Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Hand­rei­chung Be­las­tungs­zei­ten im Sport­un­ter­richt

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Fra­ge­stel­lung:

Wel­chen Bei­trag kann der Schul­sport zur Ge­sund­heit und Fit­ness der Schü­ler leis­ten?
Fit­ness wei­ter im Ab­wärts­trend, so heißt der be­kann­te Un­ter­ti­tel der WIAD-Stu­die aus dem Jahr 2003. Das Fazit der Stu­die lau­tet: Schul- und Ver­eins­sport „soll­ten An­ge­bo­te schaf­fen, die auch die Schwä­che­ren zu mehr kör­per­li­cher Be­tä­ti­gung be­we­gen und ihnen zu einer bes­se­ren kör­per­li­chen Fit­ness ver­hel­fen“ (Klaes/Cos­ler, 32).
Ge­sund­heit und Fit­ness, häu­fig zur Le­gi­ti­ma­ti­on des Sport­un­ter­richts in der Schu­le an­ge­führt, sind zen­tra­le Ziel­be­rei­che des Sport­un­ter­richts. Im Bil­dungs­plan (2004) heißt es dazu z. B.: „Vor dem Hin­ter­grund einer Um­welt, die den Schü­le­rin­nen und Schü­lern immer we­ni­ger na­tür­li­che Be­we­gungs­an­läs­se bie­tet, kommt der al­ters­ge­mä­ßen För­de­rung von Ge­sund­heits­be­wusst­sein und Fit­ness eine her­aus­ra­gen­de Be­deu­tung zu.“ An an­de­rer Stel­le: „Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler … ver­bes­sern ihre mo­to­ri­sche und kon­di­tio­nel­le Leis­tungs­fä­hig­keit und kön­nen diese rich­tig ein­schät­zen.“ (Bil­dungs­plan Baden Würt­tem­berg 2004, 300)
Aus der Trai­nings­leh­re ist hin­rei­chend be­kannt, dass zur Stei­ge­rung der kon­di­tio­nel­len Leis­tungs­fä­hig­keit Trai­nings­rei­ze hin­sicht­lich Um­fang und In­ten­si­tät ge­wis­se Maß­ga­ben er­fül­len müs­sen. Wer­den diese Vor­aus­set­zun­gen im Sport­un­ter­richt er­füllt, kön­nen sie über­haupt er­füllt wer­den?

In einer ak­tu­el­ler Un­ter­su­chung kommt Hoff­mann (2009) be­züg­lich der Bewegungs­zeit im Sport­un­ter­richt  zu fol­gen­dem Er­geb­nis:

Bewegungszeit
(C) Gra­fik mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung von A. Hoff­mann

Von einer 45-mi­nü­ti­gen Un­ter­richts­stun­de ver­blei­ben nur ca. 24 Mi­nu­ten als mög­li­che Net­to­be­we­gungs­zeit (51%). Be­we­gung wird in die­sen Un­ter­su­chun­gen als sport­li­che Ak­ti­vi­tät be­zeich­net, all­täg­li­che Be­we­gungs­ab­läu­fe ge­hö­ren nicht dazu.

Bei der durch­schnitt­li­chen Be­we­gungs­zeit in einer Ein­zel­stun­de mit einer Netto­bewegungszeit von ca. 24 min liegt die tat­säch­li­che Be­we­gungs­zeit bei einem sport­schwa­chen Schü­ler bei gut 8 min (18%), bei einem durch­schnitt­li­chen Schü­ler bei ca. 9,5 min (21%) . In einer Dop­pel­stun­de er­ge­ben sich ähn­li­che Ver­hält­nis­se: Die durch­schnitt­li­chen Be­we­gungs­zei­ten in einer Dop­pel­stun­de sind ver­gleich­bar, die mög­li­che Net­to­be­we­gungs­zeit liegt bei ca. 50,5 min (56%), die tat­säch­li­che Be­we­gungs­zeit eines sport­schwa­chen Schü­lers bei ca. 13 min (14%), die eines durch­schnitt­li­chen Schü­lers bei ca. 16 min (18%).

 

Ein­zel­stun­de

Dop­pel­stun­de

Net­to­be­we­gungs­zeit

24 min (= 53 %)

50,5 min (= 56 %)

tat­säch­li­che Be­we­gungs­zeit

9,5 min (= 21 %)

16 min (= 18 %)

Diese Er­geb­nis­se sind weit­ge­hend un­ab­hän­gig von wei­te­ren Va­ria­blen wie das Un­ter­rich­ten von Mann­schafts- oder In­di­vi­du­al­sport­ar­ten, auch die Grup­pen- und Hal­len­grö­ße spie­len keine si­gni­fi­kan­te Rolle.

Nach Hoppe und  Vogt (1979) sind die Ur­sa­chen für Ver­lust­zei­ten (nach Häu­fig­keit):
• Un­pünkt­lich­keit Leh­rer
• Auf­schlie­ßen Um­klei­de erst durch Leh­rer
• Frü­he­res Ende (für Du­schen, Um­zie­hen etc.)
• Ge­sprä­che wäh­rend Un­ter­richts­zeit (Schü­ler-Leh­rer, Schü­ler-Schü­ler)
• Lang­sa­mes Um­zie­hen der Schü­ler
• Wege zur Sport­stät­te
• Dis­zi­plin­schwie­rig­kei­ten
• Or­ga­ni­sa­to­ri­sches (An­we­sen­heits­kon­trol­le etc.)
• Über­zie­hen vor­an­ge­gan­ge­ner Stun­den
• …

Geb­ken (2003) for­dert daher kon­se­quen­ter­wei­se bei sei­nen Gü­te­kri­te­ri­en des Sport­un­ter­richts zur op­ti­ma­len Nut­zung der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Zeit auf:
„Vor­aus­set­zung für einen ef­fek­ti­ven Un­ter­richt ist eine straf­fe Un­ter­richts­pla­nung und -durch­füh­rung. Ge­rä­te und Un­ter­richts­ma­te­ria­li­en sind recht­zei­tig be­reit zu stel­len. König/Zent­graf (1997, 10) be­zie­hen sich auf eine Stu­die von McLeish (1985), in der deut­lich wird, dass bis zu 22 % der Zeit des Sport­un­ter­rich­tes nicht zur Ver­mitt­lung, son­dern für or­ga­ni­sa­to­ri­sche Be­lan­ge ge­nutzt wird. Noch grö­ßer ist der „Zeit-Ver­lust“ beim Ge­rät­tur­nen. Ef­fek­ti­ves Un­ter­rich­ten be­deu­tet z. B. die An­we­sen­heit auch wäh­rend des Übungs- bzw. Spiel­be­trie­bes zu über­prü­fen, die War­te­zei­ten an den Übungs­sta­tio­nen und im Spiel­be­trieb zu re­du­zie­ren und pünkt­lich mit dem Un­ter­richt zu be­gin­nen.“

Der zeit­li­che Um­fang sport­li­cher Be­we­gung ist aus trai­nings­wis­sen­schaft­li­cher Sicht vor allem für den Be­reich Aus­dau­er re­le­vant, be­züg­lich der Kraft (Hal­tungs­prä­ven­ti­on) oder ver­let­zungs­prä­ven­ti­ven As­pek­ten kommt dem Um­fang ge­rin­ge­re Be­deu­tung zu.

Als Zwi­schen­fa­zit kann man fest­hal­ten:
Eine quan­ti­ta­ti­ve Stei­ge­rung der Be­we­gungs­zeit ist nur be­grenzt mög­lich. Dies ist z. B. durch die Wege zur Sport­stät­te, die Zeit zum Du­schen und die Tat­sa­che, dass Sport­un­ter­richt ohne Er­klä­run­gen nicht mög­lich ist, be­grün­det.
Eine Mög­lich­keit zur Stei­ge­rung der Be­we­gungs­zeit liegt damit pri­mär in der Schaf­fung zu­sätz­li­cher Sport­stun­den.

Das Be­las­tungs­ge­fü­ge ist wie er­wähnt u. a. eine Kom­bi­na­ti­on aus Um­fang und In­ten­si­tät. Neben der rein quan­ti­ta­ti­ven Mes­sung von Be­we­gungs­zei­ten ist also auch die Frage nach der phy­sio­lo­gi­schen Be­an­spru­chung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Sport­un­ter­richt von Be­deu­tung. De­tail­lier­te ak­tu­el­le Un­ter­su­chun­gen dazu hat z. B. Wydra (2008, 2009) an­ge­stellt. Er kam zu dem Er­geb­nis, dass bei einer Dop­pel­stun­de im­mer­hin 39 Mi­nu­ten auf In­ten­si­täts­be­rei­che ober­halb von 140 Schlä­gen/min ent­fal­len (Wydra 2008, 17):

Belastungszeiten
(C) Gra­fik mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung von G. Wydra

Wydra er­klärt die­ses etwas über­ra­schen­de Er­geb­nis (die Be­we­gungs­zeit liegt in einer Dop­pel­stun­de durch­schnitt­lich unter 20 min) so, dass eben nicht nur in ak­ti­ven Pha­sen die Herz­fre­quenz er­höht war, son­dern auch z. T. in den „Nichtbewegungs­zeiten“. Das Er­geb­nis sei­ner Un­ter­su­chung kann man in einem Satz zusammen­fassen: Die In­ten­si­tät liegt in den un­ter­such­ten Sport­stun­den in einem ge­sund­heit­lich be­deut­sa­men Be­reich. Daher lau­tet sein Re­sü­mee: Eine Stei­ge­rung der In­ten­si­tät im Sport­un­ter­richt er­scheint vor dem Hin­ter­grund der vor­lie­gen­den Er­geb­nis­se nicht sinn­voll. Es wird aber of­fen­sicht­lich, dass der Ge­samt­trai­nings­um­fang nicht aus­rei­chend ist. Eine Dop­pel­stun­de Sport­un­ter­richt ist zu wenig, um hier ge­nü­gend große Trai­nings­ef­fek­te in­iti­ie­ren zu kön­nen. (vgl. Wydra/Le­weck, 2007)

 

Hand­rei­chung Be­las­tungs­zei­ten im Sport­un­ter­richt:
Her­un­ter­la­den [docx][372 KB]