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Grund­la­gen/Li­te­ra­tur

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

„Neue“ Auf­ga­ben­kul­tur

Warum eine „neue“ Auf­ga­ben­kul­tur?
Die Dis­kus­si­on um eine neue Auf­ga­ben­kul­tur ba­siert auf den in­ter­na­tio­na­len Leis­tungs­tests (TIMSS, PISA, IGLU) ei­ner­seits sowie einer Stu­die der Bund-Län­der-Kom­mis­si­on (BLK) an­de­rer­seits. Wäh­rend ers­te­re für Deutsch­land un­be­frie­di­gen­de, weil mit Blick auf kom­ple­xe und rea­li­täts­be­zo­gen An­for­de­run­gen un­ter­durch­schnitt­li­che Er­geb­nis­se er­brach­ten, ergab die BLK-Stu­die, dass hier­zu­lan­de Neues in aller Regel mit­tels fra­gend-ent­wi­ckeln­den Un­ter­richts er­ar­bei­tet würde und kaum – wie in an­de­ren Län­dern - durch Lern­auf­ga­ben. Die hier­zu­lan­de tra­dier­te Auf­ga­ben­kul­tur weise zudem wenig Ab­wechs­lung auf, sei daher mo­no­ton, kenne nur sel­ten An­wen­dungs­be­zü­ge auf reale Le­bens­si­tua­tio­nen, be­to­ne statt­des­sen kurz­fris­ti­ge Be­hal­tens- und Ver­ständ­nis­leis­tun­gen und lasse zudem die er­for­der­li­che In­ten­si­tät re­gel­mä­ßi­ger Wie­der­ho­lun­gen, die Ver­knüp­fung von  neu ge­lern­tem mit be­kann­tem Wis­sen sowie die Ku­mu­la­ti­vi­tät des Ler­nens ver­mis­sen. Diese Fest­stel­lun­gen wur­den in Ver­bin­dung ge­bracht mit schlech­ten Leis­tun­gen der Schü­ler bei län­ger zu­rück­lie­gen­den Lern­in­hal­ten. Ähn­li­che De­fi­zi­te wur­den an­hand einer Stu­die über Sach­sen-An­halt auch für den Geo­gra­phie­un­ter­richt er­mit­telt. Dabei wurde deut­lich, dass die An­for­de­run­gen über­pro­por­tio­nal im un­te­ren und mitt­le­ren Ni­veau der An­for­de­rungs­be­rei­che lagen, wo­hin­ge­gen der An­for­de­rungs­be­reich II und III, der auf den re­fle­xi­ven Um­gang mit neuen Pro­blem­stel­lun­gen und damit auf An­wen­dungs­wis­sen ab­zielt, kaum um­ge­setzt wurde. Fer­ner do­mi­nier­te die reine Re­pro­duk­ti­on von Sach­in­for­ma­tio­nen ge­gen­über Trans­fer­auf­ga­ben und krea­ti­ven Pro­blem­lö­sungs­auf­ga­ben sowie un­ab­hän­gi­ge Ein­zel­pro­ble­me vor kom­ple­xen Her­an­ge­hens­wei­sen. Die Viel­falt der Auf­ga­ben­ty­pen wurde bei wei­tem nicht aus­ge­schöpft, krea­ti­ve und auf Lern­pro­zes­se hin aus­ge­rich­te­te Auf­ga­ben kamen zu kurz.

Ziel­set­zung der „neuen“ Auf­ga­ben­kul­tur
Auf­bau­end auf die­ser Dis­kus­si­on und ver­stärkt durch For­de­run­gen von Lern­psy­cho­lo­gen, wo­nach stän­di­ge und sys­te­ma­ti­sche Ver­net­zung von Un­ter­richts­in­hal­ten als not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für er­folg­rei­ches Ler­nen zu sehen ist, wird in Ver­bin­dung mit der Hin­wen­dung zu stan­dard­ba­sier­ten, kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Un­ter­richts­kon­zep­ten eine neue Auf­ga­ben­kul­tur ent­wi­ckelt. Deren Vi­si­on fa­vo­ri­siert den Wan­del der Schu­le hin zur Lern­werk­statt. Dabei kommt den Auf­ga­ben die zen­tra­le Be­deu­tung im Be­mü­hen um die oben ge­nann­ten De­fi­zi­te und somit der Qua­li­täts­stei­ge­rung des Ler­nens zu. Im Sinne Hil­bert Mey­ers Ver­ständ­nis von gutem Un­ter­richt gilt für die „neue“ Auf­ga­ben­kul­tur, dass die Ar­beits­an­wei­sun­gen klar struk­tu­riert und in­halt­lich for­mu­liert sind, me­tho­disch viel­fäl­tig sinn­stif­ten­de Kom­mu­ni­ka­ti­on in Gang set­zen, zur in­di­vi­du­el­len För­de­rung bei­tra­gen, die Leis­tungs­er­war­tung trans­pa­rent ma­chen und in der Summe in­tel­li­gen­tes Üben in­iti­ie­ren.Lern­theo­re­ti­scher Hin­ter­grund der „neuen“ Auf­ga­ben­kul­tur

Lern­psy­cho­lo­gisch un­ter­mau­ert sind die An­sät­ze der „neuen“ Auf­ga­ben­kul­tur durch den mo­dera­ten Kon­struk­ti­vis­mus, der Ler­nen als glei­cher­ma­ßen ak­ti­ven wie re­zep­ti­ven Pro­zess be­greift. Damit ver­mit­telt diese prag­ma­ti­sche Po­si­ti­on glei­cher­ma­ßen zwi­schen der ko­gni­ti­vis­ti­schen und der kon­struk­ti­vis­ti­schen Lern­theo­rie. Die ko­gni­ti­vis­ti­sche Lern­theo­rie ver­steht Ler­nen als re­zep­ti­ven Pro­zess, Un­ter­rich­ten folg­lich im Sinne von An­lei­ten, Dar­bie­ten und Er­klä­ren mit einer star­ken, ak­ti­ven Po­si­ti­on des Leh­ren­den und des­sen In­struk­tio­nen. Im Ge­gen­satz dazu wird Ler­nen in der kon­struk­ti­vis­ti­schen Lern­theo­rie als kon­struk­ti­ver und si­tua­ti­ver Pro­zess ver­stan­den, der die star­ke, ak­ti­ve Po­si­ti­on des Ler­nen­den und des­sen Kon­struk­ti­on von Vor­stel­lun­gen be­tont. Un­ter­richt ist somit im Sinne von Un­ter­stüt­zen, An­re­gen und Be­ra­ten mit einer letzt­lich re­ak­ti­ven Po­si­ti­on de Leh­ren­den zu sehen. Der mo­dera­te Kon­struk­ti­vis­mus ist ge­lei­tet vom Wech­sel der Schü­le­rin­nen und Schü­ler zwi­schen ak­ti­ven und re­zep­ti­ven Pha­sen sowie von der si­tua­ti­ons­be­ding­ten Be­rech­ti­gung von In­struk­ti­on und Kon­struk­ti­on. Das un­ter­richtsprag­ma­ti­sche Re­sul­tat die­ser Über­le­gung fließt ein in die Ge­stal­tung pro­blem­ori­en­tier­ter Lern­um­ge­bun­gen, die als ad­äqua­te Auf­ga­ben­form er­kannt wurde und die ge­eig­net ist, Mo­ti­va­ti­on, Selb­stän­dig­keit und Dar­bie­tung sinn­voll mit­ein­an­der zu ver­zah­nen.

An­for­de­run­gen an die „neue“ Auf­ga­ben­kul­tur
Eine „neue“ Auf­ga­ben­kul­tur soll auf­bau­end auf den neuen Er­kennt­nis­sen der Lehr- und Lern­for­schung vor­ran­gig die Ent­wick­lung der in den Bil­dungs­stan­dards nie­der­ge­schrie­be­nen Kom­pe­ten­zen der Schü­le­rin­nen und Schü­lern för­dern. Sie soll aber zu­gleich auch dazu bei­tra­gen die ei­ge­ne Auf­ga­ben­kul­tur kri­tisch zu re­flek­tie­ren und es so er­mög­li­chen, Be­währ­tes be­grün­det bei­zu­be­hal­ten. Die „neue“ Auf­ga­ben­kul­tur zeich­net sich fol­ge­rich­tig durch ihre Aus­rich­tung auf die Bil­dungs­stan­dards, durch ihre Viel­fäl­tig­keit, ihre fä­cher­über­grei­fen­den, kon­tex­tori­en­tier­ten und an Re­al­si­tua­tio­nen aus­ge­rich­te­ten Fra­ge­stel­lun­gen, aber auch durch ihren be­wuss­ten Um­gang mit of­fe­nen Fra­ge­stel­lun­gen aus. Sie ist ge­eig­net, Lern- und Sprech­an­läs­se zu schaf­fen und bin­nen­dif­fe­ren­ziert die Ei­gen­stän­dig­keit der Schü­le­rin­nen und Schü­ler zu för­dern sowie  zu­rück­lie­gen­de In­hal­te kon­ti­nu­ier­lich und sys­te­ma­tisch zu wie­der­ho­len.

Lern­auf­ga­ben als be­son­de­re Form der „neuen“ Auf­ga­ben­kul­tur
Unter den Auf­ga­ben­for­men der „neuen“ Auf­ga­ben­kul­tur kommt Lern­auf­ga­ben eine be­son­de­re Be­deu­tung zu. Unter Lern­auf­ga­ben ver­steht man eine Folge von ge­stuf­ten Ar­beits­auf­trä­gen, die die Schü­le­rin­nen und Schü­ler so füh­ren, dass sie sich mög­lichst ei­gen­tä­tig neue In­hal­te und Me­tho­den er­schlie­ßen. Um dies zu er­rei­chen, müs­sen Lern­auf­ga­ben fol­gen­de An­for­de­run­gen er­fül­len: Die Auf­ga­ben müs­sen ge­eig­net sein, den Sach­ver­halt ex­em­pla­risch zu er­schlie­ßen, ein Schü­ler­be­dürf­nis an­spre­chen, in ihren An­for­de­run­gen knapp über dem be­reits exis­ten­ten Wis­sen bzw. Kön­nen der Schü­ler lie­gen und den­noch Neu­ig­keits­wer­te um­fas­sen. Vor allem aber muss die Lern­auf­ga­be be­wäl­tig­bar sein. Dies gilt auch für he­te­ro­ge­ne Lern­grup­pen, wor­aus re­sul­tiert, dass Lern­auf­ga­ben bin­nen­dif­fe­ren­ziert an­ge­legt sein soll­ten. Zudem müs­sen die er­wor­be­nen Kennt­nis­se, Fä­hig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten so­wohl ab­ruf­bar als auch auf ähn­li­che Si­tua­tio­nen im Sinne eines Trans­fers über­trag­bar sein. Schließ­lich muss die Auf­ga­ben­stel­lung so for­mu­liert sein, dass un­ter­schied­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen und auch Lö­sun­gen er­mög­licht wer­den, dass der Aus­tausch und die Kom­mu­ni­ka­ti­on unter den Schü­lern an­ge­regt  und da­durch Vor­wis­sen ak­ti­viert, Ideen be­nannt und Er­geb­nis­se dis­ku­tiert und über­prüft wer­den.

Die ak­tu­el­le Dis­kus­si­on über die „neue“ Auf­ga­ben­kul­tur
Die Dis­kus­si­on über eine „neue Auf­ga­ben­kul­tur“ im Geo­gra­phie­un­ter­richt setz­te ver­stärkt mit der Ver­öf­fent­li­chung der na­tio­na­len Bil­dungs­stan­dards Geo­gra­phie mit Auf­ga­ben­bei­spie­len ein. In jüngs­ter Zeit ist die Dis­kus­si­on ins­be­son­de­re durch An­re­gun­gen aus den Na­tur­wis­sen­schaf­ten, ins­be­son­de­re durch die Ar­bei­ten von Josef Lei­sen, Mainz zur Phy­sik­di­dak­tik, aber auch durch die An­re­gun­gen der auf Ab­schät­zung von Re­al­si­tua­tio­nen zie­len­den, hoch krea­ti­ven Fermi-Fra­gen be­rei­chert wor­den. Geo­gra­phie­spe­zi­fisch wie­der­um hat die Über­tra­gung der ur­sprüng­lich von David Leat in Groß­bri­tan­ni­en be­grün­de­ten Schu­le „Thin­king through Geo­gra­phy“ nach Deutsch­land durch ihre me­tho­di­schen An­sät­ze, die den An­for­de­run­gen der neuen Auf­ga­ben­kul­tur und somit der Ent­wick­lung der Kom­pe­ten­zen ge­recht wer­den ge­leis­tet. In jüngs­ter Zeit sind es vor allem die Ar­bei­ten von Si­byl­le Rein­fried zu Schü­ler­vor­stel­lung und „con­cep­tu­al chan­ge“, die die Dis­kus­si­on er­wei­tern.

Auf­ga­ben­kul­tur: Her­un­ter­la­den [.doc] [31 KB]
Auf­ga­ben­kul­tur: Her­un­ter­la­den [.pdf] [15 KB]

Li­te­ra­tur­hin­wei­se „Neue Auf­ga­ben­kul­tur“

Die nach­fol­gen­de Zu­sam­men­stel­lung von Li­te­ra­tur­hin­wei­sen zum Thema „Neue Auf­ga­ben­kul­tur“ er­hebt kei­ner­lei An­spruch auf Voll­stän­dig­keit. Statt­des­sen wur­den zen­tra­le Bei­trä­ge der Dis­kus­si­on aus den Print­me­di­en und dem In­ter­net der letz­ten Jahre hier auf­ge­führt, die dem Nut­zer einen ers­ten Zu­gang und zu­gleich wei­ter­füh­ren­de Hin­wei­se zur Dis­kus­si­on geben.

  • Bro­den­gei­er, Eg­bert: Neue Auf­ga­ben­kul­tur. Um­set­zungs­an­sät­ze aus der Pra­xis. Vor­trag im Rah­men des Klett-GEO-Sym­po­si­um 2007
    unter: http://​www2.​klett.​de/​six­cms/​media.​php/​229/​klet­t_​sym­po­si­um_​auf​gabe​nkul​tur.​pdf
  • Col­ditz, Mar­git, In­grid Hem­mer u.a. : Bil­dungs­stan­dards kon­kret. Auf­ga­ben­kul­tur und Auf­ga­ben­bei­spie­le. In: geo­gra­phie heute, Heft 255/256, 2007, S. 14-18
  • Deut­sche Ge­sell­schaft für Geo­gra­phie: Bil­dungs­stan­dards im Fach Geo­gra­phie für den mitt­le­ren Schul­ab­schluss – mit Auf­ga­ben­bei­spie­len. Gör­litz 2007
  • Fried­rich Jah­res­heft 2003: Auf­ga­ben. Seel­ze 2003
  • Her­zig, Rein­hard: Kom­pe­ten­zen, Bil­dungs­stan­dards, Neue Auf­ga­ben­kul­tur im Geo­gra­phie­un­ter­richt. In: Geo­gra­phie ak­tu­ell, Heft 4, 2008, S. 27-30
  • Lei­sen, Josef: Auf­ga­ben­kul­tur im ma­the­ma­tisch-na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­richt. In: Aus: MNU 59/5 (15.7.2006), S. 260-266
  • Rein­fried, Si­byl­le: Schü­ler­vor­stel­lun­gen und Ler­nen von Geo­gra­phie. In: geo­gra­phie heute, Heft 265, 2008, S. 8-13
  • Stäu­del, Lutz: Guter Un­ter­richt mit guten Auf­ga­ben. In: Guter Un­ter­richt. Maß­stä­be & Merk­ma­le, Wege & Werk­zeu­ge. Seel­ze 2007, S. 47-49 (= Fried­rich Jah­res­heft XXV, 2007)
  • Vank­an, Leon, Ger­tru­de Roh­wer und Ste­fan Schuler: Diercke-Me­tho­den. Den­ken ler­nen mit Geo­gra­phie. Braun­schweig 2007


Unter fol­gen­dem Link fin­den sich eine Viel­zahl ak­tu­el­ler Vor­trags­ma­nu­skrip­te zur Dis­kus­si­on über eine „neue Auf­ga­ben­kul­tur“ in den Na­tur­wis­sen­schaf­ten
Link: www.​auf​gabe​nkul​tur.​stu​dien​semi​nar-​ko­blenz.​de/

Li­te­ra­tur­hin­wei­se Auf­ga­ben­kul­tur: Her­un­ter­la­den [.doc] [26 KB]
Li­te­ra­tur­hin­wei­se Auf­ga­ben­kul­tur: Her­un­ter­la­den [.pdf] [11 KB]