Leitgedanken Gemeinschaftskunde
Infobox
Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Stellung des Faches
"In allen Schulen ist Gemeinschaftskunde ordentliches Lehrfach" (Landesverfassung von Baden-Württemberg, Art. 21 Abs. 2).
Angesichts nationaler und internationaler Veränderungsprozesse erhalten politisch-gesellschaftliches und ökonomisches Grundwissen sowie die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich in unserem demokratischen System zu orientieren und zu engagieren, eine besondere Bedeutung. Verständnis des politischen Systems sowie Teilhabe und Mitwirkung am politischen Prozess sind unerlässlich, wenn Freiheit und Demokratie weiter entwickelt und nachhaltig gesichert werden sollen. Deshalb ist die Verankerung von Kompetenzen, welche die aktive Teilnahme im politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bereich ermöglichen, für unser Gemeinwesen unabdingbar.
Neben dem Elternhaus ist es vornehmlich Aufgabe der Schule und speziell des Faches Gemeinschaftskunde diesen Prozess politischer Bildung anzuregen und zu fördern. Ausgehend vom Auftrag des Grundgesetzes sowie der Landesverfassung leistet das Fach Gemeinschaftskunde einen wichtigen Beitrag zur Werteerziehung und zur normativen Orientierung in der politischen Bildung.
Der Unterricht soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, auf der Grundlage solider Kenntnisse Einsichten in politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtliche Zusammenhänge zu gewinnen. Sie sollen sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst werden und selbstständig denkende, rational urteilende und sozial verantwortlich handelnde Staatsbürgerinnen und Staatsbürger werden, die die Regeln für ein rationales und gewaltfreies Austragen politischer Konflikte kennen und achten. Sie erkennen, dass Freiheit und Verantwortung die konstitutiven Elemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung sind, die es zu sichern und zu entwickeln gilt.
Teilhabe und Mitwirkung am politischen Prozess setzen den Erwerb spezifischer Kompetenzen voraus, die einander bedingen und ergänzen und darüber hinaus zur Studierfähigkeit beitragen. Die Kompetenzen werden in einem Prozess der Komplexitätssteigerung und der zunehmenden Differenzierung in den jeweiligen Klassenstufen altersgemäß umgesetzt.
Kompetenzerwerb
Das Fach Gemeinschaftskunde vermittelt allgemeine Kompetenzen, die sich genuin aus politischen Frage- und Problemzusammenhängen ergeben. Demgemäß können die Schülerinnen und Schüler in der Klassenstufe 8 einfache politische, gesellschaftliche und ökonomische Sachverhalte und Probleme unter Anleitung untersuchen und darstellen. Sie können diese im Lichte ihrer eigenen und fremder Interessen beurteilen und verfügen über grundlegende Methoden und Möglichkeiten, um Veränderungen zu bewirken. Die Schülerinnen und Schüler ergänzen und erweitern schrittweise ihre Fähigkeiten zur Recherche und Darstellung politischer Probleme wie auch zur Beeinflussung politischer Prozesse. Sie entwickeln dabei im Laufe des Unterrichts allmählich ein höheres Maß an Selbstständigkeit. Darüber hinaus sind sie schließlich zunehmend eigenständig dazu in der Lage, Falluntersuchungen und Problemanalysen mit Hilfe politischer Kategorien (Interesse, Gemeinwohl, Konflikt, Konsens, Kompromiss, Regelung, Herrschaft, Macht, Recht, Werteorientierung, Legitimation, Effizienz, Partizipation, Nachhaltigkeit) durchzuführen. Dabei berücksichtigen sie unterschiedliche Politikdimensionen und unterscheiden im Diskurs zwischen konstatierenden, erklärenden und wertenden Urteilen. Methodische Kompetenzen, die durch das Fach Gemeinschaftskunde gefördert werden, dienen der Wahrnehmung und Analyse politisch-gesellschaftlicher und ökonomischer Vorgänge sowie der Beurteilung politischer Teilhabemöglichkeiten. Sie ergänzen dadurch die in den Leitgedanken für Geographie, Wirtschaft und Gemeinschaftskunde genannten Kompetenzen.
Der Fähigkeit, sich angesichts vielfältiger Beeinflussungsmöglichkeiten eine eigene Meinung zu bilden, muss im Fach Gemeinschaftskunde eine besondere Bedeutung zukommen. Dem entsprechend sind die Schülerinnen und Schüler bis Ende der Klassenstufen 10 beziehungsweise 12 zunehmend in der Lage, die in Texten und anderen Materialien geäußerten politischen Meinungen hinsichtlich ihrer sachlichen Richtigkeit, der zugrunde liegenden Werthaltungen und politischen Interessen zu untersuchen. Sie kennen die fachspezifischen Methoden sozialwissenschaftlichen Arbeitens (Informationsbeschaffung, Informationsverarbeitung, Präsentation) und können diese altersgemäß anwenden. Sie können Texte und Materialien, die der politischen Teilhabe dienen, erstellen (zum Beispiel Leserbriefe, Flugblätter). Dabei lernen sie, unterschiedliche kommunikative beziehungsweise politische Absichten (Darstellung, Appell, Argumentation) sach- und situationsgerecht zu verfolgen.
Inhalte aus den Bereichen Politik, Recht, Wirtschaft und Gesellschaft verlangen jeweils spezifische Formen der Bearbeitung. Der Erwerb methodischer Kompetenzen soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, bei der selbstständigen Bearbeitung eines Themas eine angemessene Auswahl von Methoden der Informationsbeschaffung, -verarbeitung und Präsentation vorzunehmen.
Soziale und personale Kompetenzen sind eng aufeinander bezogen. Sie zielen auf demokratische Verhaltens- und Kommunikationsweisen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben die für die politische Kultur in einem demokratischen Gemeinwesen unverzichtbare Fähigkeit, auf der Grundlage der Anerkennung von Andersdenkenden selbstbewusst, sach- und situationsgerecht Diskussionen, Streitgespräche und Debatten auszutragen. Darüber hinaus leiten sie aus dem Grundgesetz elementare Wert- und Grundhaltungen ab und erkennen deren Bedeutung für die Entwicklung des demokratischen Systems. Der Erwerb sozialer und personaler Kompetenzen ist als Prozess zu verstehen. Dieser entwickelt sich in einer altersgemäßen Auseinandersetzung mit Fachinhalten. Eine präzise Zuweisung und Evaluierung einzelner Kompetenzen auf bestimmte Klassenstufen wird der Qualität dieser Bildungsziele nicht gerecht. Dies gilt besonders für die unterschiedlichen Aspekte der Werteerziehung.
Im Verlauf des Fachunterrichts werden die Schülerinnen und Schüler fähig zum Perspektivwechsel. Sie sind bereit, die eigene Meinung der kritischen Prüfung anderer auszusetzen. Auf dieser Grundlage entwickeln die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der Oberstufe sozial-kommunikative Kompetenzen, die ihre Kooperationsfähigkeit fördern und zum zivilgesellschaftlichen Diskurs befähigen.
Personale Kompetenzen fördern einerseits die Teilhabe am politischen Prozess, anderseits demokratische Grund- und Werthaltungen. Die Schülerinnen und Schüler können zwischen eigenen Interessen und sozialer Verantwortung abwägen. Sie haben Grundwerte und Verhaltensdispositionen wie Achtung der Menschenwürde und Menschenrechte, Toleranz gegenüber anderen Lebensformen, Religionen, Weltanschauungen, Völkern und politischen Meinungen sowie Gewaltfreiheit und Zivilcourage verinnerlicht. Sie erkennen Möglichkeiten zur politischen Teilhabe und Mitbestimmung.
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln Fachkompetenz, indem sie sich auf einem ihrem Alter entsprechenden Niveau mit grundsätzlichen und aktuellen Fragen der Politik befassen. Sie erwerben Kenntnisse der politischen, ökonomischen und rechtlichen Grundlagen unserer Gesellschaft und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung.
Bei der Analyse von Entscheidungsprozessen werden ihnen Handlungsspielräume und deren Grenzen deutlich und sie erkennen bei der Behandlung kontroverser Standpunkte und ihrer Begründungszusammenhänge die Vielschichtigkeit politischer Probleme. Bei der Beurteilung politischer Entscheidungen berücksichtigen sie deren langfristige Folgen.
Didaktische Prinzipien
Eine umfassende Erziehung zur Demokratie ist darauf angewiesen, dass der Unterricht in allen Fächern und das Schulleben sich als Raum verstehen, in dem die oben genannten Kompetenzen in einem überschaubaren Rahmen erworben und umgesetzt werden können.
Im Mittelpunkt aller didaktischen Überlegungen steht das Politische. Für die Unterrichtsplanung und -umsetzung sind dementsprechend folgende didaktische Prinzipien grundlegend:
- der enge Bezug zur politischen Aktualität und zu den jeweiligen Konflikten und Problemen (Problemorientierung);
- die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Interessen, Sichtweisen und wissenschaftlichen Standpunkten (Kontroversität, Wissenschaftsorientierung);
- die Differenzierung und Verknüpfung von Analyse- und Erfahrungswissen (Exemplarisches und Kategoriales Lernen, Handlungsorientierung).
Die folgenden Fachkompetenzen konkretisieren die Umsetzung der Ziele und didaktischen Prinzipien des Faches Gemeinschaftskunde.
Quelle: Bildungsplan Gymnasium [PDF] [3,1 MB] S. 258-259