Handreichung Differenzierung "Begriff, Erscheinungsformen, Anwendung"*
Infobox
Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Differenzierung ist ein
Unterrichtsprinzip
, das darauf ausgerichtet ist, den unterschiedlichen Anlagen, Fähigkeiten, Interessen und Neigungen der Schüler gerecht zu werden, d. h. jeden Schüler in diesem Rahmen so weit wie möglich
individuell
zu fördern. Dabei hat Differenzierung auch einen
integrativen
Aspekt, nämlich jedem Schüler dazu zu verhelfen, die allgemeinen Ziele des Unterricht - hier des Sportunterrichts - zu erreichen.
Die
Gründe
für die Differenzierung liegen letztlich in den anlage- oder sozialisationsbedingten Leistungsvoraussetzungen, die sich in unterschiedlicher Leistungsfähigkeit, aber auch in unterschiedlichen Haltungen und Einstellungen zum Sport äußern. Die Differenzierung erfolgt dabei entweder nach den Leistungen, die ein Schüler bereits erbracht hat, oder die zu erbringen er fähig und gewillt ist.
Bei der
äußeren Differenzierung
wird der Unterricht unter Auflösung des Klassenverbandes in Kursen oder entsprechenden Gruppen erteilt. Die Einteilung erfolgt entweder nach Interesse oder Leistung.
Die
Interessen- oder Wahldifferenzierung
führt zur Bildung von Neigungsgruppen im Sinn des Pflichtfachs, wie es sich z. B. in der Kursstufe darstellt. Hier ergibt sich das Problem, dass nicht nur gewählt werden
darf,
sondern gewählt werden
muss
; zumal die schulischen Bedingungen kaum jemals eine unbegrenzte Wahlmöglichkeit erlauben.
Die
Leistungsdifferenzierung
führt zur Bildung von Niveaugruppen, deren Anforderungen sich am Leistungsstand der Schüler orientieren. Hier ergibt sich das Problem, dass ein Schüler zum „Opfer“ bei einer einmal getroffenen Zuweisung werden kann.
Bei der inneren Differenzierung bleibt der Klassenverband möglichst erhalten. Sie kann auf didaktischer und auf methodischer Ebene erfolgen, wobei die Grenzen fließend sind.
DidaktischeDifferenzierungBei der didaktischen Differenzierung werden die Lernprozesse entweder auf den einzelnen Schüler (z. B. im programmierten oder mediengesteuerten Unterricht, „freien Lerngelegenheiten“ in Form von Übungsstationen oder „Gerätelandschaften“ u. a. m.) oder auf bestimmte kurzzeitige oder längerdauernde Gruppierungen (z. B. als Riegen- oder Gruppenunterricht, Gruppenarbeit) übertragen.
„Einzellernen“
- Beim programmierten Unterricht kann zwar das individuelle Lerntempo (soweit es die situativen Gegebenheiten zulassen) optimal berücksichtigt werden, doch kann Bewegungslernen nicht immer in beliebig kleine Lernschritte „zerlegt“ werden. Außerdem ergeben sich Probleme bei der Lernerfolgskontrolle (z. B. als Selbst- oder Partnerkontrolle).
- Durch die „freien Lerngelegenheiten“ werden Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Eigeninitiative der Schüler in hohem Maße gefördert, doch kann die tatsächliche Aktivität eines Schülers nur schwer kontrolliert werden.
„Gruppenlernen“
Gruppenlernen kann in homogenen oder heterogenen Gruppen erfolgen:
In
homogenen
Gruppen können Schüler mit vergleichbarem Leistungsstand ohne große Probleme miteinander arbeiten. Dies kann z. B. bei der Einführung eines Sportspiels sehr erfolgreich sein, doch kann der Anreiz zur Weiterentwicklung verlorengehen.
In
heterogenen
Gruppen besteht die Möglichkeit, schwächere Schüler „mitzuziehen“ und ihnen auf diese Weise weiterzuhelfen. Dies fördert zweifellos die sozialen Kompetenzen, doch besteht auch die Gefahr, leistungsschwächere zu über- und leistungsstärkere zu unterfordern.
- Beim Riegenunterricht im Sinne von Leistungsriegen wird versucht, das Prinzip der Niveaugruppierung auf den Klassenverband zu übertragen. Dies kann bei bestimmten Unterrichtsgegenständen notwendig und erfolgreich sein, doch sollte dies nur in zeitlich begrenztem Umfang erfolgen.
- Bei der Gruppenarbeit im engeren Sinne wird erwartet, dass jedes Gruppenmitglied im Rahmen seiner Fähigkeiten, Kenntnisse und Neigungen seinen Anteil an der Lösung von Gruppenaufgaben und damit zum Gruppenerfolg beiträgt. Dies wird im Allgemeinen auch erreicht, doch werden die Anteile der einzelnen Schüler recht unterschiedlich sein.
Methodische Differenzierung erfolgt auf einer konvergenten und einer divergenten Ebene.
Die konvergente Differenzierung wird in erster Linie eingesetzt beim Erlernen sportlicher Fertigkeiten, vor allem wenn sich folgende Situation ergibt,
- dass einige Schüler die Zielübung bereits können oder „auf Anhieb“ bewältigen und weiterführende Aufgaben erhalten,
- dass ein Teil der Schüler das Lernziel über verschiedene Zwischenschritte erreichen kann,
- dass einige Schüler das Ziel nicht erreichen können und auf ein Teilziel oder auf eine Alternative verwiesen werden.
Hier ist darauf zu achten, dass die „Sonderprogramme“ sinnvoll in den allgemeinen Lehrweg einbezogen werden.
Die
divergente Differenzierung
wird in erster Linie eingesetzt beim Üben, Festigen und Anwenden erlernter Fertigkeiten. Dabei geht es darum, von einem relativ einheitlichen Leistungsstand ausgehend, die Aufgaben so zu wählen, dass sie von jedem Schüler zu bewältigen sind. Mit fortschreitendem Unterricht werden sie so gestellt, dass jeder sein individuelles Leistungspotenzial ausschöpfen kann.
Hier ist darauf zu achten, dass trotz möglicher beachtlichter Leistungsunterschiede gegenseitiger Respekt und Anerkennung in der Klasse entwickelt und erhalten werden.
Als Mittel methodischer Differenzierung sind zu nennen:
- Unterschiede in der Zielsetzung (z. B. Teilziele, alternative Ziele, vereinfachte Übungsausführung),
- unterschiedliche methodische Maßnahmen (z. B. hinsichtlich der Lehrwege, der methodischen Hilfen),
- unterschiedliche Lern- und Übungsbedingungen (z. B. Gerätegewichte, -........, -höhen, Ersatzgeräte),
- Unterschiede in der physischen und motorischen Belastung (z. B. vorgegebene Zeit, aber beliebige Geschwindigkeit oder Wiederholungszahl, abgestufte Geschicklichkeitsanforderungen),
- gezielter Einsatz von Medien (Video, Bilder, Arbeitsblätter),
- spezifische organisatorische Maßnahmen (z. B. bei der Gruppenzuweisung, bei der Bildung von Partnerschaften).
Abschließend
sei eine allgemeine Empfehlung gegeben:
Die Realisierung des Prinzips der Differenzierung erfordert
- entsprechende Überlegungen bei der Planung und Vorbereitung des Unterrichts,
- flexibles Handeln bei der Durchführung des Unterrichts,
- kritische Überprüfung des Erreichten bei der Nachbereitung des Unterrichts.
*) Dieser Beitrag orientiert sich an: Differenzierung im Sportunterricht in: Söll, W. (2011): Sportunterricht - Sport unterrichten. Schorndorf : Hofmann.
Handreichung Differenzierung "Begriff, Erscheinungsformen, Anwendung":
Herunterladen
[docx][135 KB]