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Goe­the: Die Lei­den des jun­gen Wer­t­her

Aus dem Brief vom 10. Mai:

Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Ober­flä­che der un­durch­dring­li­chen Fins­ter­nis mei­nes Wal­des ruht, und nur ein­zel­ne Strah­len sich in das in­ne­re Hei­lig­tum steh­len, ich dann im hohen Grase am fal­len­den Bache liege, und näher an der Erde tau­send man­nig­fal­ti­ge Gräs­chen mir merk­wür­dig wer­den; wenn ich das Wim­meln der klei­nen Welt zwi­schen Hal­men, die un­zäh­li­gen, un­er­gründ­li­chen Ge­stal­ten der Würm­chen, der Mück­chen näher an mei­nem Her­zen fühle, und fühle die Ge­gen­wart des All­mäch­ti­gen, der uns nach sei­nem Bilde schuf, das Wehen des Al­lie­ben­den, der uns in ewi­ger Wonne schwe­bend trägt und er­hält; mein Freund! wenn's dann um meine Augen däm­mert, und die Welt um mich her und der Him­mel ganz in mei­ner Seele ruhn wie die Ge­stalt einer Ge­lieb­ten – dann sehne ich mich oft [...]

Quel­le: http://​www.​zeno.​org/​Li­te­ra­tur/​M/​Goe­the,+Jo­hann+Wolf­gang/Ro­ma­ne/Die+Lei­den+des+jun­gen+Wer­t­her/Ers­tes+Buch,letz­ter Auf­ruf: 21.3.2018

  1. Trage die­ses Satz­ge­fü­ge in eine Fel­der­ta­bel­le ein, wobei jeder Teil­satz eine ei­ge­ne „Zeile“ er­hält. Ver­glei­che die Zei­len der Ta­bel­le bis „näher an mei­nem Her­zen fühle“ mit­ein­an­der.

  2. Um wel­che Art von Satz han­delt es sich in Z.5 („und fühle die Ge­gen­wart des All­mäch­ti­gen“)? Tipp: Er­gän­ze das Sub­jekt! Was fällt dir auf?

  3. Es gibt genau einen V2-Satz, von dem alle Tem­po­ral­sät­ze ab­hän­gen. Wo be­fin­det er sich? Was be­wirkt der un­ge­wöhn­li­che Satz­bau die­ses Satz­ge­fü­ges beim Leser? Wie lässt er sich in­ter­pre­tie­rend aus dem in­ne­ren Zu­stand Wer­t­hers er­klä­ren?

 

Aus dem Brief vom 18. Au­gust 1771

Wenn ich sonst vom Fel­sen über den Fluß bis zu jenen Hü­geln das frucht­ba­re Tal über­schau­te und alles um mich her kei­men und quel­len sah; wenn ich jene Berge, vom Fuße bis auf zum Gip­fel, mit hohen, dich­ten Bäu­men be­klei­det, jene Täler in ihren man­nig­fal­ti­gen Krüm­mun­gen von den lieb­lichs­ten Wäl­dern be­schat­tet sah, und der sanf­te Fluß zwi­schen den lis­peln­den Roh­ren da­hin­glei­te­te und die lie­ben Wol­ken ab­spie­gel­te, die der sanf­te Abend­wind am Him­mel her­über­wieg­te; wenn ich dann die Vögel um mich den Wald be­le­ben hörte, und die Mil­lio­nen Mü­cken­schwär­me im letz­ten roten Strah­le der Sonne mutig tanz­ten, und ihr letz­ter zu­cken­der Blick den sum­men­den Käfer aus sei­nem Grase be­frei­te, und das Schwir­ren und Weben um mich her mich auf den Boden auf­merk­sam mach­te, und das Moos, das mei­nem har­ten Fel­sen seine Nah­rung ab­zwingt, und das Ge­nis­te, das den dür­ren Sand­hü­gel hin­un­ter wächst, mir das in­ne­re, glü­hen­de, hei­li­ge Leben der Natur er­öff­ne­te: wie faßte ich das alles in mein war­mes Herz, fühl­te mich in der über­flie­ßen­den Fülle wie ver­göt­tert, und die herr­li­chen Ge­stal­ten der un­end­li­chen Welt be­weg­ten sich all­be­le­bend in mei­ner Seele. Un­ge­heu­re Berge um­ga­ben mich, Ab­grün­de lagen vor mir, und Wet­ter­bä­che stürz­ten her­un­ter, die Flüs­se ström­ten unter mir, und Wald und Ge­birg er­klang; [...]

Quel­le:

http://​www.​zeno.​org/​Li­te­ra­tur/​M/​Goe­the,+Jo­hann+Wolf­gang/Ro­ma­ne/Die+Lei­den+des+jun­gen+Wer­t­her/Ers­tes+Buch, letz­ter Abruf: 21.3.2018

  1. Ver­glei­che den Satz­bau bis Z.9 (... er­öff­ne­te“) mit dem Brief vom 10. Mai.

  2. Über­tra­ge ab Z.11 („Un­ge­heu­re Ab­grün­de“) den Text in eine Fel­der­ta­bel­le und ver­wen­de dabei für jeden Satz eine neue „Zeile“.

  3. Ver­glei­che den Satz­bau mit dem bis Z.9. Was stellst du fest? Wie wirkt die­ser Satz­bau im Un­ter­schied zum vor­he­ri­gen auf den Leser? Was ist in­halt­lich an die­ser Stel­le an­ders als in den Sät­zen zuvor?

 

Goe­the: Die Lei­den des jun­gen Wer­t­her: Her­un­ter­la­den [docx][8 KB]

Goe­the: Die Lei­den des jun­gen Wer­t­her: Her­un­ter­la­den [odt][20 KB]

 

Wei­ter zu von Kleist: Das Bet­tel­weib von Lo­car­no