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Im­ma­nu­el Kant

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


Preis und Würde

Alles hat ent­we­der einen Preis , oder eine Würde . Was einen Preis hat, an des­sen Stel­le kann auch etwas an­de­res als Äqui­va­lent [1] ge­setzt wer­den; was da­ge­gen über allen Preis er­ha­ben ist, mit­hin kein Äqui­va­lent ver­stat­tet, das hat eine Würde.

Was sich auf die all­ge­mei­nen mensch­li­chen Nei­gun­gen und Be­dürf­nis­se be­zieht, hat einen Markt­preis . Das aber, was die Be­din­gung aus­macht, unter der al­lein etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen re­la­ti­ven Wert, d.i. einen Preis, son­dern einen in­ne­ren Wert, d.i. eine Würde .

Nun ist Mo­ra­li­tät die Be­din­gung, unter der al­lein ein ver­nünf­ti­ges Wesen Zweck an sich selbst sein kann. Also ist Sitt­lich­keit und die Mensch­heit, so­fern sie der­sel­ben fähig ist, das­je­ni­ge, was al­lein Würde hat.

Ge­schick­lich­keit und Fleiß im Ar­bei­ten haben einen Markt­preis; da­ge­gen Treue im Ver­spre­chen, Wohl­wol­len aus Grund­sät­zen (nicht aus In­stinkt) haben einen in­ne­ren Wert. Die Natur so­wohl als Kunst ent­hal­ten nichts, was sie an ihre [2] Stel­le set­zen könn­ten; denn ihr Wert be­steht nicht in den Wir­kun­gen, die dar­aus ent­sprin­gen, im Vor­teil und Nut­zen, den sie schaf­fen, son­dern in den Ge­sin­nun­gen, d.i. den Ma­xi­men des Wil­lens, die sich auf diese Art in Hand­lun­gen zu of­fen­ba­ren be­reit sind. Diese Hand­lun­gen stel­len den Wil­len, der sie aus­übt als Ge­gen­stand einer un­mit­tel­ba­ren Ach­tung dar. Diese Schät­zung gibt also den Wert einer sol­chen Den­kungs­art als Würde zu er­ken­nen und setzt sie über allen Preis un­end­lich weg, mit dem sie gar nicht in An­schlag und Ver­glei­chung ge­bracht wer­den kann.

Und was ist es denn nun, was die sitt­lich gute Ge­sin­nung oder die Tu­gend be­rech­tigt, so hohe An­sprü­che zu ma­chen? Es ist nichts ge­rin­ge­res als der An­teil, den sie dem ver­nünf­ti­gen Wesen an der all­ge­mei­nen Ge­setz­ge­bung [3] ver­schafft . Denn es hat nichts einen Wert, als den, wel­chen ihm das Ge­setz be­stimmt. Die Ge­setz­ge­bung selbst aber, die allen Wert be­stimmt, muss eben darum eine Würde, d.i. einen un­be­ding­ten un­ver­gleich­ba­ren Wert haben, für wel­chen das Wort Ach­tung den ge­zie­men­den Aus­druck der Schät­zung gibt. Au­to­no­mie ist also der Grund der Würde der mensch­li­chen und jeder ver­nünf­ti­gen Natur. Unser ei­ge­ner Wille, so­fern er nur unter der Be­din­gung einer durch seine Ma­xi­men mög­li­chen all­ge­mei­nen Ge­setz­ge­bung han­deln würde, die­ser uns mög­li­che Wille ist der ei­gent­li­che Ge­gen­stand der Ach­tung, und die Würde der Mensch­heit be­steht eben in die­ser Fä­hig­keit, all­ge­mein ge­setz­ge­bend zu sein.

Ein jeder Mensch hat recht­mä­ßi­gen An­spruch auf Ach­tung von sei­nem Ne­ben­men­schen, und wech­sel­sei­tig ist er dazu auch gegen jeden an­de­ren ver­bun­den.

Die Mensch­heit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von kei­nem Men­schen (weder von an­de­ren noch gar von sich selbst) bloß als Mit­tel, son­dern muss je­der­zeit zu­gleich als Zweck ge­braucht wer­den und darin be­steht eben seine Würde (die Per­sön­lich­keit), da­durch er sich über alle an­de­ren Welt­we­sen, die nicht Men­schen sind, mit­hin über alle Sa­chen er­hebt. Es ruht auf ihm eine Pflicht, die sich auf die jedem an­de­ren Men­schen not­wen­dig zu er­zei­gen­de Ach­tung be­zieht.

Ach­tung , die ich für an­de­re trage oder die ein an­de­rer von mir for­dern kann, ist also die An­er­ken­nung einer Würde an an­de­ren Men­schen, d.i. eines Werts, der kei­nen Preis hat, kein Äqui­va­lent, wo­ge­gen das Ob­jekt der Wert­schät­zung aus­ge­tauscht wer­den könn­te.

Quel­len:
Kant, Im­ma­nu­el: GMS. Ham­burg: Mei­ner, S. 61-68 [434-441].
Kant Im­ma­nu­el: Me­ta­phy­sik der Sit­ten. Darm­stadt: WGB, S. 600 [§36, §37].

 

Mög­lich­kei­ten zur Vor­ent­las­tung des Tex­tes Preis und Würde  

Ori­gi­nal­tex­te stel­len für die meis­ten Schü­le­rIn­nen eine Her­aus­for­de­rung dar. Kant bil­det dabei durch die ver­al­ter­te Schreib- und Aus­drucks­wei­se sowie den kom­ple­xen Sät­zen mit sei­nen Tex­ten keine Aus­nah­me. Es kann des­halb hilf­reich, bei leis­tungs­schwä­che­ren Grup­pen auch not­wen­dig, sein, den Text Kants zur Be­grün­dung der Men­schen­wür­de ge­zielt vor­zu­ent­las­ten.

Eine sol­che Vor­ent­las­tung ist z.B. mög­lich durch…

a)… eine Dis­kus­si­on fol­gen­der The­men / Fälle (→ Liegt hier eine Wür­de­ver­let­zung vor? Wird hier das Recht auf Selbst­be­stim­mung ver­letzt?)

  • Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung
  • Recht auf se­xu­el­le Selbst­be­stim­mung, (Män­ner- und Frau­en­bil­der)
  • Recht auf Schwan­ger­schafts­ab­bruch / Selbst­be­stim­mungs­recht von Frau­en oder: wann be­ginnt mensch­li­ches Leben?
  • Selbst­be­stim­mung ohne fi­nan­zi­el­le Mög­lich­kei­ten: Hartz IV
  • In­wie­weit soll­te der Staat ein­grei­fen, um die Be­nach­tei­li­gung von Frau­en auf dem Ar­beits­markt aus­zu­glei­chen: Quo­ten­re­ge­lung

b)… die Ana­ly­se eines Films zum Thema „Mensch­li­che Klone“, wie z.B. „Die Insel“ oder „Moon“. Fol­gen­de Leit­fra­gen wären denk­bar:

  • Haben mensch­li­che Klone so viel Wert wie das Ori­gi­nal?
  • Be­sit­zen Klone Würde (oder haben sie, nach Kant, le­dig­lich ihren Preis, da sie „Äqui­va­lent“ des Ori­gi­nals sind)?
  • Be­sit­zen mensch­li­che Klone Würde?
  • Sind Klone au­to­nom (oder wer­den sie wie im Film z.B. durch Ge­dächt­ni­sim­plan­ta­te) fremd­be­stimmt?
  • Was kos­tet der Mensch, ein mensch­li­ches Organ, ein Glied­maß?
  • Ist ein Klon ein Mensch?
→ evtl. kann im wei­te­ren Ver­lauf der UE Birn­ba­chers Po­si­ti­on (Ver­let­zung der Spe­zi­es Mensch und ihrer Würde durch Klo­nen) mit Hilfe des Film­bei­spiels ver­an­schau­licht wer­den.

Zu bei­den Mög­lich­kei­ten der Vor­ent­las­tung wäre es denk­bar :

  • Fra­gen , die sich zu dem Thema er­ge­ben, zu sam­meln .

 

Auf­ga­ben zur Er­ar­bei­tung des Tex­tes Preis und Würde  

„Au­to­no­mie ist der Grund der Würde der mensch­li­chen und jeder ver­nünf­ti­gen Natur.“

  1. Kom­men­tiert in einem Schreib­ge­spräch oben ste­hen­de Aus­sa­ge.
    Al­ter­na­tiv:  Stimmst Du der Aus­sa­ge zu? Be­grün­de Deine Ant­wort (Am­pel­fra­ge, Po­si­ti­ons­li­nie…)
  1. Er­stel­le mit Hilfe fol­gen­der Schlüs­sel­be­grif­fe ein Be­griffs­netz: Preis, Würde, Ach­tung, Au­to­no­mie, Ver­nunft, Selbst­ge­setz­ge­bung, Ge­sin­nung, Wert, Zweck, Mo­ra­li­tät. (Bei leis­tungs­stär­ke­ren Grup­pen kön­nen die Schlüs­sel­be­grif­fe weg­ge­las­sen wer­den.)
  1. Schrei­be zu den Be­grif­fen „Preis“ und „Würde“ einen Le­xi­kon­ar­ti­kel.
  1. Wel­che Ant­wor­ten gibt uns Kants Text auf die Fra­gen der Vor­ent­las­tung?

 


[1] Äqui­va­lent : gleich­wer­ti­ger Er­satz.
[2] ihre : ge­meint sind die „Grund­sät­ze“.
[3] Ge­setz­ge­bung : Kant be­zieht sich hier auf die ver­nünf­ti­ge Selbst­ge­setz­ge­bung des Wil­lens.

 

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Text und Auf­ga­ben: Her­un­ter­la­den [doc][1,4 MB]

Text und Auf­ga­ben: Her­un­ter­la­den [pdf][158 KB]