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Anmerkungen und Lösungshinweise zu Kapitel 1.1

Dieses Kapitel vernetzt folgende Kompetenzen miteinander:

Prozessbezogene Kompetenzen

2. Schreiben

2.15. Informationen aus komplexen linearen […] Texten wiedergeben und kohärent und differenziert darstellen

2.16. eigenes Wissen über literarische, sprachliche und andere Sachverhalte geordnet und differenziert darstellen und adäquat in eigene Textproduktion einbeziehen

2.34. komplexe, abstrakte Begriffe erläutern (→ I.2)

3. Lesen

3.3. Lesestrategien und Methoden der Texterschließung selbstständig anwenden (markieren, Verstehensbarrieren identifizieren, Verständnisfragen formulieren, Texte strukturieren, Wortbedeutungen und Fachbegriffe klären […]

3.22. mit komplexen pragmatischen Texten aus unterschiedlichen Bereichen sachgerecht umgehen, darunter auch wissenschaftsnahe [...] Fachtexte

Inhaltsbezogene Kompetenzen:

3.3.2.2

(2) grundlegende Kommunikationsmodelle erläutern und zur Analyse von Kommunikation und Sprechakten nutzen (zum Beispiel Bühler, Watzlawick, Schulz von Thun)

Zu 1.1.1 (Austin): Man könnte sich fragen, warum hier – scheinbar aufwändig – der Begriff „Sprechakt“ in die beiden ursprünglichen Austin‘schen Begriffe „Illokution“ und „Perlokution“ zerlegt wird (die Lokution ist für die Zwecke dieser Unterrichtssequenzen irrelevant). Schon seit Searle werden Perlokutionen nicht mehr weiter berücksichtigt (Auer 1999, S.81), sodass der Begriff „Illokution“ und der Begriff „Sprechakt“ in der gängigen Terminologie oft synonym gebraucht werden (wenngleich der Begriff „Illokution“ auch weiterhin Bestand hat [z.B. bei Engel 2009, S.236f., s.o.]). Andererseits ist das, was Austin die Perlokution nennt, also die Wirkung des Gesagten, z.B. für die Literaturinterpretation von entscheidender Bedeutung, bringen solche Verben doch abstrakt die innere Handlung beim Empfänger der Nachricht auf den Punkt (er erschrickt, fühlt sich beleidigt usw.), während dies die Illokutionsverben für die Intention des Senders tun.1 Vf. hat sich daher für die Beibehaltung der Austin'schen Begrifflichkeit entschieden. Wer den Grundlagentext nicht lesen möchte, kann „Illokution“ und „Perlokution“ aber auch ungezwungen durch „Sprechakt“ und „Wirkung des Sprechakts“ ersetzen. Letztere sollte nur nicht unter den Tisch fallen.

Als Hilfsfragen zur Unterscheidung von Illokution und Perlokution können dienen:

  • Ist das Beabsichtigte nur durch eine andere sprachliche Handlung zu erreichen? Provozieren ist eine Perlokution, die nur dadurch zustandekommt, dass man jemanden herausfordert, kritisiert, entwertet (Illokutionen) usw.

  • Kann das Beabsichtigte allein durch den Akt des Sprechers zustande kommen (Illokution) oder muss das Verhalten des Empfängers hinzukommen? So kann man beispielsweise noch so qualifiziert argumentieren [Illok.], aber ob man das Gegenüber letztlich überzeugt [Perlok.] hat man nicht in der Hand (weil z.B. der Empfänger sehr große Ängste vor einer Einsicht / einem Ereignis hat). Auch kann man jemanden kritisieren, herausfordern oder ihm eine Abfuhr erteilen, aber ob man den Empfänger dadurch vergrault [Perlok.] oder ob er gerade durch diesen Versuch in seinem Entschluss gestärkt wird, liegt letztlich auch bei ihm (vgl. dazu Austin 1972, S.123).

  • Auch wenn es – einer Überlegung Austins folgend2 – prinzipiell Illokutionen geben mag, die man nicht mit (bewusster) Absicht vollzieht (z.B. sich versprechen), ist doch nach Meinung d. Verf. eine pragmatische Faustregel für den Unterschied von Illokution und Perlokution, dass man zwar beide beabsichtigen kann, aber in den meisten Fällen nur Perlokutionen unbeabsichtigt (als Misserfolg eines Versuchs, eine andere Perlokution zu erzielen) eintreten können. Fälle wie denjenigen, dass jemand durch einen ‚neutralen‘ Bericht (Illok.) auf eine Gefahr aufmerksam und somit indirekt und vom Berichtenden unbeabsichtigt gewarnt wird, sollte man nach Ansicht d. Verf. als Perlokution auffassen.

Zu 1.1.2 (Searle): Dieser Text zielt vor allem die prozessbezogene Kompetenz 34 aus dem Bereich „Schreiben“ (komplexe, abstrakte Begriffe erläutern) und ist in Kl. 10 fruchtbarer als in Kl. 9 (wenngleich die Übungen auch dort einsetzbar sind).

3. Die Darstellungsweise für den propositionalen Gehalt stammt vom Verf., ist also nicht kanonisch.

5. Das Entscheidende ist nicht, dass letztlich eine einzige, vollständige Lösung richtig ist, sondern dass die SuS über das Wesen von Sprechakten reflektieren. Deswegen erheben auch die folgenden Lösungsvorschläge keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

(an)drohen

Regeln des

propositionalen

Gehalts

Zukünftiger Akt A von S gegen H.

Einleitungsregeln

1. S ist in der Lage, A durchzuführen (oder glaubt zumindest, es zu sein).

2. S glaubt, dass A nicht in Hs Interesse ist.

3. Es ist weder für S noch für H offensichtlich, daß A eintreten wird.

4. S glaubt, dass H sein Verhalten ändern kann.

Regeln der

Aufrichtigkeit

S ist entschlossen, A ggf. wirklich zu tun (Unterschied zum Bluff).

Wesentliche Regeln

Gilt als eine Ankündigung, dass S A tun wird, wenn H sein Verhalten / seinen Vorsatz nicht ändert, und somit als Versuch des S, Hs Verhalten / Vorsatz zu ändern.

 

sich beschweren

Regeln des

propositionalen

Gehalts

Z*: gegenwärtiger Zustand, vergangenes Ereignis bzw. vergangenes / andauerndes Verhalten von H.

Einleitungsregeln

1. Z ist nicht in Ss Interesse.

2. S glaubt, dass Z von H geändert werden kann.

Regeln der

Aufrichtigkeit

S empfindet Z wirklich als unangenehm, wünscht die Beendigung von Z.

Wesentliche Regeln

Gilt als Selbstdarstellung des S hinsichtlich seiner negativen Gefühle wegen Z (und implizit als Appell, Z zu ändern).

* Beschränkung auf „Z“ für Zustand, um nicht drei Variablen (Ereignis E, Zustand Z, Verhalten) zu erzeugen

 

informieren

Regeln des

propositionalen

Gehalts

jeder Inhalt p

Einleitungsregeln

1. S glaubt, dass H p noch nicht weiß.

2. S glaubt, dass p für H relevant ist.

Regeln der

Aufrichtigkeit

S glaubt, dass p wahr ist (Unterschied zur Lüge)

Wesentliche Regeln

Gilt als ein Versuch, Hs Wissensstand zu erweitern.

1 (Diese Verbindung der Illokution mit der [primären] Intention des Sprechens [vgl. z.B. Linke 2004, S.210] ist von zentraler Bedeutung: In aller Regel will der Sprecher, dass man das Geäußerte als Bitte / Drohung... versteht.)

 

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