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Ot­fried Höffe

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


1943 ge­bo­ren in Ober­schle­si­en Hoeffe
1992 –
2011
Lehr­stuhl für Phi­lo­so­phie am  Phi­lo­so­phi­schen Se­mi­nar der Uni­ver­si­tät Tü­bin­gen, Mit­glied ihrer ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät und Grün­der sowie Lei­ter der For­schungs­stel­le Po­li­ti­sche Phi­lo­so­phie.
Mit­glied in der Na­tio­na­len Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten
  • be­schäf­tig­te sich mit v.a. mit Kant, Aris­to­te­les und Rawls
  • nimmt Stel­lung zu vie­len ak­tu­el­len Fra­gen

Po­si­tio­nen zur Men­schen­wür­de: Ge­gen­wart

Die Men­schen­wür­de als Su­per­la­tiv zwei­ter Stufe -  Wie hän­gen Men­schen­wür­de und Men­schen­rech­te zu­sam­men?

„Me­tho­disch ist die un­an­tast­ba­re Men­schen­wür­de kein ge­wöhn­li­cher recht­li­cher oder mo­ra­li­scher Grund­satz. Sie ist ein schlecht­hin höchs­tes Prin­zip, ein Axiom oder ein Su­per­la­tiv zwei­ter Stufe, sie bil­det das Leit­prin­zip von Moral und Recht. Der Ge­halt ist zwei­tens etwas, das es zu ent­fal­ten und zu­zu­schrei­ben gilt. Des­halb ist drit­tens der ent­schei­den­de Ge­halt, die Un­an­tast­bar­keit nicht von An­fang an ge­ge­ben.
Das erste Ar­gu­ment be­darf noch einer Er­läu­te­rung: Su­per­la­ti­ve ers­ter Stufe sind die Men­schen­rech­te. Bei ihnen kann es vor­kom­men, dass ein Men­schen­recht, zum Bei­spiel der Schutz der Pri­vat­sphä­re, einem an­de­ren Men­schen­recht, etwa der Pres­se­frei­heit, wi­der­spricht. In der­ar­ti­gen Fäl­len ist eine Gü­ter­ab­wä­gung vor­zu­neh­men, die das eine Men­schen­recht im Namen des an­de­ren Men­schen­rech­tes ein­schränkt. Ein Su­per­la­tiv zwei­ter Stufe lässt so etwas nicht zu. Die Men­schen­wür­de ist ein nor­ma­ti­ver An­spruch, der gegen kei­nen an­de­ren An­spruch ab­ge­wo­gen und ein­ge­schränkt wer­den darf. Die un­an­tast­ba­re Men­schen­wür­de rich­tet sich pri­mär an den Ge­setz­ge­ber und den Rich­ter. Ihnen ver­bie­tet sie, die Men­schen­wür­de als den Su­per­la­tiv zwei­ter Stufe im Namen an­de­rer In­ter­es­sen und Werte ein­zu­schrän­ken.“ [1]

Kon­zen­tra­ti­on auf das We­sent­li­che: Was macht den Men­schen als Mensch mög­lich?

„Statt den Men­schen von dem her zu de­fi­nie­ren, was ihm Glück, Selbst­ver­wirk­li­chung oder eine sinn­er­füll­te Exis­tenz er­laubt, muss die An­thro­po­lo­gie nor­ma­ti­ve und te­leo­lo­gi­sche Be­grif­fe ver­ab­schie­den. Mensch­wer­den im an­spruchs­vol­len Sinn heißt, sich den Voll­endungs­be­din­gun­gen des Hu­ma­nen zu un­ter­wer­fen. Der Ge­dan­ke der Men­schen­rech­te be­gnügt sich da­ge­gen mit dem, was den Men­schen als Men­schen mög­lich macht. In einer an­thro­po­lo­gi­schen Be­schei­den­heit kon­zen­triert er sich auf jene An­fangs­be­din­gun­gen, die den Men­schen als Men­schen erst mög­lich ma­chen, und nur des­halb ver­die­nen sie die be­kann­te Qua­li­fi­ka­ti­on: Als dem Men­schen un­ver­zicht­ba­re Ele­men­te sind sie ihm an­ge­bo­ren und un­ver­äu­ßer­lich; sie haben einen an­thro­po­lo­gi­schen Rang.“ [2]

Diese An­fangs­be­din­gun­gen, die das Mensch­sein er­mög­li­chen, be­zeich­net Höffe als tran­szen­den­ta­le In­ter­es­sen. Er meint damit In­ter­es­sen, die Vor­aus­set­zung für alle an­de­ren In­ter­es­sen des Men­schen sind. Nur wenn diese grund­le­gen­den In­ter­es­sen er­füllt sind, kön­nen die viel­fäl­ti­gen an­de­ren In­ter­es­sen des Men­schen in den Blick ge­nom­men wer­den. Grund­le­gend ist das phy­si­sche Leben. Wer nicht lebt, hat keine Chan­ce auf wei­te­re In­ter­es­sen.
Al­ler­dings schließt Höffe dar­aus nicht auf „Selbst­er­hal­tung“ als höchs­tes Prin­zip, son­dern pos­tu­liert die Hand­lungs­fä­hig­keit als tran­szen­den­ta­les In­ter­es­se. Un­ab­hän­gig von Ge­schlecht, Her­kunft oder Re­li­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit, stre­be der Mensch zu­al­ler­erst da­nach, ein hand­lungs­fä­hi­ges Wesen zu sein. Damit er­klärt Höffe auch, wes­halb man­che Men­schen das Über­le­ben nicht als höchs­tes Gut an­se­hen, zum Bei­spiel weil sie ihr Leben für einen Ideal op­fern wol­len. [3]

Men­schen­recht und Men­schen­pflicht: „Wieso darf ich von den an­de­ren be­an­spru­chen, dass sie die mir un­ver­zicht­ba­ren In­ter­es­sen an­er­ken­nen?

Den Weg weist die Kor­re­la­ti­on von Rech­ten und Pflich­ten; wobei der maß­geb­li­che Ge­dan­ke ge­ne­rell, nicht etwa nur bei an­ge­bo­re­nen In­ter­es­sen gilt. Auf die An­er­ken­nung einer Leis­tung be­steht dort ein mo­ra­li­scher An­spruch, wo die Leis­tung nicht ein­fach­hin, son­dern le­dig­lich unter einem Vor­be­halt er­bracht wird: unter der Vor­aus­set­zung, daß eine kor­re­spon­die­ren­de Ge­gen­leis­tung er­folgt. Weil Men­schen­rech­te einen An­spruch mei­nen, stel­len sie kein Ge­schenk dar, das man sich ent­we­der wech­sel­sei­tig oder - aus Sym­pa­thie, aus Mit­leid oder auf Bit­ten - ein­sei­tig of­fe­riert. Viel­mehr han­delt es sich um eine Gabe, die nur unter Be­din­gung der Ge­gen­ga­be er­folgt. Men­schen­rech­te le­gi­ti­mie­ren sich aus einer Wech­sel­sei­tig­keit her­aus, pars pro toto: aus einem Tausch. Nun steht in der Men­schen pflicht , wer die Leis­tun­gen, die le­dig­lich unter Be­din­gung der Ge­gen­leis­tung er­fol­gen, von den an­de­ren tat­säch­lich in An­spruch nimmt. Um­ge­kehrt be­sitzt er das Men­schen recht , so­fern er die Leis­tung, die nur unter Vor­aus­set­zung der Ge­gen­leis­tung er­folgt, wirk­lich er­bringt.“ […] [4]

Nicht des­halb gibt es Men­schen­rech­te, weil der eine gibt, der an­de­re nimmt, son­dern weil ein wech­sel­sei­ti­ges Neh­men und Geben statt­fin­det und weil dar­über hin­aus zwi­schen Gabe und Ge­gen­ga­be ein un­ge­fäh­res Gleich­ge­wicht be­steht. In mo­ra­li­scher Hin­sicht ba­sie­ren die Men­schen­rech­te auf einer Moral, die sich in sehr ver­schie­de­nen Kul­tu­ren fin­det […]. Es ist die Moral der Gol­de­nen Regel […], bzw. der Wech­sel­sei­tig­keit (Re­zi­pro­zi­tät), die wohl in allen Kul­tu­ren eine Rolle spielt, al­ler­dings mit je­weils un­ter­schied­lich star­kem Ge­wicht […].“ [5]

Ar­beits­auf­trag: Er­schlie­ßen Sie die zen­tra­len Aus­sa­gen und den Ar­gu­men­ta­ti­ons­gang des Tex­tes mit Hilfe der Zeit­schrif­ten­me­tho­de
( Werk­zeug­kas­ten ).

 


[1] „Men­schen­wür­de a la Kant – Zur Ak­tua­li­tät eines tra­di­tio­nel­len Kon­zepts“ / SÜD­WEST­RUND­FUNK, SWR2 AULA Fund­stel­le
http://​www.​swr.​de/​swr2/​pro­gramm/​sen­dun­gen/​wis­sen/-/​id=2950780/​pro​pert​y=dow​nloa​d/​nid=660374/​b5f­g­le/​swr2-​wis­sen-​20080127.​rtf

[2] Ot­fried Höffe, Ver­nunft und Recht, Bau­stei­ne zu einem in­ter­kul­tu­rel­len Rechts­dis­kurs, suhr­kamp ta­schen­buch wis­sen­schaft 1270, 1996, S.66 f.

[3] Zu­sam­men­fas­sung nach Höffe, a.a.O., S.74 bis 77 .

[4] a.a.O., S.74.

[5] a.a.O., S.75.

 

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wei­ter: Lö­sung Höffe

 

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