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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


Die­ses Recht be­sagt, dass es keine le­gi­ti­me so­zia­le oder po­li­ti­sche Ord­nung geben kann, die ihren Sub­jek­ten  ge­gen­über nicht an­ge­mes­sen ge­recht­fer­tigt wer­den kann (…). Men­schen­rech­te sind Rech­te dar­auf, nicht ge­zwun­gen wer­den zu kön­nen, in einer ge­sell­schaft­li­chen Ord­nung zu leben, die den Ein­zel­nen ge­gen­über nicht zu recht­fer­ti­gen ist.

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Drit­tens be­sagt die re­fle­xi­ve Ar­gu­men­ta­ti­on, dass diese Art, Men­schen­rech­te zu be­grün­den, sich nicht dem Vor­wurf des Eth­no­zen­tris­mus aus­ge­setzt sieht, der so viele al­ter­na­ti­ve Theo­ri­en ver­folgt - denn diese Kri­tik be­ruht selbst auf der Ein­for­de­rung eines Rechts auf an­ge­mes­se­ne und vor den Be­trof­fe­nen le­gi­ti­mier­ba­re Recht­fer­ti­gung. Der re­fle­xi­ve An­satz in­ter­pre­tiert somit den Be­griff der Recht­fer­ti­gung selbst in einer nor­ma­ti­ven Weise als Grund­be­griff der prak­ti­schen Ver­nunft sowie als Pra­xis mo­ra­li­scher und po­li­ti­scher Au­to­no­mie - als Pra­xis, die das mo­ra­li­sche Recht auf Recht­fer­ti­gung im­pli­ziert, wel­ches den Grund der Men­schen­rech­te aus­macht.

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Zwei­tens liegt die recht­li­che und po­li­ti­sche Funk­ti­on der Men­schen­rech­te darin, die­ses Grund-recht so­zi­al ef­fek­tiv zu ge­währ­leis­ten, in sub­stan­ti­el­ler und pro­ze­du­ra­ler Hin­sicht. Der sub­stan­ti­el­le As­pekt be­steht in der Auf­ga­be, Rech­te zu for­mu­lie­ren, die an­ge­mes­se­ne For­men des wech­sel­sei­ti­gen Re­spekts aus­drü­cken und deren Ver­let­zung zwi­schen frei­en und glei­chen Per­so­nen als nicht recht­fer­tig­bar an­ge­se­hen wird; der pro­ze­du­ra­le As­pekt be­tont die hier­für we­sent­li­che Be­din­gung, dass nie­mand einem Sys­tem von Rech­ten und Pflich­ten - einem recht­lich-po­li­ti­schen Re­gime, wenn man so will - un­ter­wor­fen wer­den soll­te, an deren Be­stim­mung er oder sie nicht als au­to­no­mes Recht­fer­ti­gungs­we­sen par­ti­zi­pie­ren kann. So schüt­zen die Men­schen­rech­te nicht nur die Au­to­no­mie von Per­so­nen, sie drü­cken sie auch aus.

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Schon im 16. Jahr­hun­dert (…) wurde der Dis­kurs der Men­schen­wür­de mit der po­li­ti­schen Frage des Wi­der­stands gegen die Ty­ran­nei ver­bun­den, ge­nau­er gegen For­men der po­li­ti­schen Herr­schaft, die die­je­ni­gen, wel­che die­ser un­ter­wor­fen waren, nicht als Per­so­nen ansah, denen ge­gen­über die Aus­übung po­li­ti­scher Macht an­ge­mes­sen zu recht­fer­ti­gen war. Die po­li­ti­schen Fra­gen von Ge­rech­tig­keit und Frei­heit waren für den Men­schen­rechts­dis­kurs ent­schei­dend: Die Würde , deren Ach­tung ein­ge­for­dert wurde, bezog sich auf den Sta­tus von Per­so­nen, die nicht län­ger als Die­ner, als Bür­ger zwei­ter Klas­se an­zu­se­hen waren - nicht län­ger als Wesen, denen nor­ma­ti­ve Hand­lungs­fä­hig­keit ab­ge­spro­chen wurde und die daher nicht als Per­so­nen an­er­kannt waren, denen man Grün­de schul­de­te. Als Beleg kann die­nen, was Pu­fen­dorf (…) zum Thema Men­schen­wür­de und Gleich­heit sagt: „ Der Mensch ist nicht nur ein auf Selbst­er­hal­tung be­dach­tes Le­be­we­sen. Ihm ist auch ein fei­nes Ge­fühl der Selbst­ach­tung ein­ge­ge­ben, des­sen Ver­let­zung ihn nicht we­ni­ger tief trifft als ein Scha­den an Kör­per oder Ver­mö­gen. In dem Wort Mensch selbst scheint sogar eine ge­wis­se Würde zum Aus­druck zu kom­men, so daß das äu­ßers­te und wirk­sams­te Ar­gu­ment zur Zu­rück­wei­sung einer dreis­ten Ver­höh­nung der Hin­weis ist: Im­mer­hin bin ich kein Hund, son­dern ein Mensch gleich dir.“

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Diese Rech­te tauch­ten zu­erst als »na­tür­li­che« bzw. »gott­ge­ge­be­ne« in­di­vi­du­el­le Rech­te in den ge­sell­schaft­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen der frü­hen Neu­zeit auf, die nicht sel­ten zu re­vo­lu­tio­nä­ren Um­brü­chen führ­ten, wie im Eng­land des 17. Jahr­hun­derts. Dort klag­ten die Le­vel­lers ein »Ge­burts­recht« auf eine Form der Re­gie­rung ein, die nur dann recht­mä­ßig wäre, wenn sie aus­drück­lich durch die ihr Un­ter­wor­fe­nen dazu au­to­ri­siert sei, po­li­ti­sche Herr­schaft aus­zu­üben; ohne eine sol­che Recht­fer­ti­gung wür­den »na­tür­li­cher­wei­se« freie Per­so­nen einer »grau­sa­men, er­bärm­li­chen, be­dau­erns­wer­ten und nicht hin­nehm­ba­ren Knecht­schaft« un­ter­wor­fen, gegen die sie recht­mä­ßig Wi­der­stand leis­ten könn­ten. Die Spra­che die­ser Rech­te war eine so­zi­al und po­li­tisch eman­zi­pa­to­ri­sche Spra­che, die sich gegen eine feu­da­le Ge­sell­schafts­ord­nung und eine ab­so­lu­te Mon­ar­chie rich­te­te, die für sich selbst »gött­li­che« Vor­rech­te re­kla­mier­te.

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um einen po­li­ti­schen Be­griff der Würde, in einem re­la­tio­na­len Sinne ver­stan­den, näm­lich be­zo­gen auf die ge­sell­schaft­li­che und po­li­ti­sche Stel­lung von Men­schen als Recht­fer­ti­gungs­we­sen, die ein­an­der als Glei­che gel­ten. (…) Dies ist die Vor­stel­lung eines Han­deln­den als Wesen, das Grün­de geben kann und sol­che be­nö­tigt, also ein im dop­pel­ten Sinne Grün­de »brau­chen­des« Wesen - ein Wesen, das Grün­de nicht nur geben und ent­ge­gen­neh­men kann, son­dern ein Recht auf Recht­fer­ti­gung hat. Dies ist die Art, wie ich die Auf­klä­rungs­kon­zep­ti­on der Men­schen­rech­te in ihrem sub­stan­ti­el­len Ge­halt re­kon­stru­ie­re. (…)

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Die Recht­fer­ti­gungs­kri­te­ri­en für mo­ra­li­sche Nor­men sind die von Re­zi­pro­zi­tät und All­ge­mein­heit in einem strik­ten Sinne, da diese Nor­men, re­kur­siv ge­spro­chen, einen eben­sol­chen Gel­tungs­an­spruch er­he­ben. Die Kri­te­ri­en für Rechts­nor­men sind die von Re­zi­pro­zi­tät und All­ge­mein­heit in­ner­halb po­li­ti­scher Recht­fer­ti­gungs­struk­tu­ren, die die Mög­lich­keit frei­er und glei­cher Teil­nah­me und die Be­fol­gung zu­träg­li­cher Ver­fah­ren der De­li­be­ra­ti­on und des Ent­schei­dens vor­aus­set­zen.

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Und damit die Idee bzw. Pra­xis wech­sel­sei­ti­ger Recht­fer­ti­gung mo­ra­li­sche Bin­dung ent­fal­tet, muss der An­spruch, ein Sub­jekt der Recht­fer­ti­gung – aktiv wie pas­siv – zu sein, als vor­gän­gig und un­ab­hän­gig mo­ra­lisch gül­tig an­ge­se­hen wer­den.  (…) Die­ser Re­spekt ist in einem de­on­to­lo­gi­schen Sinne ge­schul­det, so dass er das Ge­wicht des­sen, was wir mit Men­schen­rech­te mei­nen, tra­gen kann.

 

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