche Idee sichtbar wird?
Übersteigt es das Denkvermögen der Schüler, fehlen Voraussetzungen?
Daneben gelten noch die Grundsätze …
2. Fachliche Richtigkeit.
Nicht im Sinne von Vollständigkeit und Exaktheit in jeder Hinsicht, aber im Sinne von: Falsch soll die Reduktion nicht sein, sie soll nicht im Widerspruch zum wissenschaftlichen mathematischen Stand stehen. Es muss nicht alles zu der Sache gesagt werden, Sonderfälle können weggelassen werden.
3. Fachliche Ausbaufähigkeit
.
Es soll nicht irgendwann gesagt werden müssen „Vergiss, was du bisher gelernt hast“, das heißt die Grundvorstellung der Sache muss für das weitere tragfähig sein.
Während die beiden letzten Bedingungen mehr formaler Natur sind, haben die Kriterien zur Angemessenheit etwas mit dem Geist zu tun, in dem wir unterrichten. Hier kommt sozusagen die Dimension der didaktischen Kultur zum Vorschein und es wird sichtbar, ob wir zu begründeten didaktischen Entscheidungen fähig sind.
Es geht als nicht um die Frage,
ob
man herleitet oder beweist. Es geht um die
Förderung
der Schüler in Hinblick auf Kompetenzen wie verstehen, begründen, logisch denken, Strukturen erkennen, reflektieren, eine neue Einsicht gewinnen. Förderung heißt: Nicht gleich alles wollen, sondern nach dem Fassungsvermögen der Schüler aufbauen.