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Bin­nen­lo­gik sub­stan­ti­el­ler Ar­gu­men­te

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


Ste­phen Toul­min hat ver­sucht, den Vor­gang der dis­kur­si­ven Be­grün­dung von auf­ge­stell­ten Be­haup­tun­gen in einer ethisch-mo­ra­li­schen Ar­gu­men­ta­ti­on in einem Sche­ma zu ver­an­schau­li­chen. Wir gehen in aller Regel von einer of­fen­sicht­li­chen Tat­sa­che (D = Data ) und be­wer­ten diese in einem mo­ra­li­schen Ur­teil (C = Con­clu­sio) . Diese Schluss­fol­ge­rung ist aber nur dann kor­rekt, wenn wir die all­ge­mei­ne Regel bzw. die mo­ra­li­sche Norm ( W = War­rant ken­nen), die als nor­ma­ti­ve Prä­mis­se den Über­gang von D zu C er­mög­licht und die – wie wir sahen – im All­tag oft­mals un­ter­schla­gen wird.

Neh­men wir ein­mal an, dass das vor­lie­gen­de Fak­tum un­strit­tig ist. Dann ist die Schluss­fol­ge­rung, die mo­ra­li­sche Be­wer­tung die­ser Tat­sa­che für uns eben­falls un­strit­tig, wenn die hin­zu­ge­zo­ge­ne mo­ra­li­sche Norm (die nor­ma­ti­ve Prä­mis­se) uns über­zeugt. Eine Dis­kus­si­on der Gül­tig­keit der Be­wer­tung die­ses Sach­ver­halts wird sich also auf die Recht­fer­ti­gung der Hand­lungs- oder Be­ur­tei­lungs­norm (W) rich­ten. Kann unser Ge­sprächs­part­ner hier gute Grün­de (B = Backing) nen­nen, warum wir diese Norm als für uns gel­tend un­ter­stel­len soll­ten, so­dass wir ihm zu­stim­men müs­sen (wir kom­men also zu einem Kon­sens), dann er­zeugt er mit die­sen Ar­gu­men­ten Plau­si­bi­li­tät für seine Schluss­fol­ge­rung (C).

Die­sen ar­gu­men­ta­ti­ons­lo­gi­schen Zu­sam­men­hang stellt Toul­min in einem Sche­ma dar:

D
Tat­sa­che
of­fen­sicht­lich/evi­dent

 

>>>

C
Mo­ra­li­sches Ur­teil /Schluss­fol­ge­rung

 

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W
Mo­ra­li­sche Norm: Hand­lungs-/ Be­ur­tei­lungs-norm oder –prin­zip

 

 

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B
Werte
Fol­gen / Ne­ben­fol­gen
Evi­den­zen
Be­dürf­nis­se
Al­leg­mei­ne Ann­nah­men
Sit­ten Ge­bräu­che

= hin­rei­chen­de Grün­de und Mo­ti­va­tio­nen, W für Plau­si­bel zu hal­ten

Die Ana­ly­se eines Bei­spiels:

Stel­len wir uns fol­gen­de Si­tua­ti­on vor: Sa­bi­ne klagt, dass Franz mit ziem­li­cher Si­cher­heit un­mo­ra­lisch ge­han­delt habe. Auf Rück­fra­gen gibt sie an, er habe ein ge­ge­be­nes Ver­spre­chen nicht ge­hal­ten. Sa­bi­ne be­haup­tet also: „Franz hat sein Ver­spre­chen nicht ge­hal­ten. Also hat Franz (ver­mut­lich) un­mo­ra­lisch  ge­han­delt.“

Die­ses mo­ra­li­sche Ur­teil lässt sich nach dem Toul­min-Sche­ma auf fol­gen­de Weise re­kon­stru­ie­ren:

D = Tat­sa­che
Franz hat sein Ver­spre­chen
nicht ge­hal­ten

 

>>>

des­halb:
C = Schluss­fol­ge­rung
Franz hat mo­ra­lisch falsch ge­han­delt

 

 

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wenn nicht:
even­tu­ell Aus­nah­men­be­din­gun­gen
z.B. hö­he­re Werte in Ge­fahr 

 

wegen 
W = mo­ra­li­sche Norm:
Ver­spre­chen müs­sen ge­hal­ten wer­den

 

 

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Diese Norm gilt
auf­grund von:
B =
Z.B. Fol­gen­er­wä­gun­gen:
Das Nicht­ein­hal­ten von Ver­spre­chen hat in der Regel schlech­te Fol­gen

 

Mit Hilfe die­ses Sche­mas las­sen sich bei ver­schie­de­nen Ar­gu­men­ta­tio­nen die Un­ter­schie­de prä­zi­se lo­ka­li­sie­ren und v.a. auch ver­an­schau­li­chen. Zudem er­mög­licht diese Sche­ma­ti­sie­rung, die ent­spre­chen­de Ar­gu­men­ta­ti­on durch ge­ziel­te Fra­gen zu über­prü­fen.

In un­se­rem Falle könn­te man fra­gen nach …
… der Tat­sa­che, die als Ar­gu­ment ver­wen­det wird, z.B.:

  • Stimmt die Aus­sa­ge, dass Franz sein Ver­spre­chen ge­bro­chen hat? Wann, wo, ge­gen­über wem?
  • Was genau hat er ver­spro­chen?
  • Was genau ist ein Ver­spre­chen?

… der Norm, die als Prä­mis­se (Ober­satz) die Con­clu­sio er­mög­licht, z.B.:

  • Müs­sen Ver­spre­chen immer ge­hal­ten wer­den?
  • Gilt dies für alle Ver­spre­chen?

… den Grün­den, die für die Plau­si­bi­li­tät der her­an­ge­zo­ge­nen Norm an­ge­führt wer­den, z.B.:

  • Hat die Nicht­ein­hal­tung von Ver­spre­chen tat­säch­lich immer ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen?
  • Ist das Ar­gu­men­tie­ren mit Fol­gen und Ne­ben­fol­gen von Hand­lun­gen über­haupt ge­eig­net, eine mo­ra­li­sche Norm zu plau­si­bi­li­sie­ren?

… der Kor­rekt­heit des Schlus­ses, z.B.:

  • Lässt sich der Schluss­satz wirk­lich lo­gisch ab­lei­ten?

Übung 2: Die Klau­sur

Maria schreibt in einer Mail an ihre Freun­din Cla­ris­sa aus Ham­burg Fol­gen­des:

„Ste­fan aus mei­ner Klas­se frag­te mich zwei Tage vor einer Klau­sur, ob er meine Zu­sam­men­fas­sung des Stof­fes aus dem Bio-Nei­gungs­kurs haben könne. Das hat mich total ge­är­gert! Ich habe Tage an die­ser Zu­sam­men­fas­sung ge­ar­bei­tet, wäh­rend Ste­fan an den Bag­ger­see ge-fah­ren ist und Party ge­macht hat. Ich habe ihm die Un­ter­la­gen nicht ge­ge­ben. Au­ßer­dem war das ver­dammt kurz­fris­tig – und ich muss­te doch selbst noch ler­nen. Wir haben jetzt die Klau­sur ge­schrie­ben und ich glau­be, bei Ste­fan hat´s nicht wirk­lich ge­klappt. Jetzt habe ich ein schlech­tes Ge­wis­sen – ich frage mich, ob ich ihm die Zu­sam­men­fas­sung nicht doch hätte geben sol­len. Was meinst du? Habe ich falsch ge­han­delt?“

Auf diese Mail ant­wor­tet Cla­ris­sa:

„Du hast weder falsch noch rich­tig ge­han­delt, trotz­dem hät­test du dei­nem Freund die Un­ter­la­gen geben kön­nen, um ihm zu hel­fen. Denn wür­dest du nicht das Glei­che von ihm er­war­ten?
Al­ler­dings wäre es dabei wich­tig ge­we­sen, ihm klar zu ma­chen, dass es falsch war, was er getan hat. Bei der nächs­ten Klau­sur soll­te er selbst ler­nen (oder ihr beide zu­sam­men). Na­tür­lich wird es ihm nun eine Lehre sein, wenn er deine Un­ter­la­gen nicht hatte und ver­mut­lich das nächs­te Mal recht­zei­tig an­fan­gen zu ler­nen. Doch wie steht es mit eurer Freund­schaft. Wird er dir in Zu­kunft bei­ste­hen, wenn du ihn um etwas bit­test?
Das heißt also, du hät­test ihm die Un­ter­la­gen geben kön­nen. Es wäre dabei wich­tig ge­we­sen ihm zu sagen, dass dies das letz­te Mal war und er in Zu­kunft sich selbst um die Un­ter­la­gen küm­mern solle. Dies ist auch für ihn von Vor­teil, da dies seine Selb­stän­dig­keit för­dert und er so auch bes­ser lernt. Grund­sätz­lich hät­test du nach dem Prin­zip, dass man Freun­den hel­fen soll, han­deln sol­len.“

Auf­ga­be:
Re­kon­stru­ie­ren Sie die Ant­wort von Cla­ris­sa mit Hilfe des Toul­min-Sche­mas.

Übung 3: PID

Die P i mpla­ti­ons d iagnos­tik (= PID)ist ein mo­ra­lisch um­strit­te­nes Ver­fah­ren der Me­di­zin,  mit deren Hilfe ein durch in-vitro -Fer­ti­li­sa­ti­on er­zeug­ter Em­bryo un­ter­sucht wer­den kann. So kann man z.B. fest­stel­len, ob ein Em­bryo eine Erb­krank­heit be­sitzt und ihn des­halb nicht in die Ge­bär­mut­ter ein­pflan­zen. Um­strit­ten ist bei die­sem Ver­fah­ren z.B. der mo­ra­li­sche Sta­tus des Em­bryo. Es wird dis­ku­tiert, ob der Em­bryo ein Mensch ist und wel­che Rech­te sich aus die­ser Zu­schrei­bung er­ge­ben. Muss das Leben eines Em­bryo ge­schützt wer­den – oder gilt der Le­bens­schutz z.B. nur für ge­bo­re­ne Men­schen?

Eine mög­li­che Po­si­ti­on in die­ser Dis­kus­si­on könn­te so aus­se­hen:

Das mensch­li­che Leben be­ginnt bio­lo­gisch ge­se­hen mit der Ver­schmel­zung von weib­li­chem und männ­li­chem Zell-Kern. An­ders als die Ei- oder Sa­men­zel­le be­sitzt die­ser Em­bryo das Po­ten­ti­al zu einem Mensch zu wer­den. Die wei­te­re Ent­wick­lung ver­läuft kon­ti­nu­ier­lich.  
Des­halb las­sen sich keine sinn­vol­len Gren­zen mehr zie­hen, ab wann der Em­bryo schutz­wür­di­ger ist als vor­her. So kann z.B. die Ab­we­sen­heit von Be­wusst­sein kein sol­ches Kri­te­ri­um sein, denn dies würde auch für Ko­ma­pa­ti­en­ten oder Be­wusst­lo­se gel­ten, die dann auch kei­nen Schutz mehr ge­nie­ßen dürf­ten. Eine Ge­sell­schaft, die auf die Men­schen­wür­de be­son­de­ren Wert legt, sorgt sich aber ge­ra­de um den Schutz der Schwa­chen in be­son­de­rem Maße. Des­halb ist ein Ver­fah­ren,  bei dem Em­bryo­nen se­lek­tiert und ver­nich­tet wer­den, mo­ra­lisch nicht zu ver­tre­ten.

Auf­ga­be:
Re­kon­stru­ie­ren Sie diese Ar­gu­men­ta­ti­on mit Hilfe des Toul­min-Sche­mas.

⇒ Die Lö­sun­gen zu die­ser Lern­sta­ti­on fin­den Sie im Down­load.

 

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